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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

den Händen Einzelner, und wurden früher durch Sclavenarbeit allein bearbeitet. Jetzt hat das aufgehört, und die Eigenthümer müssen mit den hier wohnenden Negern bestimmte Contracte machen, um sie zum Goldgraben zu bewegen. Die Minen scheinen aber, allen vernünftigen Anzeichen nach, nicht sehr reichhaltig zu sein, denn erstlich enthalten sie nur sehr feines Blattgold, und dann würden sich die dort lebenden Neger schwerlich zu den beschwerlichen Sumpfmärschen und zum Lasttragen hergeben, bei dem sie den Tag nicht einmal einen Dollar verdienen, wenn sie mehr mit Goldwaschen erübrigen könnten.

Am Pailon wird das Nämliche der Fall sein. Ich zweifle gar nicht daran, daß sich im Inneren des Landes und in den Bergen noch viel Gold finden wird, sobald man eben ordentlich danach gräbt; so weit aber von den eigentlichen[WS 1] goldhaltigen Bergen entfernt, muß das edle Metall fein und verwaschen sein, und wenn es sich auch findet, kann man es doch nicht in gehöriger Menge erlangen, die darauf verwandte Arbeit zu bezahlen.

Mittags, den zweiten Tag, während der kleine Strom so schnell und reißend wurde, daß es an manchen Stellen kaum möglich war, das leere Canoe über die Stromschnellen zu ziehen, erreichten wir endlich das kleine, fast nur von Negern bewohnte Städtchen Cachavi, und ich fand bald, daß ich hier den ganzen nächsten Tag, einen Sonntag, würde liegen bleiben müssen, damit sich die beiden Träger, die ich durch den Wald brauchte, ihre Körbe flechten und überhaupt auf den viertägigen Marsch vorbereiten konnten. Mir selber blieb indessen Zeit genug übrig, mich in Cachavi umzusehen, und als Hauptquartier konnte ich dazu eine Art Vorsaal des Bambushauses unseres schwarzen Alcalden benutzen, bei dem ich mich ohne Weiteres einquartiert hatte. Cachavi, mitten im Wald gelegen und rings und unmittelbar von dichtem Urwald umgeben, bestand, wie San Lorenzo, aus etwa achtzehn oder zwanzig Häusern, mit Ausnahme eines einzigen aber alle von Negern bewohnt, die hier eine ordentliche Colonie bildeten. Es waren lauter frühere Sclaven, die jetzt ihre Freiheit gewonnen hatten und zu versuchen schienen, mit wie wenig Arbeit sie eigentlich auskommen konnten. Es mag vielleicht sein, daß die Neugierde, den Fremden zu sehen, auch etwas dazu beitrug, ihnen ihre Beschäftigung zu erleichtern, aber die ganze Bevölkerung schien Sonntag gemacht zu haben.

Trotzdem hatte es nur geringe Schwierigkeit, zwei Träger zu finden, die mich durch den Wald begleiten und mein Gepäck wie Lebensmittel für vier Tage tragen sollten. Ich accordirte mit ihnen für fünf Dollars den Mann, und sie versprachen am Montag Morgen mit Tagesanbruch bereit zu sein.

An dem nämlichen Nachmittage kamen vier Indianer schwer beladen von Iberra aus dem Inneren des Landes und brachten für Cachavi der Eine eine Ladung Käse, der Andere bunte Kattune, der Dritte getrocknetes Fleisch und der Vierte eine Kiste mit Heiligenbildern.

Die Leute gingen nackt, eine kurze Schwimmhose ausgenommen. Mit dem ganzen Typus des Indianers war ihre Hautfarbe aber eher weiß als braun, und sonderbarer Weise fand ich hier bestätigt, was ich schon so oft gehört, daß die Indianer der heißen Zone Amerika’s viel lichtere Farbe haben, als die im äußersten Norden und Süden, eine Thatsache, welche die Theorie der Abstammung aller Menschen von Adam und Eva und der allein von der Sonne verbrannten Haut dieser Stämme über den Haufen wirft. Der Patagonier wie der Indianer der nördlichen kalten und gemäßigten Zone ist tiefdunkel kupferbraun, während diese Indianer eher lichter als dunkler sind, wie unsere deutschen, von der Sonne verbrannten Bauern. Auf ihren Schultern und Hüften zeigten sich deutlich die dunkleren Spuren, wo ihre Last sie gedrückt hatte und wo sich das Blut unter der hellen Haut zusammengezogen – gerade wie es sich bei einem Weißen zeigen würde. Und tüchtige Lasten tragen diese Leute durch den Sumpf, denn ihre „gesetzliche Bepackung“ besteht in vier Arroben und vier Pfund – die Arrobe zu 25 Pfund gerechnet. Damit laufen sie flüchtig durch den Schlamm, und ihre Nahrung besteht dabei in wenig mehr, als etwas gedörrtem Mais.

Der Händler, der diese Waaren von ihnen überkam, war ein Weißer, einer der hier eingeborenen, von den Spaniern abstammenden Race, und ein Theil der Heiligenbilder – ob aus Frömmigkeit oder Speculation, will ich dahingestellt sein lassen – wurde an dem nämlichen Abend noch in die Kirche getragen und in feierlicher Procession zurückgebracht. Ein paar kleine Glocken nach dem Takt eines Walzers angeschlagen und mit Begleitung einer Trommel diente dazu, die Handlung noch feierlicher zu machen.

Am nächsten Tag – Sonntag – saß ich bei einem fluthenden Regen in dem Vorbau des Alcaldenhauses, wo ich meine Decken ausgebreitet hatte und von meinen eigenen Lebensmitteln zehrte. Wo es nämlich irgend anging, vermied ich von der Kochkunst der Eingeborenen Gebrauch zu machen, denn von dem Schmutz dieser Leute hat Niemand eine Idee, der nicht wirklich einmal unter ihnen gelebt. Die Frau des Alcalden, ein ekelhaftes Negerweib, übertraf dabei noch Alles, was ich bis jetzt in dieser Art gesehen, und ich war froh, daß mir kein Essen angeboten wurde.

Ich hatte mein Gepäck ein wenig geordnet und fest geschnürt, als plötzlich ein Schrei vom Fluß aufwärts herübertönte und Alles auf eine Art von Verandah sprang, dort hinzusehen. Ich folgte natürlich dem Beispiel und sah zu meinem Erstaunen, wie den klaren, ziemlich seichten Strom eine gelbe zürnende Wassermasse, wie eine riesige Welle, mit furchtbarer Gewalt niedergestürzt kam. Der Ruf mußte aber schon vorher von Anderen gehört sein, denn ein paar dunkle Gestalten sprangen über die Steine mit Blitzesschnelle nach dem Ufer hinab, dort ihre angebundenen Canoes in Sicherheit zu bringen, und wahrlich, es blieb ihnen dazu wenig genug Zeit. In wenigen Minuten war der klare Strom, der sich überall über Felsblöcke hinüberschnellte, in eine braune kochende Fluth verwandelt, die reißend ihre Wassermasse durch das jetzt breit gewordene, von zitternden Baumzweigen eingefaßte Bett wälzte. Heftige Regen weiter oben hatten dies rasche Steigen bewirkt, aber schon gegen Abend fiel das Wasser, und am nächsten Morgen war der Strom wieder in seinem alten Stand.

Am nächsten Morgen säumten wir aber auch nicht, unseren Marsch anzutreten, und die Neger – ein paar baumstarke, riesige Gestalten, nackt bis auf den Gürtel, erschienen mit ihren raschgeflochtenen Tragkörben, unsere Wanderung zu beginnen. Mein Gepäck war nicht schwer, ihre eigenen, nur aus Pisang bestehenden Nahrungsmittel wogen das Meiste, und nachdem wir in einem Canoe über den Cachavi gesetzt, betraten wir den einzigen schmalen Waldpfad, der jetzt noch die Seeküste mit dem inneren Lande in einer sehr precären Verbindung hielt.

Der Anblick der aus diesem Wald kommenden Indianer hatte mich am ersten Tage schon etwas stutzig gemacht, denn die Leute waren bis hoch an die Hüften hinauf voll Schlamm. Ich sollte bald finden, wie viel Ursache sie dazu gehabt, denn nach den ersten zwanzig Schritten schon, und wie wir nur das unmittelbare Ufer des Stromes hinter uns hatten, begann der eigentliche Weg, und einen schlechteren bin ich nie gewandert.

Dieser Pfad ist in früheren Jahren einmal ausgehauen gewesen, seit der Zeit aber weder Macheta noch Beil wieder daran gelegt, und wo die Bäume darüber hinstürzten, blieben sie liegen, es den „Reisenden“ überlassend, ihre Bahn darüber oder darunter hin zu finden. Der eigentliche ausgetretene Pfad selber war dabei tiefer Schlamm, hie und da nur bis über die Knöchel reichend, wo man dann rascher vorrücken konnte, meist immer aber bis an und über die Kniee und an manchen kurzen Stellen noch tiefer. Ein Ausweichen war dabei nicht möglich; man wäre genöthigt gewesen durch die dornigen Büsche zu brechen, und das würde den Marsch nur noch beschwerlicher gemacht und aufgehalten haben. Ueberall an diesem Pfad und überhaupt durch diesen ganzen Wald standen mit langen, scharfen Dornen dicht besetzte Palmen, und wo man sich mit der einen Hand einmal gegen zu tiefes Einsinken in den Schlamm stützen wollte, konnte man darauf rechnen, daß man gerade mitten in diese Stacheln hineingriff.

Vom Pailon hatte ich ein paar neue Schuhe mitgenommen, in diesem Wege hielten sie aber nicht einmal bis zum Abend aus. Die Hacken fuhren an den Seiten in die Höhe, das Leder weitete sich aus, und ich mußte sie vorn aufschneiden und mit Riemen zusammenschnüren, um sie nur am Fuß zu halten.

Die halbe Nacht hatte es dabei geregnet, und wenn sich das Wetter auch gegen Morgen aufklärte, trat nach zehn Uhr wieder ein tüchtiger Schauer ein, der etwa bis vier Uhr Nachmittags dauerte. Es blieb sich das aber vollkommen gleich, denn die Zweige hingen, voll von dem letzten Regenwasser, so dicht über den Weg, daß man nach halbstündigem Marsch doch so durchnäßt war, als ob man im Wasser gelegen hätte.

Aber ich will den Leser nicht mit der Monotonie dieses entsetzlichen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_153.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)