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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

for Marriages zu entrichten; Damen aber werden schon vorher furchtbar gezehntet, weil man diese weit besser in der Hand hat. Und dies Alles geht geordneten Ganges vor sich, ohne daß der „fleckenlose Ruf der moralisch-religiösen Anstalt“ darunter leidet. Ganz natürlich; es hütet sich, wie gesagt, Jedermann, seine Verbindung mit derselben einzugestehen; der Thörichte oder nicht ganz Reine, weil er sich fürchtet, der Gescheidte, weil er sich schämt. Der Hauptwirkungskreis des Londoner Office for Marriage ist leider das liebe Deutschland; in Frankreich und England ist man schon gewitzigter. Daher wird man es stets am sichersten auf das Eis führen, wenn man Referenzen aus seiner Heimath von ihm verlangt, oder eine dortige Verbindung als Ziel vorschreibt, wie es der Eingangsbrief des jungen Ingenieurs wohlweislich gethan hat.

Es ist ein Kennzeichen – und ein recht betrübendes – unserer Zeit, daß dergleichen schwindelhafte Kuppelanstalten überhaupt nur zu existiren wagen; daß sich Leute genug finden, welche das Wesen der Ehe so sehr verkennen, um sich ihnen in die Arme zu werfen; daß Behörden ihrem Gebahren ganz ruhig zusehen, als verstände sich das von selber. Wenn es ein schmachvolles erniedrigendes Gewerbe gibt, so ist es das solcher öffentlichen Kuppler, und die Stimme der Presse hat die Verpflichtung, sich auf das Lauteste dagegen zu erheben. Zugleich auch halten wir es für unwürdig, wenn deutsche Zeitungen, des Bischens Gewinn halber, sich zur Aufnahme der Annoncen solcher Schwindelgeschäfte verstehen; wie ein Mann sollten alle Redactionen sich dagegen auflehnen, wenn es ihnen wirklich Ernst ist um Bildung und Wohlstand ihres Volkes, wie sie ja so oft mit schönen Worten versichern. Möge die Zeit bald kommen, in der Deutschland nicht mehr von den schimpflichsten Industrien des Auslandes zum Tummelplatz, zur Ausbeutung erkoren wird; möge jeder deutsche Jüngling und jedes deutsche Mädchen es als die tiefste Beleidigung betrachten, in den Verdacht zu geratben, sie dächten nur jemals an die „moralisch religiöse“ Vermittelung eines Office for Marriages!




General Enrico Cialdini, dessen Portrait wir in Nr. 45 gaben, nach Victor Emanuel selbst unstreitig die ritterlichste Gestalt und in diesem Augenblicke der gefeiertste Führer des königlich sardinischen – wir werden hoffentlich bald sagen dürfen – des italienischen Heeres, ist im Modenesischen geboren und dermalen erst 47 Jahre alt. Feurigen Gemüths und lebhaften Geistes mußte er noch sehr jung, und zwar im Jahre 1832, als flüchtiger Kämpfer für die Freiheit und Unabhängigkeit seines Vaterlandes nach Frankreich auswandern, wo er als Zögling der Pariser Polytechnischen Schule mit dem nachmaligen General Lamoricière zusammentraf, wie man sagt, mit demselben sogar ein Duell bestand und so den Grund zu jener persönlichen Abneigung, um nicht zu sagen Feindschaft legte, welche in der letzten bei Castelsidardo und Ancona gegen den päpstlichen Obergeneral genommenen Revanche für das unbesonnene Wort des Kriegsministers der französischen Republik von 1848 „Les Italiens ne se battent pas“ einen so glänzenden Ausdruck fand.

Cialdini’s kräftige Gemüthsanlagen und sein entschlossener Sinn duldeten nicht, daß er sich lange ruhigen Studien hingebe und überhaupt müßig bleibe; daher nahm er Dienste in der Fremden-Legion, welche das constitutionelle Spanien warb, um die Ansprüche des Prätendenten Don Carlos abzuweisen. Durch sein tapferes und einsichtvolles Benehmen wußte er sich bald den Grad eines Oberstlieutenants zu verdienen. Viele auf dem Schlachtfelde erhaltene Wunden bedecken seinen Körper, aber auch viele rechtmäßig verdiente Ehrenzeichen schmücken seine ritterliche Brust.

Anfangs 1848 verließ er den spanischen Dienst und eilte zum Kampfe für die vaterländische Freiheit nach Italien; mit Johann Durando und Massimo d’Azeglio nahm er Theil an der Vertheidigung von Vicenza, wobei er eine schwere Wunde davon trug. Kaum genesen trat er wieder in activen Dienst und befehligte durch mehrere Jahre mit dem Range eines Obersten ein piemontesisches Regiment der Brigade Pinerolo. Während des Feldzugs in der Krim führte er eine Brigade, an deren Spitze er sich, wie gewöhnlich, auszeichnete. Nach beendigtem Kriege wurde er zum General-Major befördert und vom Könige zum Flügel-Adjutanten ernannt. Im Feldzuge von 1859 erhielt er den Befehl über die 4. sardinische Armee-Division und bedeckte sich bei Palestro in den Gefechtstagen des 30. und 31. Mai, so wie durch seinen Sesia-Uebergang mit Ruhm. Später wurde er zur Aufnahme des am 15. Juni bei Tre Ponti durch Urban hart bedrohten Garibaldi vom Könige nach Castenedolo an der Chiese entsendet, und gleich darauf mit seiner tapfern Division in das Veltlin zur Paralysirung der von Südtyrol drohenden Oesterreicher detachirt, was ihn hinderte, am 24. Juni an der Schlacht von Solferino Theil zu nehmen und so den Stand der von Benedek hart mitgenommenen Piemontesen zu erleichtern.

Nach beendigtem Feldzuge wurde er zum General-Lieutenant ernannt, und ihm, als die sardinische Regierung den Einmarsch in die Marken und in Umbrien beschlossen hatte, der Oberbefehl des vierten, direct gegen die Marken vorzudringen bestimmten Armeecorps anvertraut. In welcher Weise Cialdini das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt habe, sprechen die glorreichen Waffenthaten von Pesaro und Castelsidardo, so wie die jüngst erfolgte Einnahme von Ancona, zu der er so wesentlich beigetragen, endlich die in wenigen Wochen vollbrachte Vernichtung des päpstlichen, von Lamoricière organisirten und befehligten Heeres.

Cialdini ist unstreitig in jeder Beziehung einer der brillantesten Officiere der sardinischen Armee. Tiefe Einsicht, ein scharfer Coup d’oeil und unerschütterliche Entschlossenheit zeichnen ihn als Führer, Gerechtigkeit, Festigkeit und Wohlwollen als Vorgesetzten aus; im cameradschaftlichen Umgange bieder und aufrichtig freundlich, ist er der Liebling Aller, vom Könige an bis zum letzten Bersagliere. Man kann ihn richtig den Bayard der sardinischen Armee nennen.

Als die Kunde der so einsichtsvoll herbeigeführten und so glänzend von ihm gewonnenen Schlacht von Castelsidardo zur Kenntniß des Königs gelangte, beeilte sich Victor Emanuel, den General Cialdini zum Zeichen seiner vollsten Zufriedenheit mit dem Großkreuze des königlich sardinischen Militär-Ordens von Savoyen zu schmücken und ihn bald darauf zum Armee-General, „Generale d’Armata“, derzeit in der königlichen Armee, welche keine Marschälle hat, die höchste militärische Würde, zu ernennen.




Das Wasser bekommt Balken. Während der beiden letzten Jahre sind nicht weniger als 14 große Dampfschiffe erster Classe Englands und Amerikas mit 2572 Menschen und 7 Millionen Pfund Sterling Werth und Waare spurlos im Ocean verschwunden. Andere Nationen haben vielleicht ebenso große Opfer dem furchtbaren Weltmeere bringen müssen. Was auf Segelschiffen und an Küsten von Menschen und Fahrzeugen verloren ging, belief sich allein während des vorigen sturmreichen Sommers blos an den englischen Küsten hoch in die Tausende.

Läßt sich dagegen gar nichts thun? Worin liegt der Grund des Uebels? In der Hohlheit und Verbrennlichkeit der Schiffe. Kommt ein Loch in die Haut eines Schiffes oder entzündet sich ein Dampfer, so ist selten Rettung möglich. Macht man also Löcher und Feuer unmöglich oder unschädlich, so würde der Rücken des Weltmeeres so sicher, wie fester Boden. George Catlin, der sich viel in Amerika, auf Meeren und besonders unter den Odschibbeway-Indianern herumgetrieben, hat jetzt ein ganzes Buch über die Mittel, sicher auf den Oceanen zu fahren, herausgegeben und nachgewiesen, daß alle Schiffbrüche aufhören würden, wenn man die Schiffe flach baute. Die Grundform aller Sicherheit ist das auf den meisten Flüssen bekannte Floß, wie man Bauholz auf dem Wasser transportirt. In der That machen auch Schiffbrüchige, die Geistesgegenwart, Zeit und Material finden, immer solche Flöße, um sich von untergehenden, stolzesten, vollkommensten Dampfern zu retten. Ein paar Stückchen Balken, Maste, Breter, Holz auf irgend eine Art zusammengebunden – und sie haben das sichere Rettungsmittel. Warum nicht solche Flöße gleich von vornherein bauen, wenigstens für Menschentransport? Ja, warum nicht? „Fahrt auf solchen Flößen mit Dampf und allen Bequemlichkeiten, die euch der vollkommenste Dampfer nur bieten kann,“ sagt Catlin.

Ich schlage vor: Floß von 250 Fuß Länge, 50 Fuß Breite für 1000 Passagiere aus weißem Fichten- oder Baumwollenholz, sich diagonal kreuzend, in regelmäßigen Quadratstücken, fest aneinander gepreßt durch hölzerne und eiserne Riegel und Krampen schief eingetrieben, verpicht und vertheert, das Ganze fest mit Eisenplatten überzogen und gesichert gegen Feuer und Wasser. Auf diesem Floß baut man dann nach Lust und Laune alle Bequemlichkeiten für Passagiere, Kajüten, Salons, Vorrathsräume – Alles überm Wasser, auch einen Dampf-Apparat für den Propeller, der unten in der Mitte wirken soll, so daß er im Sturme nie aus dem Wasser gehoben wird, wie so oft die Schaufeldampfer. Auch gibt’s auf solchen Dampfflößen keine Seekrankheit, die eigentlich Kielkrankheit heißen sollte. In den tollsten Wogenbewegungen des Meeres ist keine Spur von Erregung des Ekels der Seekrankheit. Die höchsten Wogenberge sind die ergötzlichste Schaukel zwischen Himmel und Erde. Hindern wir die Bewegungen einer Schaukel und lenken sie in unregelmäßigen Zuckungen ab, wird der Darinsitzende sofort seekrank. Dieselbe Unregelmäßigkeit und Verwirrung des Schaukelns auf umstürmten Schiffen macht ebenfalls seekrank.

Ein Floß würde den Bewegungen der Wogen einfach folgen und im schlimmsten Falle eine großartige Schaukel bilden, welche das Floß gegen Felsen und Eisberge schleudern könnte, ohne es zum Sinken zu bringen, da das Holz auch in seinen Stücken (obgleich eine Zerstückelung nach der Catlin’schen Construction, die sehr sinnreich und durchdacht ist und in seinem Buche selbst studirt werden muß, unmöglich sein würde) vollkommen seine Schwimmkraft behalten würde.

Ist denn aber die ganze Geschichte nicht am Ende blos ein dummer Einfall, praktisch, unmöglich? Freilich auch die Dampfschiffe wurden Jahre lang nach der Erfindung als unmöglich verhöhnt. Vor einiger Zeit kam ein ungeheures Floß Bauholz von Amerika in England an. Also geht’s, und wir werden auch lebenssicher auf dem Oceane schaukeln.



Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!

Auerbach, deutscher Volks-Kalender auf das Jahr 1861. …………………… broch. 121/2 Ngr.
Bock, das Buch vom gesunden und kranken Menschen. Mit 25 feinen Abbild. broch. 1 Thlr. 221/2 Ngr., eleg. geb. 2 Thlr.
Gartenlaube, 1855. 1856. 1857. 1858. 1859. ………………. broch. à 2 Thlr., eleg. geb. in gepreßter Decke 22/3 Thlr.
Gerstäcker, Gemsjagd in Tyrol. Mit 34 Illustrationen, eleg. broch. 3 Thlr. 10 Ngr., in eng!. Preßdecken 4 Thlr. 5 Ngr.
Oelckers, Theodor, Meine Mitgefangenen. Gedichte. ……………………… broch. 1 Thlr.
Stolle, Palmen des Friedens. Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise. Zweite Auflage, eleq. geb. 1 Thlr. 10 Ngr.
Stolle, ausgewählte Schriften. Volks- und Familienausgabe. 27 Bände … Zweite Auflage, broch. à Band 71/2 Ngr.
Storch, Ludwig, Gedichte. ………… eleg. cart. 1 Thlr. 6 Ngr., prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 15 Ngr.
Storch, Ludwig, ausgewählte Romane und Erzählungen. Volks- und Familienausgabe. 19 Bände, broch. à Band 71/2 Ngr.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_768.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)