Seite:Die Gartenlaube (1860) 702.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

seine Legion hatte die Feuertaufe erhalten. Sie erhielt jetzt eine Fahne von schwarzem Stoffe mit dem Bildnisse des Vesuvs, ein Sinnbild Italiens und der in seinem Schooße sich bergenden Revolutionen.

Am 17. November desselben Jahres befand sich die italienische Legion mit Garibaldi auf Postendienst. Nach dem Frühstück stieg der montevideische Oberst Neyra zu Pferde und ritt mit einigen Mann die Linien entlang. Man zielte auf ihn, und tödllich verwundet stürzte er vom Pferde. In demselben Augenblicke machte der Feind eine Charge und bemächtigte sich seines Leichnams, kaum hatte Garibaldi diese Nachricht vernommen, als er sogleich beschloß, die Leiche dieses tapfern Officiers dem Feinde wieder zu entreißen. Mit einigen hundert Mann, die er zur Hand hatte, griff er die Truppen Oribe’s an und bald war er wieder im Besitz des entseelten Körpers. Zwar erhielten die erbitterten Feinde sofort ansehnliche Verstärkungen, so daß Garibaldi rings eingeschlossen wurde; allein auch ihm kam Hülfe zu, und schon nach kurzer Frist war die ganze Legion in’s Gefecht verwickelt. Der Kampf wurde allgemein und dauerte acht Stunden; der Feind erlitt einen ungeheuren Verlust, und abermals kehrte Garibaldi siegreich mit seiner Legion nach Montevideo zurück. Unser Held hatte in diesem Kampfe – so gesteht er selbst – „wie ein einfacher Soldat“ gefochten und wußte daher nicht, was um ihn herum vorgegangen war. Am Abend erstattete ihm jedoch Auzani, dessen besonnene Ruhe und Tapferkeit durch nichts erschüttert worden war, Bericht über alle Einzelnheiten und setzte ihn in den Stand, der Legion im Namen Italiens Dank zu sagen und diejenigen, die sich am meisten ausgezeichnet, zu belobigen und im Range zu erhöhen. Beide Gefechte verschafften aber der Legion eine derartige Achtung bei dem Feinde, daß er, sobald er sie mit dem Bajonnet anrücken sah, nicht länger Stand hielt und das Weite suchte.

Mit gleicher Tapferkeit focht die italienische Legion am 24. April 1844 beim Uebergang über die Boyada, wo sie sechs Stunden lang unausgesetzt im Feuer stand; namentlich zeichneten sich bei dieser Gelegenheit Garibaldi’s Neger aus. Ein Tagesbefehl des General Paz ertheilte der italienischen Legion die größten Lobeserhebungen. Es konnte nicht fehlen, daß solche Thaten kriegerischer Tapferkeit die Blicke der an der Spitze der Republik von Montevideo stehenden Männer auf die italienische Legion und ihren kühnen Führer hinlenkten. Der Präsident der Republik, General Fructuoso Ribeira, erließ daher unterm 30. Januar 1845 ein Schreiben an Garibaldi, in welchem er diesem, „der die italienische Legion so würdig befehligt und sich schon vor dieser Zeit durch die der Republik geleisteten Dienste ein so unbestreitbares Anrecht auf die Dankbarkeit und Erkenntlichkeit Montevideos erworbcn hat,“ sowie den Officieren und der „hochberühmten und tapfern italienischen Legion“ Ländereien und Viehheerden für ihre heroischen Dienste anbot. Garibaldi schlug jedoch im Einverständniß mit allen seinen Officieren diese Ehrengabe aus und erklärte dem Präsidenten im Namen der ganzen Legion, „daß sie, als sie die Waffen ergriffen und der Republik ihre Dienste anboten, nichts Weiteres beansprucht hätten, als die Ehre, die Gefahren zu theilen, welche die Söhne des Landes, das sie gastlich aufgenommen, bestehen müßten; wenn sie so handelten, so gehorchten sie nur der Stimme ihres Innern. Nachdem sie dem Genüge geleistet, was sie einfach als Erfüllung einer Pflicht betrachteten, würden sie fortfahren, die Leiden und Gefahren der edlen Montevideer zu theilen, ohne jedoch einen anderen Preis oder eine andere Belohnung für ihre Arbeit zu wünschen.“

Bis zur Aufhebung der Blokade von Montevideo durch eine anglo-französische Intervention blieb Garibaldi mit seiner Legion die Seele der Vertheidigung und zeichnete sich durch viele kühne Handstreiche zu Wasser und zu Lande aus. Noch einmal, in dem mörderischen Gefecht von San Antonio, tritt der Name Garibaldi’s, Auzani’s und der italienischen Legion glänzend wie kaum ein anderer hervor; schreibt doch Garibaldi selbst darüber an die Commission der italienischen Legion zu Montevideo: „Nicht für eine Welt von Gold würde ich den Namen eines italienischen Legionairs dahingeben,“ und am Schlusse: „Ach! das war ein Gefecht, das verdiente in Erz gegossen zu werden.“ Es war seine letzte große Waffenthat in Montevideo.

Nach der Schlacht von San-Antonio schrieb der französische Admiral Lainé, welcher die La Plata-Station befehligte, einen Brief an Garibaldi, worin er ihm wegen seiner seltenen Umsicht und seines unerschütterlichen Muthes die größten Lobsprüche ertheilte. Dies genügte aber dem Admiral noch nicht, er wollte ihm auch persönlich seine Glückwünsche überbringen. Er landete daher in Montevideo und begab sich in die Straße Pontone, wo Garibaldi wohnte. Diese Wohnung, ebenso ärmlich, wie die des letzten Legionairs, konnte nicht verschlossen werden und stand Tag und Nacht für Jedermann offen, „namentlich für Wind und Regen,“ wie sich Garibaldi selbst äußerte, als er diese Anekdote erzählte.

Es war Nachts. Admiral Lainé warf die Thüre zu, und da das Haus nicht erleuchtet war, stieß er sich an einen Stuhl. „Holla!“ rief er jetzt, „muß man denn hier unbedingt den Hals brechen, wenn man Garibaldi besuchen will?“

„He, Frau,“ rief jetzt Garibaldi seinerseits, ohne die Stimme des Admirals zu erkennen, „hörst Du nicht, daß Jemand im Vorzimmer ist? leuchte!“

„Womit soll ich denn leuchten?“ entgegnete Anita, „weißt Du nicht, daß keine zwei Kreuzer im Hause sind, um ein Licht zu kaufen?“

„’s ist wahr,“ erwiderte Garibaldi philosophisch.

Er stand auf und öffnete die Thüre des Zimmers, in dem er sich befand. „Hierher,“ rief er, „hierher!“ damit seine Stimme, in Ermangelung des Lichts, dem Besuchenden zum Führer dienen möchte. Admiral Lainé trat ein. Die Dunkelheit war aber so groß, daß er seinen Namen nennen mußte, damit nur Garibaldi wisse, mit wem er es zu thun hatte. „Admiral,“ redete er diesen jetzt an, „Sie werden mich entschuldigen; als ich aber meinen Vertrag mit der Republik von Montevideo abschloß, vergaß ich, unter den festgesetzten Rationen eine Ration Licht zu specificiren. Wie Ihnen nun bereits Anita gesagt, bleibt das Haus, da wir keine zwei Kreuzer haben, um ein Licht zu kaufen, im Finstern. Zum Glück setze ich voraus, daß Sie gekommen sind, mit mir zu plaudern, und nicht, mich zu sehen.“

Und in der That plauderte der Admiral mit Garibaldi, ohne daß er ihn erkennen konnte. Er verabschiedete sich später und stattete noch dem General Pacheco y Obes, dem Kriegsminister, einen Besuch ab, bei welcher Gelegenheit er diesem das Erlebte erzählte.

Der Kriegsminister, der soeben ein Decret über Garibaldi und seine Legion erlassen hatte, nahm sogleich hundert Patagonen (fünfhundert Francs) und schickte sie an Garibaldi. Dieser wollte seinen Freund Pacheco durch Zurückweisung des Geldes nicht verletzen; aber am nächsten Morgen, mit Tagesanbruch, nahm er die hundert Patagonen und vertheilte sie unter die Wittwen und Kinder der bei San Antonio gebliebenen Soldaten; für sich selbst behielt er nur so viel, als zum Ankauf eines Pfundes Lichte gehörte, wobei er seine Frau aufforderte, fein sparsam damit umzugehen, falls der Admiral Lainé ihm einen zweiten Besuch abstatten würde.

Das obenerwähnte Decret bestand in einem Tagesbefehl des Kriegsministers[WS 1]und verordnete, „um den heldenmüthigen Waffengenossen, die sich auf dem Schlachtfelde von San Antonio unsterblich gemacht haben, einen hohen Beweis der Achtung zu geben, welche die republikanische Armee von Montevideo, die sie in diesem denkwürdigen Treffen wie sich selbst verherrlicht haben, für sie hegt,“ daß sämmtliche Truppen sich in Montevideo in Parade aufstellen, durch eine große Deputation Garibaldi und der italienischen Legion eine Schrift der obersten Staatsgewalt überreichen und dann in Ehrencolonne vor der italienischen Legion defiliren sollten, während die Corpschefs unter dem Rufe: „es lebe das Vaterland! es lebe Garibaldi und seine tapfern Cameraden!“ salutirten.

Jene Schrift bestimmte, daß auf das Banner der italienischen Legion nachstehende Worte mit goldenen Buchstaben gestickt würden:

Treffen
der italienischen Legion unter Garibaldi’s Befehlen
am 8. Februar 1846.

Ferner räumte sie der italienischen Legion den Vorrang bei allen Paraden ein, verordnete, daß die Namen der in dem genannten Treffen Gefallenen auf eine Tafel verzeichnet im Regierungspalaste aufgehangen würden und jeder Legionair am linken Arme ein Schild tragen sollte, auf welchem ein Kranz die Inschrift umgab: „dem unüberwindlichen Mitkämpfer, 8. Februar 1846.“

Fürwahr eine Auszeichnung, wie sie wohl selten einem republikanischen General und seinen tapfern Streitern zu Theil geworden ist!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Krigsministers
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_702.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)