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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

den Andern, während die Geister um ihn ihr Unwesen treiben. Und Bosco, der tausenderlei Zauberstückchen machte, konnte nie Tische in die Luft steigen lassen, wie Home.

Während seines letzten Aufenthaltes in London vorigen Frühling und Sommer ist Home ganz besonders scharf und ausdauernd von wissenschaftlichen Männern, Lords, Künstlern, Literaten, Juristen etc. untersucht worden, wobei er sie selbst immer auf das Bereitwilligste unterstützte. Niemand hat eine Spur von Taschenspielerei oder Betrug entdecken können (oder wollen?), aber auch keine Möglichkeit, seine Wunder aus bekannten Naturgesetzen zu erklären, so daß sich die Zahl derer, die an den übernatürlichen Ursprung der Wundererscheinungen glauben, bedeutend vermehrte. Am längsten experimentirte er bei dem alten, berühmten Juristen und Politiker Lord Lyndhurst, der sich über achtzig Jahre lang niemals etwas weißmachen ließ. Wieder läßt sich hier mit Recht einschalten, daß mit achtzig Jahren die Schärfe des Urtheils aufhört. Einmal gab Home im Hause Lord Lyndhurst’s zwei Wochen hintereinander alle Tage Vorstellungen: er selbst und mehrere eingeladene Männer der Wissenschaft hatten sich vorgenommen, um jeden Preis „dahinter zu kommen“. Es war nicht möglich. Der alte schlaue Jurist und alle seine Freunde mußten endlich zugeben, daß sich keines der merkwürdigen spiritualistischen Phänomene natürlich erklären lasse.

Faraday, der berühmte Natur-, besonders Elektricitätsforscher, hatte es anfangs versucht, die sich unter ausgelegten Menschenhänden drehenden Tische durch „unwillkürliche Muskel-Action“ zu erklären. Als ihm aber die Tische unter den Händen verschwanden und sich mit Gewalt an die Decke erhoben und vor seinen Augen in der Luft schwebten – auch dieser Unsinn steht gedruckt –, zog er sich mit seiner Theorie zurück und konnte seitdem nie wieder bewogen werden, andere und noch auffallendere Erscheinungen mit anzusehen. Selbst als man ihm sagte, daß er Mr. Home selbst in die Luft steigen und an der Decke schweben sehen sollte, mit nichts als Luft unter seinen Stiefelsohlen, nichts als Luft um ihn her (wie er nach Zeugen-Aussagen im Cornhill-Magazine mehrmals gethan haben soll), lehnte er entschieden ab und hielt sich seitdem immer fern von einem Gebiete, das seiner Naturwissenschaft eine Niederlage bereitet hatte.

So gibt’s Beispiele auf Beispiele, deren Zahl wir nicht unnöthig vermehren wollen. In englischen Zeitungen und Büchern kann man deren noch in Masse lesen. Doch noch eins, das ganz besonders merkwürdig aussieht. Ein Naturforscher, Arzt und Redacteur einer wissenschaftlichen Zeitschrift in London hatte in seinem Blatte Jahre lang mit besonderem Eifer gegen die verrückte Tischdreherei und Spiritualisterei gekämpft, doch rückte sie ihm immer näher auf den Leib. Freunde und wissenschaftliche Autoritäten hatten gesehen, untersucht und – gestanden. So ging er endlich schnurstracks zu dem Advocaten und Spiritualismus-Schriftsteller W. Wilkinson, 44 Lincoln’s Inn-fields in London, und sagte: „Sie erzählen da in Ihrem Spiritualisten-Magazine Wunder auf Wunder; ich fordere Sie heraus, auch mir solche zu zeigen.“ Wilkinson nahm die Herausforderung an und begab sich mit dem amerikanischen Medium, Mr. Squire, in dessen Haus, wo sich mehrere Freunde eingefunden hatten. Diesen wurde Gelegenheit gegeben, erst einen ganzen Tag und dann noch zwei halbe Tage die Leistungen des Mediums an Wilkinson’s eigenen Tischen und Meubles zu studiren und zu bestaunen. Ein Tisch ward von unsichtbaren Gewalten von einem Zimmer in das andere geworfen, ein anderer Tisch, für Wahnsinnige gemacht, ungemein fest und rings herum mit Eisenreifen beschlagen, ward vor den Augen Wilkenson’s und seiner Freunde von unsichtbaren Händen zerschmettert und in Stücken auseinander geschleudert. Wilkinson und seine Freunde veröffentlichten diese und andere vor ihren Augen geschehene Thatsachen und zugleich ihre Geständnisse, daß sie sich in ihrer bisherigen Feindseligkeit gegen den Spiritualismus geirrt hätten, in einer Nummer des „Spiritual Magazine“.

Das sind einige Stimmen und Thatsachen. Allerdings ist von den Gegnern auch der Beweis geliefert worden, daß unter der Stubendecke sehr menschliche Hände sogenannte Geisterarbeit verrichteten, daß viele Citirungen einen lächerlichen Ausgang hatten, daß die Herren Geister stets mit der Orthographie auf gespanntem Fuße standen, und was der groben Täuschungen mehr waren. Das hilft aber wenig oder gar nichts. Der Curiosität wegen fügen wir noch aus einem Berichte über ein Medium in Rom, der in der englischen Wochenschrift: „The Welcome Guest“ (der willkommene Gast) Seite 77 u. ff. erschien, folgende höchst schauerliche Geschichte hinzu.

„Das Medium ist ein Küster, der in einem düstern, schmutzigen Hause neben einer Kirche wohnt. Engländer sind aus Langweile zu ihm gekommen, um sich etwas „vormachen“ zu lassen. Zunächst tanzen Tische und Stühle in längst hergebrachter Weise. Hernach werden Geister citirt und mit Fragen belästigt, die sie auch größtentheils durch übliches Klopfen beantworten. Hernach citirt ein Engländer den berühmten, verstorbenen Boxer Cribb und fordert ihn heraus. Sofort setzt sich ein Tisch gegen ihn in Bewegung und treibt ihn mit Anläufen und Stößen in eine Ecke, wo der schreiende Engländer nun so lange tüchtige Püffe mit der Tischplatte in die Magengrube bekommt, bis der Küster, Cantor, Organist und Geistermann den verstorbenen, im Tische steckenden Boxer ergreift und entwaffnet. Schon ganz hübsch. Nun kommt aber erst die Hauptsache. Unter Anderen wird Mozart citirt und gefragt, ob er etwas spielen wolle.

„Ja,“ in zwei lauten Stößen.

„Auf dem Piano?“

„Nein.“

„Wo denn sonst?“

„Auf der Orgel in der Kirche.“

Die Gesellschaft begibt sich also mit einer Fackel in die Kirche daneben.

Der Erzähler tritt die Bälge und vernimmt bald herrliche Mozart’sche Töne schwellen, absterben und wieder aufschwellen.

„Es folgte eine Pause,“ fährt er fort. „Mein Herz schlug heftig von seltsamer Angst. Plötzlich füllte sich der ganze Raum, in welchem ich stand, mit blendendem Lichte, und die Orgel rauschte auf von den ersten Passagen des berühmten „Gloria“ in der zwölften Messe Mozart’s. Dies war nicht Alles. In die Orgeltöne stimmte ein volles Orchester ein: die Chöre wurden deutlich von mehreren hundert Stimmen gesungen. Orgel, Orchester und Chor in gewaltigster, harmonischster Einheit. Endlich kommt der Chor zum Schlusse, bewußtlos, hingerissen stimme ich mit aller meiner Kraft ein: „Et in terra pax hominibus bonae voluntatis“ und falle ohnmächtig zu Boden.“

Sehr gut! Ein brillanter Schluß! Ganz der höhere Schwindel! Wir nehmen hier an, daß der Verfasser eben nur einen pikanten Artikel mit einem schauerlichen Kladderadatsch-Schlusse habe schreiben wollen, und verweisen ihn in das Gebiet der Phantasie. Aber die jahrelange Klopferei und Wunderthäterei nicht nur vor Kaisern und Königen, sondern auch vor aufgeklärtesten Männern der Wissenschaft, die nun dutzendweise öffentlich auftraten und bürgten für die Realität spiritualistischer Wunderdinge der verschiedensten Art? Was fangen wir mit ihnen an? Wenn die Wissenschaft das Ganze als eine elende Betrügerei hinstellt und einen Brewster, Lord Brougham, einen Faraday und Andere Lügen straft, so ist sie auch den Beweis schuldig, wenn sie die vielen Hartgläubigen überzeugen und heilen will. Mit Spott allein ist’s nicht gethan, wo nur Gründe helfen können. Hoffen wir also, daß sich deutsche Gründlichkeit einmal ordentlich dahinter mache, diese Geister der Lächerlichkeit zu übergeben, wie sie es verdienen.




Goethe als „dummer Junge“.
Eine culturhistorische Studie.

„Und ich wiederhole es Ihnen, Herr Graf, die Bestie darf nicht auf das Theater!“

„Das ist gewiß nicht Ihr letztes Wort, Herr Geheimerath, in dieser so wichtigen Angelegenheit.“

„Es ist es. Es bleibt bei dieser Entscheidung, so lange ich hier in Weimar noch ein Wort in Theatersachen zu reden habe. Es ist und bleibt dieses Hunde-Gastspiel eine Entweihung der Bühne, die mir viel zu hoch steht, als daß ich so etwas dulden sollte.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 713. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_713.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)