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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

bis er vor dem Eingang eines großen Hotels auf dem Graben still hielt. Die Panduren sprangen von ihrem Sitz herunter und öffneten, Kellner und Wirth kamen herbei und vergaßen einen Augenblick ihre Verbeugungen und Hülfeleistungen, als sie die Athleten-Gestalt des Obersten mit dem wilden halb schwarzen Gesicht aus dem Wagen steigen und mit gerunzelter Stirn unter sie treten sahen – es war Keiner da, dem dies Gesicht und dieser Mann nicht wenigstens aus Beschreibungen bekannt gewesen wäre.

„Herr Oberst,“ sagte Frohn, nach ihm aus dem Wagen steigend, „mein Auftrag endet hier, und ich habe jetzt nur die Pflicht, mich für gute Cameradschaft auf der Reise zu bedanken! Unsere Bekanntschaft hat auf ein wenig ungewöhnliche Weise begonnen – ich hoffe, daß der Herr Oberst darum nicht minder mich in gutem Andenken halten wird.“

„Daß ich an den Oberstwachtmeister von Frohn denken werde,“ antwortete Trenck, „dafür hat er gesorgt … aber ich werde nicht anders an ihn denken, als an einen vortrefflichen Reisegefährten, der mich durch seine gute Unterhaltung und zuvorkommenden Manieren hat die Art und Weise vergessen machen, wie er mich zu dieser verdammten Reise gepreßt hat!“

„Das,“ erwiderte Frohn lächelnd, „wird noch mehr, hoffe ich, die Aufnahme vergessen machen, welche der Oberst von der Trenck dahier in Wien finden werden!“

„Nun, wir wollen’s hoffen,“ versetzte der Oberst, indem er Frohn mit einer Handbewegung verabschiedete und sich dem Wirthe zuwandte.

Frohn verließ ihn, und nachdem er sein nicht fern liegendes Quartier aufgesucht und sich ein wenig erquickt hatte, ging er die nöthigen Meldungen zu machen. Als er in die Burg und in die Vorzimmer des römischen Königs kam, ward er sofort vorgelassen. Joseph trat ihm lebhaft und gespannt entgegen.

„Frohn,“ rief er aus, „Er ist wieder da … nun – mit ihm oder ohne ihn … ?“

„Ew. Majestät, der Oberst von der Trenck ist von mir vor einer halben Stunde am Thore des weißen Lamms abgesetzt worden, wo er zu wohnen wünschte!“

„Ist das wahr, ist das in der That wahr?“ rief der junge König froh aufathmend, „nun dann sei der Himmel gelobt – denn, daß ich’s Ihm nur gestehe – mir war Angst um Ihn und ich habe mir Vorwürfe gemacht, alle diese Tage her, daß ich einen so treuen Diener wie Ihn so in die Höhle des Löwen getrieben.“

„Majestät, es ist mir gelungen, den Löwen zu zähmen – wir sind so eben von einander geschieden wie die besten Freunde.“

„Nun, das ist mehr, als ich möglich geglaubt – ich fänge an, Ihn für einen Zauberer zu halten – aber setze Er sich – dorthin – ich will’s – erzähle Er mir Alles haarklein.“

Frohn gehorchte, der König nahm in seinem Schreibsessel Platz und horchte mit der größten Spannung auf die Erzählung des Oberstwachtmeisters.

„Aber zum Henker, Er ist ja ein gefährlicher, ein entsetzlicher Mensch!“ rief der König Joseph auffahrend aus, als Frohn zur Erwähnung seines Giftes gekommen.

„Majestät, ich hatte keine Hoffnung meinen Auftrag auszuführen, wenn ich nicht mein Leben dabei einsetzte, und die bloße Gewalt hätte bei einem Trenck nicht ausgereicht.“

„Ein verzweifeltes Mittel,“ fiel Joseph ein – „woher hatte Er denn dieses merkwürdige Gift?“

„Es ist ein orientalisches Harem-Geheimniß. Mir hat es ein alter türkischer Arzt, dem ich das Leben mit Gefährdung meines eigenen rettete, gegeben; er nannte es ein Opium-Präparat.“

„Und war Er denn so sicher, daß das Gegengift es ganz unschädlich mache?“

„Sicher – nun wie ich es sein konnte; an Menschen habe ich freilich nicht die Erfahrung machen können – an Thieren wohl … was es ist, weiß ich auch nicht – wenn ich mich recht erinnere, sprach mein alter Hakimbaschi von einer concentrirten und krystallisirten Säure … aber Genaueres habe ich nicht behalten.“

Der römische König schwieg eine Weile: dann sagte er:

„Lieber Frohn, thu Er mir den Gefallen, dies merkwürdige Mittel, nachdem es so vortrefflich seine Schuldigkeit gethan, für zukünftige Fälle nicht mehr in Anwendung zu bringen; es hat mir etwas Unbehagliches, es im Besitz eines so tapfern Soldaten zu wissen – wie wäre es, wenn Er das Recept dazu ins Feuer würfe?“

„Ew. Majestät,“ antwortete Frohn, „das ist bereits geschehen – ich habe alles, was ich davon besaß, in das Recept gewickelt in die Donau geworfen.“

„Desto besser,“ fiel Joseph ein, „und nun erzähle Er weiter!“

Frohn nahm den Faden seiner Erzählung wieder auf; als er geschlossen, sagte der römische König:

„Wie soll ich Ihm danken, Frohn? – Er hat Seiner Kaiserin und unserm Hause einen großen Dienst geleistet – ich werde es meiner Mutter zu rühmen wissen!“

„Ew. Majestät,“ versetzte Frohn, „ich weiß es tief zu erkennen, daß ich von der Gnade Ew. Majestät mir den Ausdruck Ihrer Zufriedenheit erhalte. Denn außer daß dies für mich der Gnadenbeweis ist, welcher mir am höchsten von allen steht, würde ein andrer etwas sein, was meiner Leistung in den Augen der Menschen vielleicht einen Charakter gäbe, den ein auf seine Ehre eifersüchtiger Soldat zurückweisen muß. Und dennoch bin ich so eigennützig, diesen Augenblick zu benutzen, um von Ew. Majestät eine Belohnung zu erbitten.“

„Spreche Er, Frohn,“ fiel der König eifrig ein – „Er kann von mir verlangen, was nur in meiner Macht steht zu erfüllen.“

„So bitte ich um ein Lieutenantspatent für meinen Wachtmeister. Der Mann hat mir treu und redlich beigestanden; er ist in die ganze Gefahr eingeweiht gewesen, in welcher wir schwebten, aber er hat mit männlicher Entschlossenheit dieser Gefahr getrotzt.“

„Und wer ist dieser Phönix von einem Unterofficier?“

„Er heißt Franz Fellhamer, Majestät.“

Joseph blickte verwundert den Sprechenden an.

„Seitdem er assentirt wurde, stand er bei meiner Schwadron, und ich habe einen tüchtigen und zuverlässigen Menschen aus ihm gezogen.“

„Hat Er das wirklich, Frohn? Nun, so hat Er auch da Wunder geleistet,“ fiel lächelnd der König ein, „und weil Er’s ist, will ich’s Ihm glauben, obwohl –“ Joseph erhob drohend und mit sprechenden Blicken ihn ansehend den Finger, „obwohl ich den Verdacht haben könnte, jetzt sei mein tapfrer Oberstwachtmeister etwas wie ein – Höfling geworden.“

Frohn legte die Rechte auf seine Brust.

„Nun, ich will ja thun, was Er verlangt,“ sagte der König Joseph, „der Franz soll das Lieutenantspatent haben.“

„Ich danke Ew. Majestät.“

„Das Danken, mein lieber Frohn, ist an diesem Tage an mir,“ fiel Joseph ein, „und das soll mit diesem warmen Händedruck geschehen.“

Es war gegen alle Etikette, daß ein römischer König einem Husaren-Major die Hand schüttelte; aber Joseph kümmerte sich sehr wenig darum, und Frohn nahm die ihm dargebotene Rechte und erwiderte mit männlichem Selbstbewußtsein energisch ihren warmen Druck.




Ein echt deutsches Baudenkmal deutscher Bruderliebe.

In einer der lieblichsten Gegenden des an malerischen Schönheiten so reichen Maingrundes, der sich von Bamberg bis Schweinfurt erstreckt, auf einer sanften Anhöhe, hart am rechten Ufer des Mains malerisch hingegossen, liegt das hübsche Städtchen Haßfurt, südlich von den waldigen Bergen des Steigers, an seiner Nordseite von der Eisenbahn begrenzt, die von Lohr am Fuße des Spessart bis über Kulmbach an dem Fuße des Fichtelgebirges den Krümmungen des Flusses folgt.

Dem aus dem Stationshause tretenden Reisenden fällt eben so scharf, wie dem Fahrer auf dem Mainschiff, ein in nächster Nähe der Stadt, auf dem Rücken der Anhöhe, dicht am östlichen Ende der Stadt stolz emporragender Kirchenbau mit einem zu demselben in gar keinem Verhältniß stehenden Thürmchen in’s Auge. Der hintere (östliche) Theil des alten Gotteshauses ist mit Baugerüsten bis zum steilen Dache umgürtet, auf welchen sich rüstige Steinmetzen munter bewegen. Unter ihren Händen verjüngen sich Pfeiler und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_756.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2022)