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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

im Jahre 1856 durch die Abgeordneten sämmtlicher Bischöfe des römischen Staates auf einem Concil in Loretto als Gesetz angenommen, publicirt und allen Inquisitionsbehörden zur Nachachtung mitgetheilt worden ist. Es waren darin die Verbrechen aufgezählt, welche die Inquisition zu richten hat, und die Strafen aufgeführt, welche dieselbe auszusprechen berechtigt ist. Die Verbrechen waren: Gotteslästerung, unmoralische Lebensweise – welch ein weiter Begriff und welch unendlicher Raum zu Verfolgungen! – ungebührliches Benehmen gegen die Kirche, Nichtheilighaltung der Feste, Vergehen gegen die Fasten. Als Strafen waren angegeben: die Excommunication, die Geldstrafe, das Gefängniß, die Verbannung, Peitschenhiebe und der Tod.

Den Schluß dieses entsetzlichen Edictes bildet die Bestimmung, daß Jeder, der zufällig Zeuge eines der angegebenen Verbrechen ist, und dies Verbrechen nicht sofort der heiligen Inquisition anzeigt, bestraft wird, als wenn er selbst das Verbrechen begangen hätte.

G. R.


Eine physiognomische Aufgabe für unsere Leser!

Die Copie des Portraits ist auf’s Treueste nach der Original-Zeichnung wiedergegeben, die im Anfange der dreißiger Jahre nach der Natur entworfen wurde. Die bekannte Frisur à la Giraffe, die weiße Cravatte und die sehr kurze Rocktaille sprechen allein schon dafür. Prüfen wir aber den Kopf näher, in dem, allerdings schon durch die damalige Mode hervorgerufen, durchaus etwas Geschniegeltes liegt, so fällt uns zunächst der halb scheue, halb lauernde Blick des Mannes auf, der sich höchstens in der Mitte von zwanzig Jahren befinden mag. Die Augendeckel scheinen die Iris beinahe zur Hälfte zu durchschneiden und werfen einen breiten Schatten über das Auge.

Die Brauen sind stark und südlichen Ausdrucks, die Nase scharf markirt, der Mund unbedeutend, vielleicht etwas süßlich, gewiß aber nicht schön, denn der junge Herr scheint die Haare des spärlichen Schnurrbarts absichtlich darüber gezogen zu haben. Das Kinn wie der ganze untere Theil des Gesichts, mehr zurückfliegend, läßt beinahe auf Sanftmuth schließen. Wir haben einen guten Volksausdruck für derartige Persönlichkeiten, man nennt sie gewöhnlich „Duckmäuser“, und glauben, dieses Wort dürfte das bezeichnendste für unsern Mann sein. Er lebt noch! Er steht auf einer der höchsten Stufen und – es bleibt nur noch unsern Lesern zu errathen, wer dieser Mann ist.

Zur Zeit der Auflösung unsers physiognomischen Räthsels wollen wir Rechenschaft über unser heutiges Bild geben – wen es vorstellt – von wannen es kommt – wo es entstand. Vorläufig nur so viel: die Originalzeichnung befindet sich im Besitz des pens. Hofschauspielers Herrn Kriete.

H. K. 


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_045.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)