Seite:Die Gartenlaube (1860) 755.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Aber,“ rief Trenck, dessen Wuth sich zu legen begann, aus, „Er hat ja wahrhaft den Teufel im Leib …“

„Wenigstens Courage genug, um ruhig abzuwarten, was der Obrist von der Trenck beschließt. Er kann einen Kampf hier im Nachen anfangen; aber bevor der Kampf zu Ende ist, darauf mache sich der Oberst gefaßt, liegen wir Beide längst im Wasser. Will der Herr Camerad sich dann durch Schwimmen retten, so mag er’s versuchen; ich aber sage ihm vorher, daß ich auch ein wenig Schwimmer bin, und mich ihm sofort nachstürmen werde, um mich an ihn zu klammern und ihn auf den Grund des Strome zu ziehen. Darauf geb ich ihm mein Ehrenwort. Ich meine, der Camerad kennt mich von gestern her!“

Der Kahn begann sich immer mehr mit Wasser zu füllen.

„Wenn Sie noch lange zögern,“ fuhr Frohn fort, „so wird unsere Rettung immer schwieriger.“

„Hölle und Teufel Ihm auf den Kopf,“ fluchte Trenck, „was will Er denn?“

„Sein Ehrenwort, daß der Herr Camerad geduldig und ohne weiteres Sträuben mit mir nach Wien hinunterschifft. Nur ein Wort von ihm, und der Leck wird sofort gestopft!“

Trenck schien noch einen Augenblick seine ganze Lage zu überblicken. Er konnte allerdings den Versuch machen, Frohn zu überwältigen, und ohne Zweifel war er ihm an Körperkraft überlegen. Aber ein verächtlicher Gegner war dieser hochgewachsene breitschultrige Husaren Major auch für einen Mann wie Trenck nicht, und ein Ringen mit ihm mußte kostbare Minuten wegnehmen, vielleicht doppelt so viel Zeit, als nöthig war, den Kahn bis an den Rand zu füllen und auf den Grund des Strombetts zu senken. Im Schwimmen sein Heil zu suchen, war ebenfalls zu gewagt; die Donau war an dieser Stelle verzweifelt tief und reißend, und der Gegner war der Mann, seine Drohung buchstäblich auszuführen!

„Wenn ich mich drein ergebe, wie will Er denn den Kahn oben halten?“ rief er deshalb aus.

„Noch ist das möglich,“ antwortete Frohn gleichmüthig, „denn wir stehen erst bis an die Knöchel im Wasser und können den Leck noch stopfen – steigt das Wasser noch um einige Zoll höher, so ist’s zu spät!“

„Nun denn, in’s Teufels Namen,“ sagte Trenck zähneknirschend, „ich ergebe mich drein!“

„Der Herr Camerad gibt hier vor meinen und seinen Leuten sein Ehrenwort als Soldat und Edelmann, daß er jetzt, ohne Ausflüchte und Hinterlist zu suchen, mir ruhig nach Wien folgt?“

„Ich gebe es!“

„Und sich später nicht an mir zu rächen sucht?“

„Will Er das auch noch?“

„Auch das!“

„Nun, in’s Henker’s Namen, Alles was Er will … mach’ Er nur ein Ende mit der Sache!“

Frohn zog jetzt rasch aus seinem Mantel einen Gegenstand hervor, den er dem erschrockenen und bleich hinter ihm stehenden Schiffer reichte. Es war ein kleines viereckiges Bret, an den vier Ecken durchbohrt; der Mann kniete damit eilfertig in das den Boden des Nachens bedeckende Wasser nieder und drückte es auf das Loch in der mittelsten Bohle, welches Frohn’s Kugel geschlagen hatte. Nägel und Hammer hatte der Fährmann in der Tasche seiner Jacke; er war nicht faul sie zu gebrauchen, und nach einigen kräftigen Hammerschlägen war der Leck oberflächlich gestopft. Frohn gab nun seinen Husaren einen Wink, diese begannen das Wasser mit ihren Mützen auszuschöpfen, die zwei Panduren zeigten sich ebenfalls nicht lässig, zu helfen, während der Gehülfe des Fährmanns sich des Ruders bemächtigt hatte und den Kahn steuerte, der unter der ganzen Scene eine weite Strecke stromabwärts geschossen war. Der Fährmann ging dazu über, mit Werg und Talg das aufgenagelte Holzstück zu kalfatern.

„Wenn der Herr Oberst einen Befehl für Ihr Hauptquartier hinterlassen wollen,“ hub Frohn jetzt wieder an, „so wird einer Ihrer Leute ihn dahin bringen können; wir wollen so nahe an’s Ufer zu gelangen suchen, daß er hinüberschwimmen kann.“

„Sehr gütig,“ versetzte Trenck bitter ironisch, sich auf der Bank ausstreckend, auf die er sich, in seinen Mantel gewickelt, hingeworfen hatte. Nach einer Pause jedoch wandte er sich an einen seiner Panduren und sagte:

„Du kannst heim gehen; ich lasse dem Oberstlieutenant de Dolne befehlen, bis auf weitere Ordre in seinem jetzigen Standquartier zu bleiben. Er soll mir vier Seressaner mit meinen drei besten Pferden, Geld, Kleider und Wäsche nachsenden, und meine übrigen Sachen in Verwahrung nehmen.“

Auf Frohn’s Befehl bemühte sich der Steuermann, dem rechten Donau-Ufer so nahe zu kommen, als es ihm möglich war ohne Ruder und bei der fortreißenden Gewalt des Stroms. Endlich war man dem Gestade des Flusses auf eine Entfernung von etwa dreißig Schritt nahe gekommen; auf einen Wink Trenck’s warf der Pandur seinen rothen Mantel ab, wickelte Wamms und Waffen hinein und sprang dann in den Strom, um, sein Bündel mit der linken Hand über den Kopf haltend, als geübter Schwimmer dem Ufer zuzustreben, das er glücklich erreichte.

„Wie sind Sie denn auf diese dämonische Idee gerathen, mich im Schiffe zu transportiren?“ fragte Trenck nach einer Weile Frohn, der sich eben ihm gegenübergesetzt und eine ungarische Meerschaumpfeife hervorgezogen hatte, die er mit großer Seelenruhe stopfte.

„Sie lag nicht weitab,“ versetzte Frohn lächelnd, „diese Idee; nach dem, was gestern zwischen uns vorgefallen, dachte ich mir, es sei nicht räthlich, die Nacht im Hauptquartier des Herrn Obersten zuzubringen; es schwante mir wohl etwas von Auslegungen, die dem Herrn Cameraden belieben könnten, von dem gegebenen Worte zu machen. So suchte ich mir für meine Nachtruhe ein Plätzchen aus, wo ich vor einem Ueberfall sicher mein Haupt niederlegen konnte, und ein guter geräumiger Kahn war dazu die beste Stelle, die sich finden ließ. Sobald ich gestern Abend den Herrn Cameraden verlassen, zog ich mich dahin zurück und ließ einen Theil meiner Leute mit den Pferden als Wachtposten am Ufer. Einmal im Schiffe, kam ich denn auch leicht auf den Gedanken, in demselben die Rückreise zu machen und den Herrn Obersten zu bitten, mir darin das Vergnügen seiner Begleitung zu schenken. Es geht rasch, wie Sie sehen, und es ist sehr viel bequemer, als vier oder fünf Tage lang auf müden Pferden im Sattel zu hängen!“

„Sollen wir denn ganz bis Wien hinunter in dem Kasten hocken bleiben?“

„Wenn’s dem Herrn Cameraden so beliebt, ja … wir werden uns vom ersten uns begegnenden Nachen oder Floß Ruder kaufen; dann können wir bequem landen, wo wir wollen, und in passend gelegenen Uferstädtchen unsere Mahlzeiten nehmen. In Rußdorf werden wir Extrapost nehmen, um nicht zu Fuße in die Kaiserstadt einziehen zu müssen, und ich werde dann die Ehre haben, den Herrn Obersten an dem Gasthofe abzusetzen, den er mir zu bezeichnen die Güte haben wird!“

„Wahrhaftig,“ sagte Trenck mürrisch nach einer Pause. „Er ist ein durchtriebener Patron, wenn Er auch mein Feind ist. Es thut mir leid, daß ich den Oberstwachtmeister von Frohn nicht unter meinen Corps habe. Er wäre der Mann gewesen, den ich hätte brauchen können. Der Herr Camerad hat wohl keine Tabakspfeife mehr bei seinen Sachen?“

„Leider nein … aber der Wachtmeister hat eine; wenn Sie die nicht verschmähen – mit gutem Latakia steh’ ich zu Befehl!“

Franzl, der Wachtmeister, zog eine saubere kleine Meerschaumpfeife aus der Tasche hervor, und der Oberst nahm sie, ohne sie einer weitern Besichtigung zu unterwerfen. Frohn reichte den Tabaksbeutel dar, und Franzl schlug Feuer … nach einer Viertelstunde saßen sich die beiden Kriegsmänner friedlich gegenüber und unterhielten sich von ihren Abenteuern und Erlebnissen.

Der Nachen schwamm unterdeß lustig stromabwärts, die Husaren Frohn’s, die mit den Pferden auf dem Leinpfad nachgeritten waren, waren längst nicht mehr sichtbar; doch hatten Trenck’s Panduren ihrem Abzuge nichts in den Weg gelegt, als sie gesehen, daß ihr Oberst selber mir dem Husaren-Officier Frieden geschlossen hatte und mit ihm davon zog.


7.

Zwei oder drei Tage nachher, kurz vor Mittag, rollte eine Extrapost, die mit zwei Panduren auf dem Bocke besetzt war, durch das Rothethurmthor in die Kaiserstadt ein. Der Corporal von der Wache, der an den Schlag trat, erhielt aus dem Innern die Meldung: „Der kaiserliche Oberst Freiherr von der Trenck und Oberstwachtmeister von Frohn.“

Der Wagen rollte weiter durch die dichtgedrängten Straßen,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_755.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2019)