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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Die calorische Maschine.

Wenn wir den verehrten Lesern im Nachfolgenden über den neuen Bewegungsmechanismus, die calorische Maschine, berichten, so hoffen wir ein doppeltes Interesse aus dem Grunde in Anspruch nehmen zu dürfen, weil einmal der Gegenstand an sich ein höchst wichtiger, für das ganze praktische Leben bedeutsamer ist, und sodann, weil die hunderttausend Exemplare der Gartenlaube seit einiger Zeit mit Hülfe dieses Motors gedruckt werden. Und hoffentlich besteht zwischen ihr und ihrem weiten Leserkreise ein Band der Anhänglichkeit und Neigung, das es dem Letzteren gewiß wünschenswerth macht, über die Technik der Herstellung des Blattes von Zeit zu Zeit ein Wörtchen zu hören. Außerdem wird aber auch dem Laien eine verständliche Darstellung der Geschichte und des Wesens der calorischen Maschine, welche gegenwärtig allenthalben so großes Aufsehen macht, und zwar nicht blos bei den Männern des Fachs, sicherlich willkommen sein.

Es ist eine unwiderlegbare Thatsache, daß die Dampfmaschine, diese großartige Bewegungskraft, welcher der Erdball seine jetzige Gestalt verdankt, keineswegs ein vollkommener Mechanismus ist und nicht allen Ansprüchen genügt, welche man an einen Motor dieser Art zu stellen berechtigt zu sein glaubt. Seitdem daher der Dampf seine Herrschaft im praktischen Leben begründet hat, fehlte es nicht an Versuchen mannichfachster Art, einen Ersatz für ihn zu finden ohne die ihm anklebenden Mängel. Das Ausdehnungsvermögen der erwärmten Luft, die Expansionskraft, ist es in erster Reihe gewesen, welche dazu vorgeschlagen wurde, und zahlreiche Experimente beschäftigten sich seit Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Verwirklichung des Gedankens. Luftexpansionsmaschinen, theils im Modell, theils in ganzer Ausführung, waren von England und Schottland aus dem Publicum schon mehrmals angepriesen worden, ohne daß eine einzige dieser Erfindungen es vermocht hätte, sich Bahn zu brechen, oder ein mehr als vorübergehendes, locales Aufsehen zu erregen. Da erschien im Jahre 1833 der schwedische Ingenieur Johannes Ericson, geboren 1803, mit einer Heißluftmaschine in London, welche er Caloric Engine nannte. Dem Berichte nach arbeitete dieselbe zur Zufriedenheit; die Männer der Wissenschaft sprachen sich günstig darüber aus, desto ungünstiger die Praktiker, die Constructeure, die Dampfmaschinenfabrikanten. Gekränkt wanderte Ericson nach Nordamerika, wo es ihm bald gelang, sich einen berühmten Namen zu erwerben; insbesondere schreibt man ihm, wenn auch mit Unrecht, die Erfindung der Schiffsschraube zu. Aber über seinen übrigen Arbeiten vernachlässigte er nicht sein Lieblingskind, die calorische Maschine. Es gelang ihm im Jahre 1848 eine solche erste von 5 Pferdekraft in einer Maschinenfabrik von New-York aufzustellen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_805.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)