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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

aufgewühlten schwarzen Erdreich hängen große Flocken gefrornen Schaums. „Na,“ meint der Rüdemann, „gebt mal Acht, der ist kurrig!

In diesem Augenblick werden die Finder in der Ferne wieder laut, und unser Zug setzt sich wieder in Trab. – Der Laut wird stärker und bleibt fortwährend an einer Stelle (Standlaut). „Die rothe Koppel los! Die Stumpfschwänze los!“[1] ruft der Rüdemann, und während wir vorwärts eilen, gleiten die raschen Saufänger in weiten Sätzen uns links und rechts vorbei. – Bei ihrer Ankunft wird’s unten im Thalgrunde lebendig, allein der Lärm bleibt an demselben Platz, und wir hören sogar bald darauf einen Hund „klagen“. Es ist also ohne Zweifel eine wehrhafte Sau, welche sich den Hunden widersetzt. „Los! alle Hunde los!“ heißt es jetzt, alle Hände schnallen und zerren an den Halsungen der vor Kampfbegier laut aufheulenden Hunde, und im nächsten Moment schnaubt die entfesselte Rotte den steilen Berghang hinab, den weichen Schnee hoch hinter sich aufstäubend.

Wir hinterdrein, die Hatzjungen rutschen und purzeln Hals über Kopf den Berg hinunter, um sich die Sache in der Nähe anzusehen, allein sie werden unten von einem erfahrenern Alten mit derben Püffen in Empfang genommen und mit den Worten zurückgewiesen: „Wer kein Geschirre hat, dei bliewe hier wege!“ (Wer keine Waffen hat, bleibe hier fort.)

Das Abfangen einer wehrhaften Sau unter den Hunden.

In einem alten eingefrorenen Wasserlauf zwischen hohen Felsblöcken und weit überhangenden Tannenzweigen hat sich der wüthendste Kampf bereits entsponnen. Ein wirrer Knäuel wälzt sich im rasendsten Durcheinander, es ist unmöglich, die Kämpfenden zu unterscheiden, die in eine Wolke aufstäubenden Schnees gehüllt sind. Ganze Stücken Lehm und gefrornes Erdreich spritzen und fliegen nach allen Seiten umher, und durch den betäubenden Lärm der Hunde hindurch hört man nur das schrille Jucken und Hetzen des Rüdemanns und das dumpfe Brummen des tobenden Keilers.

Untersuchung eines von der Sau geschlagenen Hundes.

Endlich haben die Hunde die Sau „gedeckt“, und im nächsten Moment sitzt der Rüdemann rittlings drauf, packt sie mit der Linken in dem borstigen Nacken und treibt ihr die breite Stahlklinge hinter dem Blatte in die Herzkammer. – Der Keiler klappt noch einmal in ohnmächtiger Wuth das schäumende Gebräch zusammen und sinkt dann langsam, verendet zu Boden. Die Hunde zerren noch an dem Todten, um ihre Wuth zu kühlen, und werden nach und nach mit Hülfe der Peitsche zurückgezogen und aufgekoppelt. – Diejenigen, welche Blessuren erhalten haben, werden sofort genau untersucht, zu welchem Zwecke der Rüdemann oder sein Begleiter jederzeit eine Verbandtasche bei sich führt. Bei den Verwundungen unterscheidet man offene „Schläge“, welche, wenn sie eben keine Arterien durchschnitten haben, meist ungefährlich sind – und die bösartigern „Stiche“ mit kleiner, dreieckiger Oeffnung, welche fast gar nicht schweißen, obwohl sie mitunter tief hinein gehen. – Bei rauhhaarigen Hunden entdeckt man Stiche in der Regel erst dann, wenn sich hier eine dicke Balggeschwulst bildet, welche sofort aufgeschnitten und fortwährend mit Schnee gekühlt werden muß. Auch Quetschungen der Zehen kommen häufig vor. Ist ein Hund unglücklicherweise so verletzt, daß er nicht mehr Theil am Jagen nehmen kann, so wird er durch den Hatzjungen in’s Quartier geschafft, wo er bei guter Pflege und durch das beständige Lecken mit der Zunge sich rasch erholt und curirt. In der Regel sind die Hunde, welche nach einer solchen Attaque am meisten mit Schweiß bedeckt sind, am wenigsten oder gar nicht beschädigt. Wahrhaft komisch aber sieht oft ein weißer Hund aus, wenn er während des Abfangens unter dem Couteau gestanden hat; er ist oft ganz mit dem Schweiße der Sau übergossen, und da dieser in der Kälte sofort gefriert und dann eine merkwürdig intensive Färbung erhält, so erscheint der Hund oft zur Hälfte weiß, zur Hälfte im brennendsten Scharlachroth.

Die todte Sau wird in einer originellen Weise transportirt. Man knüpft ihr einen Strick dicht hinter den obern Gewehren um das Gebräch, das vordere Ende des Strickes wird um zwei „Saufedern“ geschlungen[2], und vier Mann schleifen nun den mächtigen Keiler mühsam bergan. Der Rüdemann ist längst wieder auf und davon, den übrigen Hunden nach. Ein gellendes Quieken verkündet bald darauf, daß eine Bache gefangen ist (der Keiler schreit nicht), und sie verendet eben so rasch unter dem Couteau. Inzwischen belehrt uns das wiederholte Krachen der Büchsen, daß die übrigen Sauen, wahrscheinlich ein ganzes Rudel, die Schützenlinie passirt haben, und es ertönt daher der Ruf zum „Koppeln“ und das Signal: „Hunde zurück!“ Langsam

  1. Je zwei Hunde bilden eine Koppel. Man koppelt gern möglichst gleiche Hunde zusammen und benennt sie dann nach der Farbe, Größe oder sonstigen Kennzeichen. – Der mit einem eisernen Wirbel versehene Riemen, welcher die Halsungen oder Halsbänder der beiden Hunde vereinigt, wird ebenfalls „die Koppel“ genannt.
  2. Saufeder, eine Art Jagdspieß, welcher früher allgemein, jetzt nur noch für etwaige Nothfälle bei den Saujagden geführt wurde.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_588.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)