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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

hören wollte, die norwegischen Küsten, plünderten Kirchen und Klöster, verheerten mit Feuer und Schwert mehrere Städte und fünfzehn Kirchspiele und brannten gegen zweihundert norwegische Dörfer nieder. Dieses durch Geist und Sitte der Zeit gerechtfertigte Verfahren bestimmte Hakon, um einen Waffenstillstand und Frieden mit den Städten nachzusuchen, wobei er allen Ansprüchen auf die schwedische Krone entsagte, den hanseatisch-gesinnten Albrecht von Mecklenburg als König von Schweden anerkannte und alle Handelsfreiheiten, welche die Hansa jemals in Norwegen besessen, von Neuem bestätigte. Dies geschah im Jahre 1370.

Unterdessen hatte dasselbe Glück die Städte auf ihrem Zuge gegen Dänemark begleitet. Gleich bei Eröffnung des Kampfes verheerte die hanseatische Flotte einen Theil der dänischen Küsten, vornehmlich Schonen, von wo sie König Albrechts Kriegsthaten unterstützte. Im folgenden Jahre eroberten die Hanseaten die Hauptstadt Kopenhagen und den Schlüssel des Sunds, das wichtige Helsingör, dann Nyköping, Falsterboe, Kanoer und Ellholm; gleichzeitig verheerten sie die seeländischen Küsten, nebst den Inseln Amak und Hween. Ihre kühnsten Hoffnungen waren weit übertroffen worden; sie waren Herren des Sundes und im Besitz der vortrefflichsten Punkte der Halbinsel Schonen, von wo aus sie Handel und Gewerbe im Norden Europa’s zu beherrschen vermochten.

Auch in diesem Kampfe leuchtete Lübeck’s Beispiel den übrigen Hansestädten hochherrlich voran; sechszehnhundert rüstige Männer dieser Stadt zeichneten sich rühmlichst dabei aus. Ihre Rathsmänner, Everhard von More und Gottschalk von Attendorn, befehligten die Flotte; Bruno von Warendorp, eines lübeckischen Bürgermeisters Sohn, war ihr Hauptmann. Ihn traf im Kampfe ein tödtliches Geschoß; aber die Hochachtung und Liebe seiner Mitbürger folgte dem verdienten Manne über das Grab hinaus; seine Asche wurde im Chor von St. Marien zu Lübeck beigesetzt und über der Gruft sein Bildniß, sein Schild und sein Helm den späteren Geschlechtern zur Nachahmung aufgestellt.

Vor diesem seltenen Glücke des deutschen Hansabundes erschraken des dänischen Reiches Hauptmann und Räthe, die in des Königs Abwesenheit die Regierung führten, und der ganze Gang des Krieges schien ihnen so gefährlich zu werden, daß sie schleunigst zu Stralsund Unterhandlungen mit den siegreichen Städten anknüpften. Ritter und Prälaten Dänemarks traten mit den Vertretern der Hansa zusammen und unterwarfen sich dem Machtspruche der Städte. Der ganze Trotz des siegreichen Bürgerthums, welches längst in Fürsten und Adel einen seiner Hauptfeinde zu erblicken begann, entfaltete sich den hoffährtigen Rittern gegenüber, welche in dem Kaufmannsstande ein niedriges Gewerbe erblickten und lieber auf wohlfeilere Weise zu Reichthum und Schätzen zu gelangen suchten. Umweht von den Bannern der von ihnen vertretenen Städte empfingen die Hanseaten die Abgeordneten des gedemüthigten Dänemark; sitzend gaben sie den stehenden Rittern und Prälaten ihren Willen kund, und wie hart auch immer die Bedingungen waren, Dänemark sah sich zur Annahme derselben gezwungen. Die festen Plätze auf Schonen mit den dazu gehörigen Landstrecken, somit fast das ganze Land, wurden nebst zwei Dritteln der daselbst eingehenden königlichen Einkünfte auf fünfzehn Jahre den Siegern als Schadenersatz überlassen. Falls aber der König auf diese Bedingungen nicht eingehen würde, so versprachen die Räthe des Reichs gleichzeitig, ihm die Rückkehr in sein Königreich so lange zu verweigern, bis er sie angenommen und diesen Frieden ratificirt haben würde. Nach einem längeren Schriftenwechsel zwischen den Betheiligten fügte sich der bedrängte König endlich nothgedrungen dem Willen der Hansa. Er versprach noch außerdem, daß, wenn durch fremde Hand den Städten die ihnen auf fünfzehn Jahre verpfändeten Schlösser auf Schonen entrissen werden sollten, er mit seinen und des Reichs Waffen sie dem gemeinschaftlichen Feinde wieder abnehmen und sie der Hansa überliefern wolle. Zum Unterpfand für diese neue Zusage trat er ihnen, außer den obengenannten Ortschaften, das Schloß Warberg in Halland ab, und versprach endlich noch, falls er die Krone niederlegen und einen Andern zum Könige von Dänemark bestellen würde, um hierdurch sich und seinen Nachfolger der geleisteten Zusage zu entledigen, so sollten des Reiches Räthe und Stände sich dagegen zu setzen berechtigt sein; keiner sollte zur Krone von Dänemark ohne Rath und Einwilligung der Hanse-Städte gelangen dürfen und keiner als rechtmäßiger König anerkannt werden, bevor er nicht die den Städten bewilligten Rechte und Freiheiten und diese von Waldemar mit ihnen eingegangenen Verträge bestätigt haben würde. Gleichzeitig erhielten die Städte, theils in gemeinschaftlichem Namen, theils einzeln, verschiedene Freibriefe für ihren Handel auf den dänischen Provinzen, vermöge welcher nicht nur die ältern Freiheiten bestätigt, sondern auch verschiedene neuere ihnen zugesichert wurden.

So glücklich waren von den Hanse-Städten Zeit und Umstände benutzt, so zweckmäßig ihre Kräfte verwendet, so glorreich diese erste bedeutsame Fehde beendigt worden, daß fortan der Name und das Ansehen des Hansebundes im ganzen Norden in hohen Ehren stand und die handeltreibenden Völker Europa’s sich willig dem Machtgebote der Hansa beugten. Und was war das Mittel, durch welches so hohes Ziel erreicht wurde? Der gegenseitige Beistand und die unverbrüchliche Eintracht der Glieder des Bundes, welche muthig den Kampf mit den Fürsten des Auslandes bestanden. Dies war sonst – und jetzt? Auch dem Feigsten im deutschen Volke steigt die Schamröthe glühend in’s Angesicht, wenn er des letzten Jahrzehnts und des Uebermuths der Dänen und ihrer Willkürlichkeiten gedenkt! Wann aber – fragen wir mit zornerfülltem Herzen – wann wird das Schamerröthen sich zur muthigen That umwandeln, welche die verlorne Ehre des deutschen Volks in Schleswig-Holstein wieder einlöst und mit dem Schwerte gut macht, was die Feder der Diplomaten gesündigt?! Wann wird das befleckte Blatt deutscher Schmach und Schande wieder herausgerissen werden aus den Jahrbüchern unserer Geschichte?! Die Fürsten Europa’s und ihre geheimen Räthe mögen darauf Antwort geben. Wir aber wollen nicht müde werden, zu mahnen und zu drängen, bis die ersehnte Stunde schlägt, wo das deutsche Volk sich rein wäscht von einer Schuld, welche Andere auf seine Schultern geladen!




Sclaverei und Viehzucht bei den Ameisen.

Wohin wir blicken, überall herrscht in der Natur das Recht des Stärkeren, allenthalben wird der Schwächere unterdrückt, mißbraucht, vernichtet, wie es eben das Bedürfniß oder die Laune des Gewaltigen erheischt. Selbst die scheinbar wehrlose Pflanze lebt im steten Kampfe mit Ihresgleichen. Im Thierreiche hört dieser Krieg auf Tod und Leben niemals auf, und bei uns Menschen vermag erst die immer mehr sich ausbreitende Gesittung einen rechtlichen, friedlichen Zustand herbeizuführen. Das eben ist die Ursache von dem unaufhörlichen Kampfe der Gewalthaber gegen den geistigen Fortschritt und die moralische Veredelung der Völker, mit welcher dieses permanente Faustrecht völlig unverträglich ist; die rohe Gewalt kämpft eben um ihr historisches Recht. Eine uralte Verwirrung der Begriffe, noch herstammend aus jener Zeit, wo die Menschheit sich geistig kaum über die Thiere erhoben hatte, hat jenen gewaltthätigen Männern, welche ganze Völker zu Mord und Raub führten, wenn sie vom Glücke begünstigt waren, das Prädicat „der Große“ gegeben. Der unwissende Haufe staunt sie an, diese Vertilger der friedlichen Ebenbilder Gottes und ihrer Werke, und Niemand denkt dabei, daß ein solcher Held vielleicht für immer die geistigen Errungenschaften von Jahrhunderten vernichtet hat, um berühmt und mächtig zu werden. Auch unser Jahrhundert ist trotz seiner gerühmten Bildung und Humanität nur zu reich an solchen großen Männern, und was man noch vor wenigen Jahren von friedlichem Fortschritt, von der Unmöglichkeit blutiger Kriege für die Zukunft phantasirte, hat nur zu schnell eine traurige Widerlegung gefunden in den großartigen Schlächtereien der jüngsten Zeit.

Wenn wir als Idealisten darum an der Menschheit verzweifeln möchten, dann gewährt oft noch die Betrachtung der Natur den einzig möglichen Trost; denn sie führt uns auf den thatsächlichen Standpunkt zurück. Wir wollen deshalb einmal untersuchen, ob die Naturwissenschaft derartige Vergewaltungen nicht wenigstens

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 823. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_823.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)