Seite:Die Gartenlaube (1861) 168.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

erzielt werden, wenn hier der Magen das heiße Wasser nicht noch mit salzigen und anderen Bestandtheilen versetzt bekäme. – Nur beim Blutbrechen ist der Genuß heißen Wassers zu vermeiden, weil dieses das Bluten fördert; sonst ist es aber bei allen andern Magenleiden empfehlenswerth.

Die Wärme des genossenen Wassers hat ferner noch den Vortheil, daß sie die Aufnahme des Wassers in die Blutgefäße der Magenwand, also in den Blutstrom beschleunigt. Daher kommt es denn auch, daß heiße Getränke weit schneller durch die Nieren (mit dem Urin) aus dem Körper wieder entfernt werden, als kalte, und daß heißes Getränk sehr bald vermehrte Hauttranspiration und Schweißabsonderung nach sich zieht. – Außerdem dürfte sicherlich heißes Wasser zum Aus- und Abwaschen der innern Fläche des Magens besser dienen, als kaltes, was die Häute und Gefäße des Magens zum Zusammenziehen zwingt und die Magennerven irritirt. Natürlich wird einem gesunden Magen diese Wirkung des kalten Wassers nichts schaden, sie müßte denn übertrieben werden. – Nicht unmöglich ist es sodann noch, daß heißes Wasser, was wie bekannt die meisten löslichen Stoffe schneller und besser löst, als kaltes, auch im Magen bisweilen diese seine lösende Kraft ausübt. Bei Vielen wirkt deshalb wohl auch warmes Getränk bei Tische, heiße Suppe und heißer Kaffee die Magenverdauung unterstützend. Jedenfalls ruft heißes Getränk durch gesteigerte Blutzufuhr zur Magenwand auch eine Steigerung der Magensaftabsonderung und insofern vollkommenere Verdauung des Mageninhaltes hervor. – Bei vielen mit hartem Stuhlgange oder Verstopfung Geplagten befördert der Genuß heißen Wassers die Leibesöffnung, wahrscheinlich durch Anfeuchtung des Darminhaltes.

Nach dieser ersten, auf die Magenwand und den Mageninhalt gerichteten erwärmenden, abwaschenden, auflösenden und verdauungsbefördernden Wirkung des heißen Wassers folgt nun die Wirkung auf den Theil des Blutstroms, in welchen das Wasser, und zwar wegen seines Wärmegehaltes ziemlich schnell eindringt, und das ist das Blut, welches von Magen, Milz und Darmcanal her durch die Pfortader in die Leber einströmt, und, nachdem hier eine große Reinigung und Verjüngung dieses Blutes stattgefunden, aus dieser zum Herzen, zu den Lungen und dem ganzen übrigen Körper läuft. Durch das schnelle Eindringen einer größern Quantität heißen Wassers (was sich freilich im Magen schon etwas abgekühlt hat) in die Pfortader wird das dunkle, dickflüssige, schwerfließende Blut derselben zuvörderst dünnflüssiger und dadurch zum flottern Fließen geschickter gemacht. Es kann deshalb rascher durch die Leber befördert und mit Hülfe der Gallenstoffabsetzung besser gereinigt werden, wozu ohne Zweifel die gutlösende Eigenschaft des heißen Wassers auch etwas mit beiträgt. Sollte übrigens das genossene heiße Wasser durch seine Abkühlung im Magen auch wirklich nicht wärmer in’s Blut kommen als das kalte und im Magen erwärmte, so kann doch eine größere Quantität heißen Wassers den Magen niemals so incommodiren und ihm nachtheilig sein, als eine größere Menge kalten Wassers. Und bei der Verdünnung und Reinigung des Pfortaderblutes (was durch seine Anhäufungen am Verdauungsapparate zu den sogenannten Unterleibs- und Hämorrhoidalbeschwerden Veranlassung giebt) handelt es sich allerdings um die Einfuhr einer größern Quantität Wassers.

Sowie nun zunächst das Pfortaderleberblut durch reichliche Wasserzufuhr dünn und leichtflüssiger gemacht wird, so findet dies auch, nachdem das Wasser die Leber passirt und in den Hohladerblutstrom eingetreten ist, mit dem Gesammtblute des Körpers statt. Diese Verdünnung der ganzen Blutmasse würde natürlich nur da von Vortheil sein, wo das Blut zu dickflüssig oder eingedickt ist. Ein dickflüssiges, an Fett, Blutkörperchen, Faser- oder Eiweißstoff zu reiches Blut besitzen nun aber vorzugsweise Gut- und Vielesser, Fettleibige und Vollblütige, reiche Faulenzer mit gutem Appetite und Hämorrhoiden; ihnen thut eine zeitweilige tüchtige Blutbewässerung stets gut. Eingedickt kann das Blut durch solche Krankheitsprocesse werden, welche demselben schnell eine größere Menge Blutwasser entziehen, wie dies z. B. die Cholera und alle choleraähnliche Zustände, große Verbrennungen mit Blasenbildung, übermäßige Schweiße thun. Hier bewirkt die rasche Ersetzung des Blutwassers durch Genuß viel heißen Wassers ganz Außerordentliches; bei der asiatischen Cholera thut es, selbst wenn es zum Theil immer und immer wieder ausgebrochen wird, geradezu Wunder (so weit nämlich Wunder möglich sind).

Man glaube nun aber ja nicht etwa, daß sich das in großer Menge in den gesammten Blutstrom eingeführte Wasser hier fort und fort anhäuft und das Blut überschwemmt. Nur soviel davon, als unentbehrlich ist, bleibt eine Zeitlang darin, der Ueberschuß wird sehr schnell, hauptsächlich durch die Nieren (mit dem Harn) und die Haut (als Schweiß) wieder entfernt. Nun weiß ich’s zwar nicht gewiß durch Untersuchungen des Blutes, Harns und Schweißes, vermuthe es aber in Folge von Probiren (und Probiren geht manchmal über Studiren), daß bei dem schnellen Durchgange vielen Wassers durch das Blut in den Schweiß und Urin manche unnütze oder gar schädliche Stoffe im Blute aufgelöst oder verdünnt und vielleicht mit Schweiß oder Urin entfernt werden. So läßt sich kaltes Fieber, was seine Entstehung der Aufnahme von Sumpfluft in das Blut verdankt, durch bloßes heißes Wasser (ohne alles Chinin) vertreiben. Beginnendes Nervenfieber, Eitervergiftung des Blutes, Kindbettfieber, Rheumatismus und Gicht durch heißes Wasser curirt zu haben, bilde ich mir ein. Ob’s wahr ist, könnte freilich nur durch unparteiische Aerzte bestimmt werden, die bei einem großen Krankenstande ihre vorgefaßte gute Meinung für die althergebrachten künstlichen Arzneien besiegen und das einfache heiße Wasser in größerer Quantität anwenden wollten. Doch das erlebe ich nicht, da müßte ich meine Herren Collegen nicht kennen, und es bleibt mir deshalb nur noch die Beruhigung, daß mancher Laie einen Versuch damit und dann Propaganda dafür machen wird. Es könnte gewiß nicht schaden, wenn jeder Mensch von Zeit zu Zeit, wie er früher zeitweilig fastete und purgirte, eine energische Blutwäsche mit sich anstellte, um den durch unsere Lebensweise sich so leicht bildenden und im Blute anhäufenden Schmutz zu entfernen. Als Seife möge er dazu gute, reine, frische Luft, als Stärke Milch nehmen. Das wäre eine vernünftige, naturgemäße Blutreinigung und Mauserung, während die durch Holzthee, Kräuter etc. ein Unsinn ist.

Nicht genug, daß das getrunkene heiße Wasser auf den Magen, das Unterleibs- und Gesammtblut vortheilhaft einwirkt, es kann auch noch den Organen nützen, durch welche das überschüssige Wasser aus dem Blute entfernt wird, also vorzugsweise der Haut und den Nieren. Dieser Nutzen zeigt sich recht deutlich nach Erkältungen der heißen, schwitzenden Haut, wo der reichliche Genuß heißen Wassers bei warmer Bedeckung des Körpers lebensgefährliche Entzündungen besonders des Herzens verhüten und die Hautthätigkeit sehr bald wieder herstellen kann, so wie bei Krankheiten der Harnwege, wo durch die Verdünnung des nun wasserreichen, blassen Urins (bei kühlem Verhalten der Haut durch leichte Bekleidung) die kranke Stelle weniger von den reizenden, salzigen und sauern Harnbestandtheilen incommodirt wird und darum leichter heilen kann. Ganz gewiß schwemmt auch nicht selten das Harnwasser unnützes Zeug aus den Harnwegen mit hinweg. Nieren-, Blasen-, Stein- und Harnröhrenkranken ist deshalb anzurathen, ihren Urin durch reichlichen Wassergenuß stets wasserhell zu halten.

Wer soll also heißes Wasser trinken?

1) Wer am Magen, besonders am Magenkrampfe und überhaupt an langdauernden Magenbeschwerden leidet (s. Gartenl. Jahrg. 1853, Nr. 42. Jahrg. 1855, Nr. 31. Jahrg. 1860, Nr. 7.). – 2) Wer von Unterleibsleiden (Leberleiden natürlich mit eingeschlossen), Verstopfung und Hämorrhoiden heimgesucht ist (s. Gartenl. Jahrg. 1854, Nr. 18. Jahrg. 1855, Nr. 1. Jahrg. 1860, Nr. 21.) – 3) Wer zu viel Fett und Fleisch auf seinem Leibe in Folge von vielem, gutem und fettem Essen bei Mangel an Bewegung hat; überhaupt wem ein dickflüssiges Blut in den Adern rinnt, also auch Solche, die bei sogenannter Vollblütigkeit über Kopfschmerz, Schwindel, Ohrensausen und Herzklopfen zu klagen haben. – 4) Wer an der Cholera, die ihn eben abmartert, nicht sterben will (s. Gartenl. Jahrg. 1854, Nr. 35. Jahrg. 1856, Nr. 38.) – 5) Wer ein verunreinigtes Blut auszuwaschen hat, und das kann ebenso bei hitzigen, fieberhaften, wie langwierigen, fieberlosen Leiden der Fall sein, wie bei Wechselfieber, Typhus (s. Gartenl. Jahrg. 1856, Nr. 10.), Rheumatismus (s. Gartenl. Jahrg. 1856, Nr. 47.), Gicht (s. Gartenl. Jahrg. 1861, Nr. 5.) etc. – 6) Wer irgendwo im Harnapparate sich nicht gesund weiß. – 7) Wer den bösen Folgen einer Erkältung zuvorkommen will (s. Gartenl. Jahrg. 1858, Nr. 2.).

Wie soll man das heiße Wasser trinken?

Bei Magenaffectionen reichen kleine Quantitäten hin; man trinke es hierbei tassenweise. Wo aber das Blut angewässert und

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_168.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)