Seite:Die Gartenlaube (1861) 038.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Musik auf, welche sich im Anfang dieses Jahrhunderts in Deutschland schon glänzende Bahn gebrochen und immer mehr Anhänger fand.

Nicht allein durch Kraft und Klarheit, Tiefe und Hoheit, Innigkeit und Weichheit, seltenen Melodienreichthum und überraschende Gedankenfülle zeichnen sich Weber’s geniale Tondichtungen aus; seine Schöpfungen sind auch von einem so frischen und reinen Hauche von Poesie umwoben, von so warmer, lebhafter und glühender Phantasie durchströmt, wie die weniger andrer deutscher Componisten. Alles vereinigt sich in ihnen, um sie zu einem vollendeten Ganzen zu machen – jede einzelne seiner Tondichtungen ist ein Meisterwerk! –

Beethoven’s Riesengedanken und großartige Dichtungen vermögen es, das ganze Innere eines Menschen zu erregen, ihn in seinen tiefsten Tiefen durch die gewaltige Welt seiner Töne zu erschüttern und die Seele emporzuziehen zu jenen erhabenen Regionen, in denen so viele seiner Compositionen sich hauptsächlich bewegen; – Mozarts Zauberklänge können Geist und Sinn entzücken und verwirren; Haydn’s Zartheit und Anmuth uns immer wieder von Neuem überraschen, wohlthun und befriedigen; doch – Carl Maria von Weber ist es verliehen, indem er einfach zum Herzen spricht, Empfindungen zu erwecken, wie sie eben nur in einer Menschenbrust erregt werden können, deren Hauptleben das Gefühlsleben, und – in diesem Leben ist nun einmal die deutsche Nation stärker als jede andere.

Aus diesem Grunde machte sich Weber zum Liebling des deutschen Volkes, und seine Melodien sind es hauptsächlich, die eingedrungen sind bis in die untersten Schichten unserer Nation. Sie ertönen nicht allein auf Bühnen, in Concerten, in Salons und einfachern Cirkeln, im Familienkreise; nein, an seinen reizenden Melodien erquickt sich der mit mühevoller Arbeit beschäftigte Tagelöhner; – seine entzückenden Lieder tönen durch Feld und Wald, und oft hören wir sie schon von kleinen Kindern, die sie vor sich hin summen! – Wer denkt bei diesen Wahrnehmungen nicht an den bescheidenen Anspruch des großen Meisters –, wem fällt nicht ein, wenn er überall, wo deutsches Leben sich regt und deutsche Musik ertönt, sogar in fernen fremden Landen vorzugsweise Weber’s Melodien erklingen hört, daß dieser berühmte Künstler es gewesen, der jenes kleine einfache, ihn aber so vollständig charakterisirende Lied componirt hat:

„Tönen meine kleinen Lieder,
Die ein fühlend Herz erschuf,
Nur in einem Herzen wieder,
Dann erfüllt ist ihr Beruf.“

In der vollsten Thätigkeit seines rastlos schaffenden Geistes wurde Weber dem deutschen Volke entrissen. Er starb, wie bekannt, im Alter von 39 Jahren am 4. Juni 1826 in London.

Man hatte Weber in der Westminster-Abtei, der Ruhestätte von Englands bedeutendsten Männern, beisetzen wollen, wo auch Händel sein Grab gefunden; doch waren diese Pläne daran gescheitert, daß er katholisch war, wie auch an dem Gedanken, daß seine Familie und seine Freunde und Bewunderer vielleicht später die Uebersiedluug seiner irdischen Ueberreste in die Heimath wünschen würden.

Am 22. October 1844 fand die Einschiffung von Weber’s Leiche aus England Statt. Tausende mit Trauerflaggen bewimpelte Schiffe empfingen sie im Hafen von Hamburg, und Tausende von Menschen standen trauernd am Ufer und lauschten den ernsten, tiefergreifenden Klängen des Beethovenschen Trauermarsches, unter denen der Sarg nach Dresden eingeschifft wurde. Am 14. December landete das Schiff dort, dessen mächtige Trauerflagge die Inschrift trug: „Weber in Dresden“. Mit den größten Feierlichkeiten empfing man den geliebten Todten, und ein unabsehbarer Zug Leidtragender geleitete seine Leiche nach der für ihn bestimmten Gruft. Diese hatte wenige Wochen zuvor den jüngsten Sohn des großen Meisters, einen der talentvollsten Schüler der Dresdener Malerakademie, in sich aufgenommen.

Die beigefügte Abbildung zeigt Weber’s Ruhestätte in Dresden. Wie sein Grab gepflegt wird, giebt sich immer von Neuem durch den frischen schönen Blumenflor zu erkennen, der die mit einer Lyra geschmückte Steinplatte umgiebt.

Einen seltsam traurigen Contrast zu diesem so sorgsam behüteten Grabe bildet auf demselben Kirchhofe ein zwischen wild überwucherten Rasenhügeln und theilweise eingesunkenen Gräbern sich erhebender Stein. Man entziffert von dessen bemooster Fläche nur mühsam einen Namen, der einst hell am Horizonte der Kunst gestrahlt, dort noch immer leuchtet und den eines Mannes bezeichnet, der die allgemeine Liebe und Achtung seiner Zeitgenossen besessen und dessen furchtbares Schicksal von Jedem auf das Tiefste beklagt worden, der die Kunde seines entsetzlichen Todes vernommen.

„Franz Gerhard von Kügelgen,
geb. 1772, gest. 1820.“

so lautet die einfache Inschrift eines einfachen Steines, dessen Flächen nur ein von einer Sonne umgebenes Kreuz zieren.

Bacharach am Rhein war der Geburtsort jenes liebenswürdigen Künstlers, und am Ufer der Elbe zwischen dem Dorfe Loschwitz und Dresden wurde er in der Osterwoche am 27. März in der Abendstunde auf dem Heimwege nach seiner Wohnung ermordet.

Es heißt von Kügelgen, daß er einer der edelsten, frömmsten, besten und liebenswürdigsten Menschen gewesen und nie einen Feind gehabt habe, weshalb denn auch die Art und Weise seines schrecklichen Todes, neben dem furchtbarsten Schreck, dem größten Entsetzen und der allgemeinsten Entrüstung über eine so ruchlose That, eine Ueberraschung und ein Erstaunen erregt haben soll, wie es sich Beides richtig vorzustellen kaum möglich sei.

Als Maler zeigt Kügelgen auf erhebende und zugleich rührende Weise, wie die echte Kunst auf ein reines frommes Gemüth zu wirken vermag. Es sind nicht allein seine Schöpfungen von dem Geiste der Reinheit und Frömmigkeit durchstrahlt und beseelt, der den Grundzug seines Charakters gebildet; sondern sein ganzes Leben beweist uns, auf welcher Stufe der Vollkommenheit dieser Künstler als Mensch gestanden.

Hört man, wie geachtet, wie beliebt Kügelgen gewesen, so staunt man doppelt, wenn man an jenem Denksteine sitzt, der seine irdische Ruhestätte bezeichnet. – Von seinem Grabe ist nämlich nichts mehr vorhanden, – der Platz, der ihn zur ewigen Ruhe aufgenommen, nach jener vom Gesetz bestimmten Reihe von Jahren umgegraben und jetzt bereits zum zweiten Male zur Beerdigung Anderer benutzt worden.

Unwillkürlich regen sich bei dem Anblick im Herzen die Fragen: Wie konnte das möglich sein, da Gerhard von Kügelgen eine Gattin und Kinder hinterließ? – wie konnten das seine Freunde zugeben? – wie konnte das in einer Stadt wie Dresden geschehen, wo die Kunst eine so lebhafte Anerkennung findet und dieser berühmte Maler Professor der Kunstakademie gewesen?

Zu den berühmten Gräbern des katholischen Kirchhofs gehören noch die Friedrich von Schlegell’s und Johann Baptist Casanova’s, Ersterer als Schriftsteller ausgezeichnet, – während Letzterer sich als Director und Professor der Dresdener Kunstakademie Dank und Anerkennung durch Heranbildung tüchtiger Schüler erworben.

Unter den schönen und alten Denkmalen, an denen dieser Kirchhof überhaupt reich ist, nimmt das des Chevalier de Saxe den ersten Rang ein. Es macht einen äußerst imposanten, alterthümlichen Eindruck, erhebt sich auf einem kolossalen, von Emblemen des Ritterthums umgebenen Piedestal, das die Tafel mit der Inschrift trägt, von der aber außer einzelnen Sylben des Namens nur hie und da ein Buchstabe erkenntlich und welche ebenso von grünlicher Farbe umzogen ist, wie der mächtige, schön gearbeitete Sarkopbag, der auf dem Piedestal ruht. Auf dem Sarkophage, den das Wappen des Chevalier de Saxe mit Königskrone und Maltheserritterkreuz ziert, liegt oben der Mantel der Maltheserritter, den das Ritterschwert hält, dessen Falten aber tief über den Sarkophag herabwallen und ihn auf das Reichste drapiren. Der Chevalier de Saxe, Sohn König August des Starken und der Fürstin Lubomirska-Teschen, 1700 geboren, war Maltheserritter und starb als Generalfeldmarschall und Gouverneur von Dresden im Alter von 74 Jahren.




Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_038.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)