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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Weiße und Lessing bei der Neuberin.




auch an ihn dachte – und je näher der Tag der Gerichtssitzung kam, um so öfter – fühlte instinctmäßig, daß hier ein Punkt war, den sie nicht berühren dürfe; eine Ahnung des Grundes aber sollte ihr in der zweiten Woche werden.

Da kam der Major angefahren und mit ihm ein junger magerer Mann im schwarzen Fracke, mit stechenden Vatermördern, buschigem dunklem Haare und klug blickenden Augen. Der Hauswirth empfing sie und führte sie nach dem Vorderzimmer, wo Mary bei einer feinen Nätherei saß und bei dem Eintritte der Gäste die Stube verlassen wollte; der Major aber rief ihr zu, zu bleiben, sie hätten mit ihr zu reden. „Und wenn Sie, Nachbar,“ wandte er sich an den Farmer, „eine Viertelstunde abbringen können, so thun Sie mir den Gefallen, uns Ihre Gesellschaft zu schenken; es liegt nur daran, Jemand zum Zeugen zu haben, daß nicht auf unrechte Weise auf das Mädchen eingewirkt wird!“

In Mary’s Ohr klang wieder derselbe nachlässige Ton in Bezug auf sie, welcher sie schon bei ihrem ersten Zusammentreffen mit dem Major verletzt hatte; er that ihr aber heute’, in Gegenwart der Uebrigen, noch weher. Sie sah groß und ernst aus und begegnete dem Auge des alten Osborne; dieser aber schien ihren Blick nicht einmal zu bemerken. „Well, Sir, ich denke, wir gehen gleich an’s Werk,“ wandte er sich an seinen jungen Begleiter, „stellen Sie Ihre Fragen an das Mädchen, und Sie werden ja dann selbst hören.“

„Einen Augenblick, Mr. Osborne,“ sagte sie mit ruhigem Ernste, „wollen Sie mir nicht erst sagen, wer der Gentleman ist, und was von mir verlangt wird? Ich glaube doch diese gewöhnlichste Rücksicht zu verdienen!“

Der Major hob die zusammengezogenen Augen nach ihr, und um seinen Mund zuckte es wie eine herbe Erwiderung, der er nicht gleich Worte zu geben wisse; sein Begleiter aber, dessen Blick schon seit seinem Eintritte Mary’s ganze Erscheinung umfaßt hatte, nickte wie in stiller Befriedigung und sagte mit einem höflichen Lächeln: „Erlauben Sie, Miß, daß ich mich Ihnen selbst vorstelle und Sie zugleich versichere, daß Sie Alles, was Sie jetzt vielleicht befremden mag, schnell klar sehen sollen. Ich bin der Vertheidiger des jungen Mr. Osborne und möchte wissen, wie weit ich auf ihr Zeugniß fußen kann, außerdem aber mir noch einige andere nöthige Fragen erlauben!“

Mary neigte leicht den Kopf. „Es ist Alles recht,“ erwiderte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 677. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_677.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)