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Licht, dann – eine Pfeife an und rauchte zwei Stunden. Keine Protestation half. Das sei seine Gewohnheit, betheuerte er mir, er könne nicht leben, wenn er um diese Zeit nicht rauche, ich müsse mir das schon gefallen lassen. „So rauche denn“, erwiderte ich ihm, „doch lösche das Licht aus, damit ich schlafen kann.“ „Herr Maler,“ war seine Antwort, „sie sind kein Raucher, sonst würden Sie wissen, daß man den Dampf auch sehen muß, wenn die Pfeife ein Genuß sein soll.“ Ich ließ ihn nach diesen Argumentationen gewähren und lag bald in gutem Schlafe, war ich doch wieder in Eriwan.

Der erste Eindruck, den diese ehemalige Hauptstadt von Persisch-Armenien macht, ist kein günstiger; die Straßen sind ungepflastert und schmutzig, die Häuser klein und niedrig und noch dazu hinter zaunartigen, lehmfarbigen Mauern versteckt. Kommt man jedoch aus den Ebenen des Araxes oder den eintönigen Weg von Nakschirwan heraus, welches als Grenzort gegen Persien zwei Tagereisen weit nach Südosten liegt, so empfängt man in dem Anblick der in vielen Abtheilungen am Fuße einer Hügelreihe zwischen Gärten herumliegenden Stadt einen sehr wohlthuenden Eindruck, wiewohl der Ruf ihrer Unüberwindlichkeit sich in keiner Weise bestätigt. Die eigentliche Veste ist einige hundert Schritt von der Stadt entfernt und wird an der einen Seite als schroffer Fels von der Sanga bespült, wogegen sie auf der andern nur einen trocknen Graben und eine doppelte Reihe von Erd- und Lehmwällen besitzt, welche durch eine vierundzwanzigstündige tüchtige Kanonade der Erde gleich gemacht werden könnten. Doch hat der dreimalige vergebliche Sturm der Russen, die hier den siebenzigjährigen, aber höchst tapfern Hussein Khan sich gegenüber fanden, sehr viel zu diesem Rufe beigetragen, zumal dem Sieger Paskjewitsch darnach der Name Eriwansky ward. Wo früher die alten Sadare der Grenze in orientalischer Pracht zu schwelgen pflegten, ist von den Russen jetzt ein Lazareth bestellt. Nur ein einziger gewölbter großer Saal, der allerseits mit Spiegelglas ausgelegt ist, erinnert durch seine Bildnisse vieler berühmter persischer Schah’s und Heerführer, sowie durch Wandverzierungen anderer Art, seine rothseidenen Vorhänge und runden, farbigen Glasscheiben an die vormalige Größe seiner Bewohner. Eriwan hat jetzt etwa 15,000 Bewohner.

Am andern Morgen war mein Armenier noch mit einigen Künsteleien beschäftigt, durch die er seine Rockschöße veranlassen wollte, den Schaden, welchen seine Pantalons auf dem Kameelrücken davon getragen hatten, freundnachbarlich jedem neugierigen Auge zu entziehen, als ich mich schon auf den Bazar von Eriwan begab. Die Bazars großer Städte sind meist die Brennpunkte des orientalischen Lebens und zeigen dasselbe in seiner originellsten Weise. Nicht selten sind es vielfach verzweigte bedeckte Passagen, zu deren beiden Seiten Bilden, Schuppen, Magazine und Kaffeehäuser hinziehen, und in denen Alles, was zum Lebensgenuß und Lebensverkehr gehört, zum Verkauf aufgestapelt ist. Die Buden sind eng und schmal; vor ihnen sitzt der Verkäufer mit untergeschlagenen Füßen, die Pfeife im Munde, das Wasserrohr zur Seite. Die Magazine enthalten die verschiedenartigsten Waaren. Eine Menschenmasse treibt sich den ganzen Tag auf dem Bazar herum und liefert die anziehendsten Motive für den Pinsel des Malers. Bey’s und Aga’s in reicher Kleidung, den reichverzierten Säbel an der Seite, den von Diamanten blinkenden Dolch im Gürtel, begeben sich in die Kaffeehäuser, um sich auf die vor denselben ausgebreiteten Divans niederzulassen und rauchend und Kaffee schlürfend einen Theil des Tages zu verplaudern. Hier, sowie nicht selten in den nahegelegenen Moscheen werden auch ganz im Stillen die Revolutionen und Angriffe verabredet, die plötzlich losbrechen und den Orient in Verwicklungen aller Art stürzen. Innerhalb der großen Bazars hat jede Art von Handel und Gewerbe ihr besonderes Viertel. Hier die Waffenhändler mit den schönsten Säbelklingen von Khorassan, dort die Goldschmiedearbeiten, die Juweliere mit Perlen und geschliffenen Steinen, da die Sattlerarbeiten, Sattel in allen Farben und reichster Verzierung, kostbare Schabracken, Zäume und Halsriemen mit Troddeln und endlich außer vielem Anderen die Buden der Eßwaarenhändler.

Der Bazar von Eriwan unterschied sich wesentlich von dem von Tiflis und nahm mein Interesse im höchsten Grade in Anspruch, sowohl wegen der malerischen Motive, an denen er überreich ist, als auch wegen der ganz vorzüglichen Früchte, die hier feil geboten wurden. Mehr als durch die unvergleichliche Augenweide wurde ich durch den über alle Beschreibung süßen und aromatischen Geruch entzückt, den die hoch in Körben und auf dem Boten aufgestapelten Pfirsichen und Melonen (Dutma), verbreiteten. Es ist viel gesagt, aber wahr, daß ihr Duft trotz der vielerlei unangenehmen Dünste dieses, wie wohl jedes Bazars, der vorherrschende war und mich noch mehr, als ihr liebliches Aussehen, zu verlocken drohte, den dringenden Warnungen meines Freundes Hofrath Dr. Roth in Tiflis ungehorsam zu werden und diese für den Fremden so gefährlichen Leckerbissen zu versuchen. Doch ich widerstand den Versuchungen siegreich und freute mich der Pracht der herrlichen Früchte. Trauben zur Kelterung werden hier, wo der Islam dem Weinbau entgegen ist, nur wenig gezogen; was ich sah, waren Tafeltrauben, aber welche Trauben! Jede Beere groß wie eine Pflaume und in allen Farben: weiß, gelb, violett, röthlich, schwarz und von der zartesten, wie mit Duft und Schmelz überzogenen Haut. Dieses herrliche Obst bildet mit einem trefflichen Brode die Hauptnahrung der Bevölkerung von Eriwan. Schwerlich kommt auf die Tafeln unserer Fürsten so liebliches Obst. Das Brod ist dem jüdischen Osterkuchen ähnlich, aber wohlschmeckender, weil es gesalzen und frisch genossen wird.

Der Prinz und Tscherkow, welche auch auf dem Bazar lustwandelten, theilten meine Ueberraschung über das mannigfaltig Interessante des Platzes. Wir mischten uns unter die Gruppen, um sie ungestörter belauschen zu können. Hier Schmaußende, die für ein oder zwei Pfennige nach unserem Gelde ihre Mahlzeit einkaufen; zuerst ein flaches, frisches Brot, dann etwas Obst, das sie malerisch und oft sogar anmuthig daher trugen, um es in irgend einem Winkel niedergekauert zu verspeisen; dort Plaudernde, mit einem Eifer, einem Gebehrdenspiel und einer so lebhaften Gesticulation Plaudernde, als handele es sich um das Heil der Welt; dort Handelnde, denen man ansah, daß, wie bei uns, Käufer und Verkäufer nur darauf bedacht waren, einander gegenseitig zu übervorteilen; da endlich ganze Haufen Indifferenter, Indolenter, Schlafender. Die Buntheit des Marktgewühls wird um so vorstellbarer, wenn ich hervorhebe, daß nicht blos die Früchte und Landeserzeugnisse ziemlich der ganzen Levante auslagen, sondern auch die interessantesten orientalischen Stämme in ihren echten Nationalcostümen vertreten waren, besonders Armenier, Türken und Perser, die zum Theil Eriwaner waren, dann viele Tataren und Kurden, welche das Bedürfniß eines Marktes zum Einkaufen und Verkaufen hergezogen hatte. Eine Kurdenfamilie bot Schafe aus, unter denen ein prächtiges, schwarzes Thierchen, ein sogenanntes Astrachanschaf, besonders ausgezeichnet war. Ich fragte nach dem Preise und erfuhr, daß es sechzig Kopeken, also etwa zwanzig Silbergroschen, kosten solle, während das herrliche Fell allein bei uns mehrere Thaler werth sein würde.

Ich hatte mehr malerische Motive gesehen, als ich zeichnen konnte, und schlenderte deshalb am andern Morgen sofort wieder auf den Bazar. Mein Armenier begleitete mich und führte mich in ein türkisches Kaffeehaus, das sich aber von denen in Constantinopel, die jeder Reisende kennt, wenig unterscheidet. Der edle Trank wird schwarz genommen, die Türken verspeisen auch den Bodensatz und rauchen dazu, meist in stumpfsinnigem Hinbrüten, ihren Stambulk oder Papier-Cigarren. Neu war mir das Innere des Bazars, wo mehr die täglichen Bedürfnisse an Kleidern und Haushaltungsgegenständen auslagen und wo ich meinen Plan ausführen konnte, mir einige echt türkische, tatarische und andere Waffen und Nationalcostüme zu erhandeln, sowohl um sie vor der Hand selbst zu tragen, als um sie für meine Costüme-Sammlung später mit nach Europa zu entführen. In einem Pelzladen erhandelte ich um ein Geringes eine persische und tatarische Pelzmütze, die mir auf meinen späteren Reisen über den Pontus und durch Rußland vortreffliche Dienste geleistet haben; in einem Kurdenzelte echt türkische Jacken, Pantalons, Stiefeln und einen Turban, der, von dem türkischen sehr verschieden, eine zuckerhutähnliche weiße Filzmütze ist, bis an die Spitze mit farbigen Tüchern umwunden. Mir fehlte noch ein Aba, ein Kurdenmantel, und da ich nach einem nagelneuen kein Verlangen trug, weil die steif sind wie Pappe und sich nicht zu malerischer Drapirung eignen, so sah ich mich nach einem schon getragenen um. Und glücklich sehe ich sofort einen Kurden, der einen Mantel trug, wie für eine Costümkammer gemacht, mit einem Armenier im eifrigen Gespräche nahe vor mir. Mein Begleiter mußte ihn fragen, was der Mantel koste. Der Kurde sah uns aber nicht an, und unterbrach sein Gespräch

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