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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

zu beunruhigen, so daß er bald die Familie verläßt und sein Hagestolzleben von neuem beginnt, bis im nächsten Frühjahre wieder die allmächtige Liebe ihn in die Arme einer anderen Gattin treibt.

Und nun, wo wir die Lebens- und Nahrungsweise des Maulwurfs kennen, ziemt es sich nun nicht zu untersuchen, ob dies Thier denn wirklich so schädlich sei, als man behauptet hat und als man nach den unaufhörlichen Nachstellungen, denen es ausgesetzt ist, glauben sollte? Es ist wahr, die Haufen, die der unermüdliche Wühler namentlich in den Wiesen aufwirft, entwurzeln einige Grashälmchen, die sich indessen schnell wieder in der feinzertheilten Erde festsetzen, und hindern, wenn man zugiebt, daß sie sich bewachsen, in sehr auffälligem und ärgerlichem Maße das Mähen der Wiesen. Auch in den Gärten sind die Haufen keine angenehme Erscheinung, und manches Pflänzchen wird in die Höhe gehoben und verdorrt, wenn der Gärtner nicht bei Zeiten da ist, um die Haufen niederzudrücken. Stehen aber diese Unannehmlichkeiten in irgend welchem Verhältnisse zu dem Schaden, welchen Engerlinge und Werren anzurichten im Stande sind? Sieht man nicht ganze Grasstrecken vollkommen verdorren und veröden, weil die Engerlinge sämmtliche Wurzeln des Rasens zerbissen haben, und liegt man nicht in verschiedenen Gärten in beständigem Kampfe mit diesen gefräßigen Feinden, die sogar Baumschulen und Rosenbeete verwüsten, indem sie fingerdicke Wurzeln vollständig zernagen? Eine geringe Ueberlegung zeigt uns, daß ein Maulwurf, der im Durchschnitte die Hälfte seines Gewichtes täglich an solchen Larven verzehrt, um seinen Hunger zu stillen, eine unendliche Menge dieses Gewürmes vertilgen muß, mehr als wir jemals vertilgen könnten. So gut als die englischen Gärtner den Widerwillen gegen die Kröten in Berücksichtigung des ungemeinen Nutzens dieser Thiere besiegt haben und sie jetzt als Jäger zur Vertilgung der Schnecken anstellen, so gut könnten wir auch die Maulwürfe als Kammerjäger anstellen und durch sie, die sich leicht wieder wegfangen lassen, während einiger Zeit im Frühjahre unsere Gärten und Wiesen von dem unterirdischen Geschmeiße reinigen lassen, das uns so vielen Schaden zufügt. Ich kenne Landwirthe, welche dieses Verfahren befolgt und sich dabei sehr wohl befunden haben, die gerne einige Groschen für einen lebenden Maulwurf zahlten, um ihn in ein Stück Land zu setzen, wo Werren oder Engerlinge ihnen Schaden zufügten, und sich die Mühe nicht verdrießen ließen, alltäglich seinen Haufen nachzugehen, sie niederzutreten oder auseinander zu rechen, und endlich den Maulwurf wieder herausfingen, sobald er seine Schuldigkeit gethan hatte. Ich kenne freilich zum Gegensatz auch noch ganze Länder, wo man von Amtswegen ein kleines Fanggeld für jeden gefangenen Maulwurf zahlt, und ich habe sogar von einem Gutsbesitzer gehört, der eine Art fanatische Wuth gegen die Maulwürfe entwickelte und eine unendliche Menge zusammenfangen ließ, aus deren Fellen er dann seinem Könige einen Pelz machen ließ, den er der Majestät verehrte in der festen Ueberzeugung, einen Verdienstorden für seine edlen Bestrebungen um die Landwirthschaft sich erworben zu haben. Kühler Dank für den die Haare lassenden Pelz und ein alles Maß überschreitender Engerlingfraß waren sein Lohn!

Die Spitzmäuse sind nahe Verwandte der Maulwürfe, nur nicht so exclusiv unterirdisch wie diese, aber eben so kühn, zänkisch, bissig und fleischfressend, eben so unermüdliche Jäger von Larven, Insecten, Würmern und jungen Mäusen, die sie mit unsäglichem Appetite vertilgen. Ihre unglückliche Ähnlichkeit mit den eigentlichen Mäusen, von denen sie sich durch die spitze Schnauze, das scharfe Gebiß, den nackten, kaum behaarten Schwanz und den durch eine seitliche Drüse bedingten Moschusgeruch auszeichnen, zieht ihnen leider dieselben Feinde zu, wie den Mäusen, obgleich einige derselben und namentlich die Katzen sie nur todt beißen, ohne sie zu fressen. Die Hausspitzmaus allein greift auch trockenes Fleisch und Milchspeisen an; alle übrigen jagen in Feld und Wald, in Gärten und Gebüschen, Ställen und Scheunen, die Wasserspitzmaus sogar im Wasser nach Krebsen, Fröschen und Fischen, vor allen aber nach Insecten und Würmern. Ueber eine Beute zanken sie sich oft mit grimmigen Bissen, was ich mehrmals beobachtet habe, verdienen aber gewiß Schonung und Pflege, da sie unmittelbar auf dem Boden und in der oberflächlichen Kruste dieselben Dienste leisten, wie der Maulwurf in größerer Tiefe.

Ihr Bisamgeruch ist wahrscheinlich schuld daran, daß der Volksaberglaube sie empfindlich verleumdet. Ihr Biß soll nicht allein den Menschen giftig sein, sondern auch den Pferden unheilbare Geschwüre an den Fesseln verursachen – lieber Himmel! ihre Zähne sind kaum stark genug, um die Haut eines Pferdes oder eines Menschen empfindlich zu verletzen. Ja selbst ihre Berührung soll giftig sein und die Hand mit dem Arme aufschwellen machen. Wenn dies wahr wäre, so müßte wahrlich mancher Naturforscher schon seinen Arm in der Schlinge getragen und Gift genug auf diese Weise eingesogen haben, um sich von allen Gegnern und Nebenbuhlern befreien zu können.

Auch den Igel erlaube ich mir noch ganz speciell Ihrer Fürsorge zu empfehlen, denn er ist ein harmloses, ruhiges und nützliches Thier, dem freilich unsere deutsche Legende in der bekannten Geschichte von dem Wettlaufe mit dem Hasen mehr List zuschreibt, als es wirklich besitzt. Sonderbarer Weise ist es den Naturforschern noch nicht gelungen, die Unterschiede, welche der deutsche Bauer bei dem Igel bemerkt haben will, und die er mit den Namen Schweinsigel und Hundsigel bezeichnet, in gehöriger Weise zu constatiren. Der Schweinsigel, der einen breiten Rüssel, etwa wie ein Schwein habe, sei eßbar, der Hundsigel dagegen nicht. Ich erinnere mich noch sehr wohl, daß mir die Bauern in der Wetterau in dem Geburtsdorfe meines Vaters, wo wir gewöhnlich die Ferien zubrachten, mit Abscheu von den Franzosen erzählten, sie hätten sogar Hundsigel am Spieße gebraten und mit großer Befriedigung verzehrt. Wir suchten damals alle Igel zusammen, deren wir habhaft werden konnten, um den Unterschied kennen zu lernen; der alte Bauer aber, der unser Orakel war, erklärte sie insgesammt für uneßbare Hundsigel und fügte endlich mit malitiösem Lächeln hinzu, daß die Schweinsigel wohl viel eher an anderen Orten, als im Felde, zu finden seien. Vielleicht, daß die Unterschiede sich nur auf das Alter oder das Geschlecht beziehen.

Ich nannte den Igel ein harmloses Thier, das Winters über in einem warmen Lager von Blättern und Moos unter Hecken oder Steinen schläft, im Sommer aber besonders gerne in Hecken und Zäunen, sonnigen Halden und Waldesrändern langsam nach Nahrung umherschleicht und vorzugsweise bei Nachtzeit auf seinen Raub ausgeht, während des Tages aber zusammengekugelt schläft. So sehr diese Eigenschaft des Zusammenkugelns, die durch einen großen Hautmuskel bedingt wird, den Igel vor seinen Feinden schützt, indem er ihnen überall die Stacheln entgegen kehrt, so sehr reizt sie Buben und Erwachsene, an ihm ihren Muthwillen zu üben. Man wirft ihn ins Wasser, kitzelt ihn mit Halmen und Dornen, um ihn zum Aufrollen zu bewegen, und tödtet ihn endlich, meist im Aerger über die Vergeblichkeit dieser Ursache. Um dann diese Grausamkeiten zu entschuldigen, hat man ihm eine Menge abenteuerlicher Dinge aufgebürdet, zu welchen er meist sogar gänzlich unfähig ist. Es ist wahr, daß er weniger exclusiv fleischfressend ist, als Fledermaus und Maulwurf, und daß er auch zuweilen Früchte nascht, die von den Bäumen herunterfallen, oder in einem Milchkeller Butter und Käse sich schmecken läßt. Aber daß er auf Obstbäume hinaufklettere, sie schüttele, dann sich in den Früchten wälze und sie, auf die Stacheln gespießt, seinen Jungen nach Hause schleppe, ist eine Fabel, wie so viele andere. Der Igel kann weder klettern, noch seine Stacheln anders benutzen, als zur passiven Vertheidigung, indem er sie emporsträubt.

Seine Hauptnahrung sind Insecten, Ackerschnecken, Käfer, Engerlinge, die er schnoppernd aufspürt und mit Nase und Krallen aus der Erde hervorgräbt, alle Arten von Gewürm, ganz besonders aber Mäuse. Hätte der Igel nicht einen so unangenehmen Geruch und wäre seine Jagd nicht so geräuschvoll, tolpatschig, so daß er damit die übrigen Hausbewohner im Schlafe weckt, so würde man ihn gewiß den Katzen als Kammerjäger vorziehen. Denn was ihm an Gewandtheit und Schnelligkeit abgeht, ersetzt er durch List und Geduld, und sein geräuschvolles Umherklappern verscheucht noch viel mehr Mäuse, als von ihm vertilgt werden. In Scheunen und Ställen, wo man seine Unannehmlichkeiten nicht zu fürchten braucht, wird er deshalb stets ein nützliches Hausthier sein.

Vor allen Dingen aber empfehle ich Ihnen den Igel als ein thierischen Giften gegenüber gewissermaßen gefeites Thier. Ich behaupte dieses nicht der Volkssage nach, sondern nach Beobachtungen und Untersuchungen bekannter Naturforscher. Pallas, ein wohlbekannter Zoolog, der uns namentlich die Thiere des russischen Reiches kennen lehrte, wie keiner vor oder nach ihm, Pallas sah einen Igel ganze Mahlzeiten nur von spanischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_127.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)