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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


König betrachte sie wie verwundert, nahm dann den daneben liegenden Säbel auf, besah die Klinge und sagte nun, wie einem plötzlichen Einfall folgend:

„Das scheint mir Alles wie für einen Mann Seiner Statur gemacht, Frohn – zieh Er’s einmal an, ob’s Ihm paßt!“

Frohn wußte’im ersten Augenblick nicht, ob dies ein Scherz oder ein ernsthaft gemeinter Befehl sei. Aber König Joseph wiederholte in bestimmtem Tone:

„Zieh Er die Uniform an. Ich will sehen, wie sie Ihm steht.“

Dabei wendete er sich ab und schritt in das nächstvorhergehende Zimmer zurück, um den Arcier bei seinem Costüm-Wechsel allein zu lassen.

Frohn säumte nun nicht länger. Er warf den rothen Arcieren von sich, um den blauen Husaren anzuziehen, und nach wenig Minuten war die Umwandlung geschehen. Dann schnallte er den Säbel und die Schlapptasche um, und trat nun in den feinen, knirschenden Tschismen von rothem Saffian vor den seiner harrenden König.

„Das sitzt ja wie angegossen,“ sagte der Letztere, indem sein Blick mit Wohlgefallen über die schöne Mannesgestalt glitt, welche sich in dem reichen Costüm, mit dem goldglänzenden Dolman und dem hohen Kolpak von Bärenfell, vortrefflich ausnahm. „In der That,“ fuhr der König fort, „das Alles steht Ihnen so gut, daß ich will, Sie bleiben in der Uniform …“

„Majestät,“ fiel Frohn freudig erschrocken ein, „es ist die Uniform eines Rittmeisters im Husaren-Regiment König Joseph.“

„Gerade deshalb,“ antwortete der römische König, „habe ich darüber zu bestimmen, oder,“ fuhr er lächelnd fort, „glauben Sie hierbei erst die gütige Erlaubniß Ihres Arcieren-Lieutenants nöthig zu haben, Herr Rittmeister von Frohn?“

„Majestät,“ stammelte Frohn tiefbewegt, „ich weiß nicht, wie …“

„Sie mir danken sollen? Dadurch, daß Sie fortfahren, meine Zufriedenheit allem Andern vorzuziehen, wie Sie es bisher thaten. Ich wünsche einen Mann in meinem Regimente zu haben, auf den ich fest und sicher bauen kann. Uebrigens waren Sie früher bereits zum Rittmeister ernannt, und es ist eine Ungerechtigkeit gegen Sie begangen worden. Ich werde es also auch vor den Avancementslisten und vor den gestrengen Herrn, die über diesen sibyllinischen Büchern wachen, zu rechtfertigen wissen, was ich thue! Zu Ihrer weitern Equipirung behalten Sie den Rappen, den Sie heute ritten, auch für das Uebrige werde ich sorgen.“

Damit hatte der König den Rückweg zu der Gesellschaft im Speisesaale eingeschlagen. Diese schaute betroffen und verwundert auf, als sie statt des rothen Arciers mit Lieutenantsrang den zu einer höheren militärischen Daseinsphase übergegangenen blauen Rittmeister erblickte.

König Joseph wandte sich mit seiner wohllautenden hellen Stimme an die kleine Versammlung:

„Meine Herren,“ sagte er, „ich stelle Ihnen Herrn von Frohn als von mir ernannten Rittmeister in meinem Husaren-Regiment vor. Das Officiercorps desselben wird sich, erwarte ich, zu einem Cameraden Glück wünschen, der diese seine Beförderung ganz allein seiner in den letzten Feldzügen bewiesenen Diensttüchtigkeit verdankt! – Und nun zurück nach Wien, meine Herren.“

Der König ging, Hut und Degen zu nehmen. Der Hofcavalier, der Frohn gestern mit seiner neuen Jagdeinladung so erschreckt hatte, kam vor allen Andern rasch auf diesen zu und reichte ihm die Hand, um ihn zu beglückwünschen.

„Sie sehen, ich habe Ihnen gestern gut gerathen,“ sagte er lächelnd. „Ich bitte mir das nicht zu vergessen, mein Herr Rittmeister von Frohn, falls ich Sie später ’mal daran erinnern sollte, wenn Sie nach diesem ersten Schritte in einer neuen Laufbahn die weiteren gemacht haben werden!“

„Daß ich die machen werde, scheint in der That vorauszusetzen[WS 1],“ dachte Frohn, die dargebotene Rechte schüttelnd, „sonst würde dieser schlaue Herr mich nicht jetzt schon um meine Protection bitten.“

Nach einer guten Stunde ritt der römische König mit seinem Gefolge wieder in die Hofburg ein. Da es Abend geworden, brannten vor dem Portal große Pechflammen. Ihr flackernder Schein ergoß sich über die Wache, die unter das Gewehr getreten war und das Spiel rührte.

Hinter dem arbeitenden Tambour erblickte Frohn eine höchst ominöse Figur drohend aufgepflanzt; es war der Profoß, zwei Stockenknechte mit den blanken Instrumenten des Krummschließens hinter sich.

Der Mann spähte mit finsteren Blicken nach einem schwarzen Arcieren-Flügelrock, auf den seine Ordre lautete. Er sah aber unter den Hofjagd-Uniformen nur einen blauen Husaren-Dolman. Von dem stand nichts in seinem Befehl.



Künstlers Erdenwallen.

Ein Bruchstück aus Mozart’s Leben in Wien.


„Deutsch war sein Lied und deutsch sein Leid,
Sein Leben Kampf mit Noth und Neid;
Der Kampf ist aus! Er flieht den Ort,
Indeß sein Lied tönt ewig fort.“
     Lortzing’s Grabschrift.


Unter all den vielerlei Erscheinungen der Menschenwelt ist die des Künstlers wohl eine der wunderbarsten, Künstler zu sein ist oft ein Segen, oft ein Fluch. Des Künstlers Brust schwellt oft die höchste Seligkeit, die Sterblichen zu fassen vergönnt ist, aber sein Herz zuckt wohl auch krampfhaft unter den Wunden, die ihm die Menschen und das Schicksal schlagen. Seine Lebensaufgabe ist unbedingt die schönste unter allen Lebensaufgaben; sein Streben trägt ihn von allen Erdensöhnen der Sonne des ewigen Lichtes und der ewigen Wahrheit am nächsten. Was erst, „nachdem Jahrtausende verflossen, die alternde Vernunft erfand“, was Andere mühselig sich erringen müssen, liegt von Natur in seinem kindlichen Gemüthe, ist, ein Symbol des Schönen und des Großen, seinem Verstande im voraus offenbart. Was andere Menschenkinder nur von ferne als Schönheit ahnen, enthüllt sich seinem Geistesblick, strahlt ihm in seiner ganzen Fülle entgegen und wird bei ihm zur vollen göttlichen Wahrheit. So ist er „in edler, stolzer Männlichkeit, mit aufgeschloss’nem Sinn, mit Geistesfülle, voll mildem Ernst, in thatenreicher Stille“, wirklich … „der reichste Sohn der Zeit“.

Freilich ruht dieser Reichthum zumeist nur in seiner inneren Welt; freilich verkennt ihn ebendeshalb die äußere so oft und so viel, und schmerzliche Berührungen bleiben deshalb nicht aus. Aber, getragen von den gewaltigen Schwingen einer heiligen Begeisterung, entfleucht er dem Erdenstaube immer wieder, und selbst noch „auf seine Kerkerwand malt Phantasie mit lieblichem Betrug des Paradieses holdes Bild.“

Echtes wahres Künstlerthum, Begeisterung, volle nachhaltige Begeisterung wird freilich nur die Kraft erwecken, die zugleich bewußt den rechten Weg erfaßt! Was ist am Ende die größte Kraft und der blendendste Geist, wenn sie nur selbstgefällig sich zeigen, nur um ihre Achse sich drehen, statt frisch hinaus in das Leben zu treten und segenvoll für die Menschheit zu schaffen; oder wenn sie aus alten ausgetretenen Gleisen dahingehen, statt ihre Zeit und deren Nothschrei recht zu verstehen und der Göttin Wahrheit ewig am Munde zu hangen? Was sind sie? Prächtige Feuerwerke, die in der Luft verprasseln, für den Augenblick weithin leuchten, aber schnell dahingehen; während Sterne, wie Homer, Shakespeare, Schiller, Goethe, Raphael, Michel Angelo, Mozart und Beethoven in ewiger Schönheit am Himmel der Kunst leuchten und strahlen.

Darum eben ist „Künstlers Erdenwallen“ für den denkenden Menschen ein höchst interessanter Gegenstand der Beobachtung; darum wendet man sich immer dem Leben solcher Männer gerne zu, und zwar namentlich wenn der große Künstler auch ein edler, liebenswürdiger Mensch war, wie dies z. B. bei Mozart der Fall war.

Zahlreiche Auszüge aus seinem Leben, Lebensbeschreibungen, Erzählungen, Novellen und Romane bestätigen das Ebengesagte,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: vorauszuzusetzen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_612.jpg&oldid=- (Version vom 28.9.2021)