Seite:Die Gartenlaube (1861) 149.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.

Von Guido Hammer.
Nr. 14.

Der gehetzte Hirsch.

Obwohl zur Zeit in Deutschland wohl nirgends mehr die mittelalterliche Hetzjagd im eigentlichen Sinne des Wortes, sei es, auf Schwarz- oder Rothwild, vorkommt, so geschieht es doch noch hier und da, daß die individuelle Liebhaberei eines Jagdherrn oder Jägers noch dann und wann einmal, namentlich bei angeschossenem Wilde, Fanghunde anwendet, und bei Sauen viel häufiger, als beim Hirsch. Im letzteren Falle ist dieses Verfahren nach modernen Jagdbegriffen sogar kaum zulässig, da sich der Hirsch gegen dergleichen Hunde gar nicht oder doch nur in äußerster Noth stellt, vielmehr, wenn es ihm irgend möglich ist, so weit er nur kann, entflieht und so – jetzt, wo die geregelten Revier grenzen sich nur allzuhäufig berühren und Nachfolge auf fremdem Reviere nicht gestattet ist – dem Jagenden verloren gehen würde. Dennoch bin ich in der Lage, meinen Lesern eine Jagd dieser Art schildern zu können, bei der ich eine der drastischsten Scenen, die ein Hirschleben wohl bieten kann, selbst erlebte.

Ein schneereicher, doch nicht zu harter Winter hatte begonnen, als ich Gelegenheit hatte, einer Lappjagd[1] auf Hochwild beizuwohnen. Es waren darin bestätigt:[2] ein Hirsch von zwölf Enden, mehrere geringe, aber lauter geweihte[3] Hirsche, dann ein Trupp Wild, wobei ein geltes[4] Thier, eine uralte „Plautze“, die an ihrem ganz weißschimmligen Kopfe kenntlich, geschossen werden durfte. Auch einige Sauen waren im Jagen. Um letzterer willen hatte einer der mitjagenden Förster zur Vorsorge einen gewaltigen Hetzhund, den er sich aus purer Liebhaberei hielt, mitgebracht, im Falle ein „Schwarzkittel“, wie er die Sauen nannte, angeschossen

  1. Lappjagd sagt man, wenn ein Distrikt im Walde mit an Leinen hängenden Lappen (viereckigen Stücken grober Leinwand) eingehegt wird, so daß das gerade darin befindliche Wild eingeschlossen bleibt, da es sich scheut, ohne Noth darüber zu gehen.
  2. Bestätigt: bestimmt wissen, wo und wie viel Wild irgendwo steht.
  3. Geweihte Hirsche sind solche, die mindestens Augensprossen (die ersten Zinken am Geweih) haben; Spießer, Knöpfchenhirschchen und männliche Kälber sind also ausgeschlossen.
  4. Gelte: unfruchtbar.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_149.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)