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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Nun wohl, so versuche Er’s auf diese Weise. Sag Er dem Trenck, daß König Joseph sich dafür verbürgt habe, er werde sein Ehrenwort halten – verbürgt bei der Kaiserin; daß ich überzeugt sei, die Anschuldigungen, welche gegen ihn erhoben sind, werden von ihm siegreich widerlegt werden können; daß ich ihm alsdann meinen vollen Schutz zusichere.“

„Es kommt nur darauf an, ihm das Ehrenwort abzugewinnen,“ versetzte Frohn.

„Das wäre denn zunächst Seine Aufgabe, mein lieber Frohn, wenn Er keine bessere Art, die Sache durchzuführen, findet. Hält Er’s für unmöglich?“

„Da Ew. Majestät geruhen, diese Aufgabe mir zu stellen, so darf sie mir nicht unmöglich sein – im Dienst Ew. Majestät darf ich dies Wort nicht kennen!“

„Bravo, mein Herr Oberstwachtmeister! Das heißt gesprochen, wie ich’s vom Frohn erwartete. Er kann sich dort das Memoire des Hofkriegsraths ansehen, damit Er sich über die Angelegenheit näher unterrichtet. Dann fasse Er seine Entschlüsse. Ich werde unterdeß die nöthige Ordre für Ihn schreiben, die Ihn bevollmächtigt, alle und jede Maßregel zu ergreifen, welche Er bei der Ausführung des Ihm gewordenen Befehls für zweckmäßig findet. Er erhält plein pouvoir.“

Während Frohn das vom König ihm bezeichnete Papierheft, dasselbe, welches wir in den Händen der Kaiserin sahen, vom Arbeitstische nahm und zu überfliegen begann, setzte sich der römische König in seinen Sessel und schrieb die Ordre nieder.

„Hier hat Er, Frohn!“ sagte er dann, ihm das Blatt übergebend. „Ich bin überzeugt, ich kann diesen Befehl in keine besseren Hände niederlegen, und hätte ich Ihn nicht in meinem Regiment, so würde ich mich gehütet haben, mich und mein Regiment in die Sache zu mischen!“

„Ew. Majestät,“ versetzte Frohn, die Ordre seines Regimentschef neben seinem Oberstwachtmeister-Patente auf der Brust bergend, „Ew. Majestät werden mich mit dem Trenck innerhalb acht Tagen dahier zurück sehen, oder gar nicht. Es stände mir schlecht an, die Schwierigkeit der Aufgabe, womit Ew. Majestät mich beehren, zu vergrößern, aber sollte es eine Aufgabe auf Leben und Tod sein, so werde ich den letzteren nicht scheuen im Dienste meiner Kaiserin!“

„Gehe Er mit Gott, Frohn,“ sagte König Joseph, indem er ihm gerührt die Hand schüttelte. „Vergeß Er nicht, mit meiner Ordre sich beim Präsidenten des Hofkriegsraths zu melden und sich von diesem eine Anweisung auf die Kriegscasse geben zu lassen, damit Er die nöthigen Fonds erhält. Noch einmal: Behüt Ihn Gott!“

Frohn machte Kehrt und verließ das Zimmer des römischen Königs.


2.

Zwei Tage, nachdem diese Unterredung stattgefunden hatte, an einem schönen kühlen, aber heitern Aprilmorgen ritt ein Officier, in einen weiten blauen Mantel gehüllt, der eine blaue Husaren-Uniform bedeckte, und gefolgt von sechs Reitern seines Corps, zum Rothenthurm-Thor der Kaiserstadt hinaus. Die Reiter waren mit kräftigen, wohlgepflegten Pferden ungarischer Race versehen, und ihre sehr feldmäßig aussehende Ausrüstung verrieth, daß sie einen mehrtägigen Marsch beabsichtigten.

Der Officier, welcher an ihrer Spitze und allein vorauf ritt, war ein auffallend hochgewachsener und kräftig gebauter Mann mit edlen, aber wettergebraunten Zügen und dunklen feurigen Augen. Es war eine Kriegergestalt, wie man keine ausdrucksvollere und malerischere sehen konnte. Er war nicht gerade jung mehr, sondern in das volle Mannesalter eingetreten. Aber wenn diese Reife des Alters seinen Zügen ihr Gepräge von muthiger Entschlossenheit und unbezähmbarer Energie aufgedrückt hatte, so hatte sie doch dem ruhigen und wie verhaltenen Feuer, das aus seinen Blicken sprach, nichts von seiner Lebhaftigkeit genommen.

Die kleine Truppe zog durch die Rossau-Vorstadt und schlug dann den Weg donauaufwärts ein. Als sie die letzten Häuser der Vorstadt hinter sich hatte, winkte der Officier einem seiner Husaren den Befehl zu, an ihn heran zu kommen. Dieser, der die Wachtmeister-Abzeichen an seinem Kragen trug, war im nächsten Augenblick neben seinem Vorgesetzten.

„Was befehlen der Herr Oberstwachtmeister?“

„Der Herr Oberstwachtmeister befehlen Dir nichts, Franzl,“ versetzte der Officier mit einem Ton gutmüthiger Freundlichkeit – „sie wollen nur dem Franzl, da sich just Zeit und Ort dazu schicken, eine kleine Vorlesung halten. Ich denk’, es wird dem Franzl zuträglich sein; denn wenn er auch seinen Dienst erträglich versieht und ein brauchbarer Soldat geworden ist – mit dem Morale und dem sonstigen Menschen bin ich noch immer nicht zufrieden.“

„Ich mein’ halt, Herr Oberstwachtmeister, ich thue, was ich vermag, um meine Vorgesetzten zufrieden zu stellen!“

„Das thut der Franzl, es ist richtig,“ entgegnete der Officier.

„Nachdem man ihn wegen seiner liederlichen Streiche zum Militär assentirt hat – er kann’s dem Himmel danken, daß man so glimpflich mit ihm verfahren ist und daß die Polizeistelle der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt gedacht hat, das Bürschlein sei nicht der Mühe werth, viel Federlesens und Criminal-Untersuchens mit ihm zu machen, und man werde am besten thun, wenn man ihm einen Soldatenrock anziehe und ihm den Haselstock zum Präceptor gebe …“

„Es ist schon wahr, Herr Oberstwachtmeister,“ bemerkte Franzl, „und ich dank meinem Schöpfer, „daß ich dabei als früherer Eleve der kaiserlichen Reitschule bei den Husaren assentirt wurde und der Herr von Frohn bald nachher das Commando über unsere Schwadron bekam. Was aus mir geworden ist – ein ordentlicher Soldat …“

„Mit Wachtmeistersrang, welcher, wie Du weißt, die Staffel zu jeder militärischen Größe und Würde ist …“

„Das,“ fuhr Franzl fort, „haben der Herr Oberstwachtmeister aus mir gemacht!“

„Ich freue mich, daß Du es anerkennst, Franzl, denn, weiß Gott, ich habe mir Mühe mit Dir gegeben, und habe Dich allezeit scharf im Auge behalten. Ich wußte, daß Du von Haus aus zu einem redlichen Menschen angelegt warst, das hatte mir unsere erste Begegnung gezeigt – die Herren Eltern hatten Dich nur nicht zu ziehen gewußt und Du warst in Zuchtlosigkeit verkommen. Nun, seit dem Tage, wo ich Dich in meiner Schwadron fand, hast Du Dich über Zuchtlosigkeit weiter nicht beklagen können, und so ist es denn glücklicher Weise dahin gekommen, daß Du ein Mann geworden bist!“

„Der dem Herrn von Frohn Alles verdankt und für ihn durch’s Feuer gehen würde.“

„Sieh, Franzl, das ist brav von Dir“ – fuhr der Officier fort. „Aber worüber ich unzufrieden mit Dir bin, das ist, daß Du zu wenig Ehrgeiz hast. Du bist guter Leute Kind; Du hast mehr gelernt, als ein Husarenwachtmeister bedarf … weshalb legst Du es nicht darauf an, weiter zu kommen?“

„Weiter zu kommen … das thu ich ja auch,“ versetzt Franzl, „… ich meine, ich thue Alles, daß der Herr von Frohn mich demnächst, wie Sie mir versprochen haben, zum Regimentsschreiber vorschlagen können.“

„Regimentsschreiber … was ist das! Officier mußt Du werden, Franzl.“

„Unser Eins … ich … Officier?“

„Du meinst, wegen Deiner Vergangenheit? Nun, man schickt Dich nach Ungarn, nach Friaul, hinter den Karst. Da kennt Deine schlimmen Streiche von ehemals Niemand. Und wollte Gott, wir hätten in der Armee keine Officiere, welche schlimmere Dinge auf dem Kerbholz! Es kommt nur auf den Willen an, auf den festen Vorsatz sich auszuzeichnen. Unter einem Herrn zumal, wie unser edler Regimentschef ist, der das Verdienst königlich zu lohnen strebt, wo er es nur findet!“

Der Wachtmeister antwortete nur durch einen tiefen Seufzer; aber der Officier, der seine Züge beobachtete, sah, daß seine Augen in einem eigenthümlichen Feuer aufleuchteten.

„Sieh, Franzl,“ fuhr er fort, „eine solche Gelegenheit, es zum Officier zu bringen, bietet sich Dir vielleicht gerade jetzt – bei der Ausführung dessen, was mir befohlen ist, und wozu ich gerade deshalb Dich mitgenommen habe.“

Franz warf einen fragenden Blick, in dem etwas wie ein freudiges Erschrecken lag, auf seinen Vorgesetzten.

„Du merkst daraus, daß es sich just nicht um ein Kinderspiel handelt, Franzl,“ fuhr dieser fort.

„Das mag sein,“ antwortete der Wachtmeister, „aber ein guter Husar fürchtet sich nicht und holt, wie das Sprückwort sagt, den Teufel aus der Hölle, wenn’s ihm befohlen wird.“

„Richtig, Franzl,“ antwortete kaustisch der Officier, „und sieh, das ist just eben unser Fall, und darauf lautet unser Befehl.“

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