Seite:Die Gartenlaube (1860) 708.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Den Teufel aus der Hölle zu holen?“

„Nicht gerade mit diesen Worten, in der Sache aber ist’s so ziemlich eins. Unser Befehl lautet: den Pandurenoberst von der Trenck aus seinem Hauptquartier zu holen und als Arrestanten nach Wien zu bringen.“

„Gott steh uns bei!“ rief Franzl aus, und seine Hand zuckte, als ob er im Schrecken sein Pferd zum Stehen bringen wolle.

„Nun, ich hoffe, Du fällst nicht vor Entsetzen aus dem Sattel, Franzl.“

„Nein, das nicht,“ entgegnen der Wachtmeister aufathmend, „aber das ist mehr als wir, unser sieben zusammen, zu Stande bringen!“

„Daß wir’s zu Stande bringen, wirst Du schon sehen, und es ist meine Sache – es kommt nur ein wenig darauf an, daß ich einen Mann neben mir habe, auf den ich mich verlassen kann, wie auf mich selbst. Ich habe Dich dazu ausersehen. Viel Schlauheit verlange ich nicht von Dir, nur Gehorsam, es mag kommen, was da will. Was ich Dir befehle, das hast Du auszuführen, und wenn man Dir auch droht, Dich zu spießen und an langsamem Feuer zu rösten; und wenn es auch ein Befehl wäre, wie: Franzl, zieh Dein Pistol und jage mir eine Kugel durch den Kopf! Soll ich darauf zählen können, Franzl? wirst Du blindlings thun, was ich Dir befehle, so sicher wie der Tod? Bedenk Dir’s wohl, Du kannst in schlimme Situationen dabei kommen, und wenn Du zurückschrickst vor der Ehre, mein Adjutant zu sein bei dieser unserer kleinen Bärenjagd, so ist der Istevan, der da hinter uns reitet, der Mann, den ich gebrauchen werde, und ich will ihn vorrufen …

„Lassen der Herr Oberstwachtmeister ihn nur da hinten, den Istevan,“ fiel Franzl mit einem Stirnrunzeln und einer Miene kecker Entschlossenheit ein, „ich bin zu Allem bereit, und Sie sollen auf mich zählen können!“

„Nun gut, und ich verspreche Dir, wenn ich so zufrieden mit Dir bin, wie ich es zu sein hoffe, dann hast Du acht Tage, nachdem wir mit dem Trenck in Wien wirklich und richtig eingeritten sind, Dein Officierspatent in der Tasche.“

Ueber Franzl’s Züge flog ein freudiges Erröthen. Er schwieg eine Weile. Dann sagte er: „Wenn Einer die Sache zu Stande bringt, dann ist’s freilich der Herr von Frohn; aber ein Anderer käm’ nicht durch damit; ich glaube zwar nicht, daß der Trenck hieb- und schußfest ist, wie das dumme Volk sagt, aber ein gefährlicher Bösewicht ist er einmal doch …“

„Er ist ein großer Krieger,“ fiel Frohn ein, „er hat sich um Oesterreich Verdienste erworben, wie fast kein anderer Soldat dieser Zeit, und wenn seine Tapferkeit auch mit einer ruchlosen Verachtung fremder Leiden und mit empörender Grausamkeit verbunden ist, so darf man das, was er geleistet hat, und das, was er ist, doch nicht vergessen. Es macht leider unsere Aufgabe nicht leichter. Wäre mir befohlen worden, einen Bär einzufangen, den man lebendig oder todt abliefern kann, so wäre es eine Lustpartie gegen die Aufgabe, den Trenck mit allen militärischen Ehren und mit aller Courtoisie, aber doch gefangen nach Wien zu liefern!“

„Der Herr Oberstwachtmeister gedenken ihn also glimpflicher zu behandeln, als er selber es mit seinen Feinden zu thun gewohnt ist, z. B. mit den zwei Harumbaschi’s in Slavonien?“

„Du meinst mit dem Harumbaschi, dessen Vater er hat spießen lassen?“

„Auch das,“ versetzte Franzl, „ist eine arge Geschichte. Der Räuber bot ihm einen ehrlichen Zweikampf mit gleichen Waffen an, und wie sie mit ihren Säbeln auf einander losgehen, zieht der Trenck plötzlich ein geladenes Pistol aus der Tasche und schießt den Räuberhauptmann in dichtester Nähe vor den Kopf. Aber ich dachte an das andere Stücklein, wie er eines Tages auf der Jagd ist, in einem abgelegenen Hause auf seinen Gütern Musik hört …“

„Und dann?“ sagte Frohn – „erzähle weiter!“

„Dann geht er hinein und findet Hochzeitsgäste bei Tisch; das gefällt ihm, er setzt sich mitten zwischen sie und läßt sich’s wohlschmecken, ohne zu vermuthen, unter welche Art von Menschen er gerathen ist. Aber er bekommt eine Ahnung davon, als sich die Thüre öffnet und zwei riesengroße Kerle, zwei bewaffnete Harumbaschi’s, hereintreten. Erschrocken blickt er nach seiner Flinte; die steht fern von ihm an der Wand. Einer der Räuber aber beruhigt ihn mit den Worten: „„Bleib wo Du bist, Trenck, wir haben Dir nie Uebles zugefügt, aber Du verfolgst uns mit der Grausamkeit eines Tigers und der List einer Schlange. Jetzt könnten wir Dich niederschießen und Dir den Lohn geben – aber wir verschmähen es, feig den Zufall, der Dich in unsere Hand lieferte, zu benutzen. Iß und trink mit uns. Wenn wir gesättigt sind, dann nehmen wir den Säbel zur Hand und sehen, ob Du so stark und unüberwindlich bist, wie die Leute sagen.““ Nach diesen Worten setzen die Harumbaschi’s sich ihm gegenüber an den langen schmalen Tisch und langen sorglos und ruhig zu. Dem Trenck ist natürlich sehr wenig wohl bei der Geschichte … wenn er im Zweikampf auch mit den Räuberhauptleuten fertig wird, dann muß er fürchten, daß ihre Gesellen nicht fern sind, und so nimmt er einen guten Augenblick wahr, zieht seine Sackpistolen heimlich aus der Tasche, richtet sie unter dem Tische auf den Bauch seiner Gegner, drückt zu gleicher Zeit ab, ergreift dann den ganzen Tisch, wirft ihn mit allem, was darauf ist, auf sie hin und springt glücklich zur Thüre hinaus. Dabei ist er gewandt genug, das Gewehr des einen Räubers zu fassen, welches neben der Thüre lehnt. Von den Harumbaschi’s bleibt einer blutend am Boden liegen, der andere arbeitet sich unter dem Tische hervor in die Höhe und rennt wuthschäumend dem Flüchtigen nach; der Trenck aber erwartet ihn stehenden Fußes, schießt ihn mit seiner eigenen Flinte nieder, schneidet ihm den Kopf ab und bringt diese Trophäe seinen Leuten nach Hause.“

„Ich habe davon gehört,“ sagte Frohn – „es ist so eines seiner Stücklein aus der Zeit, wo er in Ermangelung von anderem Zeitvertreib von den Gütern seines Vaters in Slavonien aus die großen Treibjagden auf die Grenzräuber unternahm und die ganze gefährliche Menschenhände, gegen die man früher alles Mögliche vergebens aufgeboten hatte, ausrottete … bis auf einen Rest von dreihundert entsetzlichen Kerlen, aus denen er den Kern seines Pandurencorps machte. Es ist das eine merkwürdig lehrreiche Schule für ihn gewesen – leider hat er seitdem nie begriffen, daß er nicht mehr Krieg gegen Räuber in Slavonien führte!“

„Und was soll jetzt mit ihm geschehen, wenn der Herr Oberstwachtmeister die Frage vergönnt?“ sagte Franzl.

„Du fragst mehr, als ich weiß,“ antwortete Frohn. „Der Krug geht eben so lange zu Wasser, bis er bricht – der Trenck hat so lange geplündert, gebrandschatzt und gehaust, bis die Kaiserin über alle die Klagen, welche wider ihn eingelaufen sind, in Zorn gerathen ist und ihren Kopf aufgesetzt hat, und der Welt zeigen will, daß in Oesterreich Gerechtigkeit herrsche gegen den Höchsten wie den Niedrigsten.“

Der Wachtmeister Franzl verrieth durch einen Zug seines Gesichts, der wie ein bittres Lächeln aussah, daß er sich innerlich seine Gedanken bei diesen Worten seines Vorgesetzten mache, die er doch nicht auszusprechen wagte.

„Du meinst, es sei nicht ganz so schlimm?“ fuhr Frohn fort, „und der Höchste habe immer noch gegen den Niedrigsten etwas wie einen kleinen Vorsprung voraus? … nun, das ist nicht unsere Sache zu beurtheilen, Franzl, die wir der Kaiserin schlichte Kriegsknechte sind und thun, was uns befohlen ist. Gute Freunde und Geld haben in der Welt immer viel ausgerichtet – von jenen hat der Trenck freilich nicht viele in Wien – dafür hat er desto mehr von letzterem – und wenn er damit den Hals aus der Schlinge ziehen kann, was denn in der That das Ende vom Liede sein wird: so ist’s für uns desto angenehmer, Franzl, wir können desto leichteren Herzens den Dienst verrichten, der uns befohlen ward und der auch deshalb nicht angenehm ist, weil er ein wenig nach Häscherdienst aussieht!“

(Fortsetzung folgt.)




Die Akustiker Friedrich Kaufmann und Sohn in Dresden.

Selten sind die Geburtsstätten bedeutender Menschen in den Häusern der Reichen und Vornehmen zu suchen, denn ein allzu fetter Boden erstickt die Pflanze gern im eignen Safte, während aus dürrer Felsenspalte sich oft der edelste Baum erhebt. Auch die Künstlerfamllie Kaufmann leitet ihre Herkunft aus dürftiger Hütte und erkämpfte sich nach jahrelangem Ringen einen berühmten Namen im Fache der höheren Mechanik und Akustik, wovon ihre selbstspielenden Musik-Instrumente das lebendigste Zeugniß geben.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_708.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2021)