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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


Comptonhouse, ganz entgegen der sonstigen Gewohnheit englischer Geschäftshäuser, ein großer Theil der Angestellten im Hause selbst wohnt und dort verköstigt wird. Die häuslichen Anordnungen sind ganz so vortrefflich, in ihrer Art ganz so vollkommen, wie alle bereits beschriebenen des ausgedehnten Geschäftes. Sie beabsichtigen alle bis in die kleinste Einzelheit die Gesundheit und das Wohlbehagen der vielen Angestellten zu fördern. Sämmtliche Zimmer des ganzen großen Gebäudes, die höher als eine Treppe liegen, sind den häuslichen Zwecken der umfänglichen Anstalt vorbehalten, und wenn man alsdann erwägt, daß mehr als dreihundert Personen im Hause selbst wohnen und beköstigt werden so wird man leicht begreifen, daß die Einrichtungen hiefür nach einem großartigen Maßstabe sein müssen. Die Zimmer der weiblichen und männlichen Handelsgehülfen liegen vollkommen getrennt von einander auf verschiedenen Seiten des Hauses; die Küche ist mit einem ausgedehnten Gasapparat zum Kochen versehen und ist an und für sich schon eine Merkwürdigkeit, wie man sie auf dem Continente schwerlich findet; die weitläufige, im einfach reinlichsten Style gehaltene, aber trefflich gelüftete Speisehalle faßt bequem über zweihundert Personen an der Eßtafel; mannigfache Zimmer sind auch bestimmt für die Aufseher wie für die Bedienung; gut gelüftete Schlafgemächer werden mit Gas erleuchtet und durch Kamine erwärmt; die vortrefflichsten Waschanstalten auf jedem Stockwerke sind mit heißen, kalten und Regen-Bädern versehen; eine ausgewählte Bibliothek von mehr als zweitausend Bänden kann von allen Hausgenossen nach Belieben benutzt werten; und, was für die jetzt mit besonderem Eifer sich des Rauchens befleißigenden Engländer vom höchsten Werthe, ganz oben im Hause ist ein besonderes Rauchzimmer mit einer hübschen Vorrichtung zum Lüften eingerichtet, das durch eine kleine Treppe mit dem flachen Dache in Verbindung steht, von wo aus man eine prachtvolle Aussicht auf die Mersey, die kolossalen Docks und die vielen Hunderte der größten nach Amerika, Indien, China und Australien fahrenden Schiffe genießt. Durch eine mechanische Vorrichtung werden jede Nacht um halb zwölf Uhr sämmtliche Gasflammen des ganzen ungeheueren Hauses mit wenigen Ausnahmen ausgelöscht.

Der Leser oder die schöne Leserin werden schließlich wissen wollen, wie es möglich, eine so verwickelte Maschinerie in Bewegung zu setzen und in ihrem sichern, ungehemmten und ununterbrochenen Gange zu erhalten und zu überwachen. Dennoch ist die Sache sehr einfach auseinander zu setzen, grade wie das System der ganzen Anordnung auf’s Höchste wirksam. Die ganze Anstalt ist wie eine Anzahl verschiedener Kaufläden unter einem gemeinsamen Haupte; jede Abtheilung ist dem Wesen nach ein besonderes Geschäft, hat ihren besonderen Geschäftsführer, ihr besonderes Betriebscapital und ihre besondern Bezugsquellen. Die Verkäufe eines jeden Tages werden in jeder Abtheilung besonders berechnet, ganz wie der Betrag der auf dem Lager in Vorrath verbliebenen Güter. Auf diese Weise ist der Geschäftsführer zu jeder Zeit im Stande, den Ersatz der eigenen Bedürfnisse genau anzugeben, überflüssige Ankäufe zu verhüten und das Gewinn- oder Verlust-Conto auf’s Genaueste abzuschließen. Dabei verhütet das System der Anweisungen alle Betrügereien und Unterschleife von Seiten der Verkäufer. Es ist nämlich ganz bestimmt vorgeschrieben, daß der verkaufende Gehülfe für jeden verkauften Artikel eine Rechnung geben muß, indem kleine Bücher mit Rechnungen jedem Gehülfen zu diesem Zwecke eingehändigt werden. Jede solche Rechnung trägt ihre fortlaufende Nummer. Beim Ausschreiben einer Rechnung wird aber auch immer mittelst einer eigenen sinnreichen Vorrichtung sofort eine Copie angefertigt. So sind die Copie und die Nummer gleichsam eine Anweisung auf die Einnahmen. Der Verkäufer überliefert die copirten Rechnungen sammt dem eingenommenen Gelde jeden Abend dem Cassirer, und die Bücher werden danach während der Nacht geordnet. Alle Rechnungen werden den nächsten Tag genau geprüft, und in dieser Weise wird die großartige und anscheinend höchst verwickelte Maschinerie des ungeheueren Geschäftsbetriebes in fortwährender Thätigkeit und regelmäßigster Ordnung erhalten.

Wohl wären noch manche interessante und belehrende Einzelheiten über Comptonhouse zu bemerken, aber aus dem Beschriebenen wird bereits Jeder ersehen haben, daß es in der That nicht zu viel war, Comptonhouse als eines der Wunderwerke Englands zu bezeichnen.




Blätter und Blüthen.


Berichtigung. Gestatten Sie mir die Berichtigung eines Irrthums, der in dem Artikel: „Elf Blutzeugen deutscher Freiheit“ in Nr. 1. 1861 der „Gartenlaube“ vorkommt. Der Verfasser des Artikels, ein Augenzeuge, nennt, wie auch allgemein angenommen wird, 11 Officiere des Schill’schen Corps, welche bei Wesel erschossen sind. In einigen Biographien Schill’s und einigen Schriften über das Schill’sche Corps werden nur 10, in andern sogar 12 Officiere genannt. Das Richtige ist zehn, denn der jüngere der beiden Bruder v. Wedell ist nicht mit erschossen, er lebt noch.

1857 brachte die Preußische Staatszeitung folgende Notiz über den Gouverneur von Luxemburg, General Albert von Wedell: „Herr v. Wedell war Mitglied des tapfern Schill’schen Corps, welches durch die Uebermacht der französischen Gegner schließlich in die Enge getrieben, gefangen genommen und nach Wesel geschleppt wurde. Hier ward den Officieren des Corps der kriegsgerichtliche Proceß gemacht und sie sämmtlich zum Tode durch Erschießen verurteilt. Am Tage vor der Execution wurde der junge Lieutenant von Wedell von einem heftigen Fieberanfall heimgesucht, welcher sein Hinausführen zum Richtplatze unmöglich machte und ihm somit das Leben rettete, denn seine sämmtlichen Cameraden fanden unter den französischen Kugeln ihren Tod. Nach seiner Wiederherstellung sah der französische Befehlshaber sich veranlaßt, beim Kaiser Napoleon anzufragen, ob die Execution an ihm noch zu vollstrecken sei, und es erfolgte der Bescheid: „daß von Wedell nicht als Kriegsgefangener, sondern als Landesfriedensbrecher zu behandeln und demgemäß in das Bagno von Brest abzuliefern sei.“

„So wurde der edle Sprößling eines alten deutschen Geschlechtes als Galeerensträfling mit den gemeinsten Verbrechern an eine Kette geschmiedet, mußte die gröbsten, entehrendsten Arbeiten verrichten und wurde mit dem verhängnißvollen T. F. (travaux forces) auf seiner linken Schulter gebrandmarkt.

„Vier Jahre dauerte dieses grausame Märtyrerthum, bis das siegreiche Vordringen der verbündeten Heere 1814 demselben ein Ende machte und Herrn v. Wedell gestattete, im folgenden Jahre noch als preußischer Officier am Kampfe gegen seine ehemaligen Unterdrücker Theil zu nehmen. Jetzt bekleidet derselbe eine der hervorragendsten Stellen in der preußischen Armee, ist General-Adjutant des Königs und wurde während des orientalischen Krieges mit einer wichtigen diplomatischen Mission nach Paris betraut. Welche Gefühle mögen den ehemaligen französischen Galeerensträfling bewegt haben, als er, von dem jetzigen Beherrscher Frankreichs als Vertreter Preußens auf das Zuvorkommendste empfangen, den Ehrenplatz an der kaiserlichen Tafel einnahm!“ –

Ob es der ältere v. Wedell oder Friedrich Felgentreu war, der bei der Execution nur am Arme verwundet stehen blieb, seine Weste aufriß, auf sein Herz zeigte und rief: „Hieher, Grenadiere!“ ist unentschieden. Der muthige Vertheidiger der Gemordeten, Perwetz, wurde kurze Zeit darauf auf kaiserlichen Befehl aufgehoben und nach Frankreich in einen Kerker geschleppt. Sein Weib und mehrere Kinder blieben in größtem Elend zurück und wandten sich später um Unterstützung an verschiedene Angehörige der Gemordeten. –

Fr.


Aus der Zeit. Die Anhänger des preußischen Junkerthums waren der Ansicht, eine Amnestie dürfe aus Pietät gegen den jetzt von seinen Leiden erlösten König nicht gegeben werden, weil die politischen Vergehen gegen dessen Person gerichtet gewesen wären. Sehr richtig antwortet darauf ein Rheinisches Blatt: „Es giebt keine frechere Majestätsbeleidigung, als zu behaupten, ein Cultus der Rache sei des Andenkens eines Königs würdig.“ – Uebrigens waren die politischen sogenannten Vergehen nicht gegen die Person, sondern gegen das nunmehr gefallene System und die Träger desselben gerichtet.




Kleiner Briefkasten.


C. G. F. Pastor in Wernsdorf. Welches Wernsdorf ist gemeint? Die Postbehörde nimmt unsere Antwort ohne genaue Angabe nicht an.

K. in L. Der kleine Rest des Storch’schen Romans: „Ein deutscher Leinweber“, früher 15 Thaler, ist von Herrn H. Hartung in Leipzig aufgekauft und wird jetzt zu dem sehr billigen Preis von 3 Thlr. 10 Ngr. abgegeben. Sie haben ganz Recht, wenn Sie dieses Werk als einen der interessantesten und gediegensten historischen Romane bezeichnen.

B. in Schl. Ihre Jagderlebnisse haben uns sehr erheitert. Wenn aber die Jäger aus dem Clam-Martinitz’schen[WS 1] Jagdreviere ihre Hunde „Garibaldi“ und „Cavour“ rufen, so beweißt das lediglich den niedrigen Bildungsgrad dieser Leute und ist dabei nur der Graf zu bedauern, daß er sich mit Leuten dieses Schlages umgiebt.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Clam-Martinic, Vorlage: Clam-Marbinitz’schen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_080.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2022)