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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

aus einer angesehenen Familie und ist 35 bis 36 Jahre alt. Er diente in der österreichischen Armee bis zu dem ungarischen Aufstand, dem er sich anschloß. In dem Kriege der Westmächte gegen Rußland trat er in englische Dienste, wurde in Bucharest trotz seiner englischen Uniform von den Oesterreichern gefangen und sollte gehängt werden, erhielt aber durch Einschreiten Englands seine Freiheit wieder. Er kämpfte darauf den Krimkrieg bis zu Ende mit durch, nach dem Frieden ging er zu den Tscherkessen, bis der italienische Krieg ausbrach, der ihn zu Garibaldi führte. Bixio ist eigentlich Seemann, als aber der Ruf zu den Waffen 1848 in Italien ertönte, schloß er sich sofort in Rom Garibaldi an, von dem er sich seitdem nicht mehr getrennt hat. Carini, ein geborner Sicilianer, zeichnete sich bei der letzten Revolution seines Vaterlandes aus, ist außerordentlich tapfer und kam nach einer Verbannung von zwölf Jahren zurück, um von Neuem sein Blut für die Freiheit Italiens zu vergießen.




Ein deutsches Milizheer!

Die Gesammtkosten der deutschen stehenden Heere – Volkswirthschaftliche Nachtheile – Was der orientalische Krieg gekostet – 1663 Millionen jährlich für Soldaten! – Loskauf, Selbstverstümmelung und Auswanderung – Die Gesetzgebung der Hölle – Die drei Systeme der Landesvertheidigung – Das Milizsystem – Was Europa beim Milizsystem erspart – Die vier Artikel der Schweizer Bundesverfassung.


     „So lange zwischen Euren adeligen Officieren und den gemeinen Soldaten eine unübersteigliche Kluft besteht, werden jene auf diese keinen heilsamen Einfluß ausüben können, wird der Gamaschendienst und das Exercir-Reglement jede gesunde Luft paralysiren. Ihr werdet nur freie Männer zum Siege führen, oder Ihr werdet die Sieger nicht geführt haben.“

Prinz Friedrich Karl von Preußen, 
Commandirender des dritten Armee-Corps.

Jeder Gebildete kennt die tiefgewurzelten schweren Gebrechen, welche von den stehenden Heeren unzertrennlich sind. So lange sie bestehen, muß man täglich sie angreifen und auf das Bessere hinweisen. Auch die Gartenlaube darf sich dieser Aufgabe nicht entziehen. Mit Zahlen und Thatsachen wollen wir die tausendfachen Mißstände und Mißbräuche nachweisen.

Schon vor 1854 war der Bestand der stehenden Heere Europa’s 3,705,000 Mann zu Lande, 219,500 Mann auf den Flotten. Von dieser Masse (jetzt etwa 4 Mill.) befindet sich jeweilen nur die kleinere Hälfte im Urlaub. Außerdem sind noch 1,762,000 Milizen und milizartige Truppen in Anschlag zu bringen. Der gesammte Staatsaufwand betrug damals in Europa ungefähr 1815 Mill. Thlr. preuß., sodaß bei einer Bevölkerung von 267 Mill. ungefähr 34 Thlr. auf die Familie kamen. Ziemlich ein Drittel aller Ausgaben, nämlich fast 587 Mill. Thlr., oder fast 11 Thlr. auf die Familie, wurde von den eigentlich militärischen Zwecken verschlungen. Gegenwärtig sind die Gesammtkosten der Land- und Seemacht schon auf 670 Mill. Thlr. angewachsen, wohlverstanden, für den Friedensfuß! Die Rechnung stellt sich aber noch ganz anders, wenn wir die unmittelbaren volkswirthschaftlichen Nachtheile der unproductiven ständigen Bewaffnung in’s Auge fassen. Der schwerste dieser Nachtheile ist das Arbeitsversäumniß der Mannschaft. Rechnet man als Arbeitslohn im kräftigsten Alter blos 10 Sgr. und 300 Arbeitstage, so beträgt (bei 2 Mill. unter dem Gewehr stehender Soldaten und bei 400,000 Pferden) der jährliche Verlust an 240 Mill. Thlr., wozu noch der Arbeitsverlust der Milizen mit ungefähr 6 Mill. Thlr. tritt. In zweiter Linie stehen noch andere Nachtheile, als Einquartierungslasten, Zulagen der Familien an ihre dienenden Angehörigen, Stellvertretungssummen, Selbstausgaben der Milizen, außerordentliche Mobilisirungen im Frieden etc. Die Kosten für alles dergleichen können auf 107 Mill. Thlr. veranschlagt werden. Demnach ergibt sich, mit jenen 670 Mill. zusammen, gegenwärtig ein jährlicher Gesamtaufwand Europa’s für den Krieg im Frieden bis zu der ungeheuren Summe von 1023 Mill. Thlr., oder 19 Thlr. auf die Familie.

Eine ganze Reihe mittelbarer volkswirthschaftlicher Nachtheile läßt sich gar nicht in Zahlen ausbringen, berührt aber gleichfalls die wichtigsten Interessen der Gesellschaft. Dahin gehören: Ungleichheit in der Vertheilung der Militär- und Abgabenlasten, Abdrängung der Industrie auf unnatürliche Bahnen, Verkümmerung des freien Verkehrs unter den Völkern („Freihandel und Militärherrschaft schließen einander gegenseitig aus“), Bedrückung der arbeitenden Classen, Beförderung der Verarmung. So ist denn aus dem Wehrstand ein böser Zehrstand geworden und eine wahre Landplage für den Nähr- und Lehrstand. Würde der Druck der Militärlasten beseitigt und andererseits die Freiheit der Arbeit und des Erwerbs anerkannt, so wäre damit die sociale Frage fast gelöst. Gegenüber den Militärstaaten sind die Schweiz und die Vereinigten Staaten die beredtesten Zeugen; bei stehenden Heeren hätten sie sicherlich nicht die jetzige Stufe ihres Wohlstandes erreicht. Ihnen zunächst steht England, wo wenigstens nur Geworbene dienen.

Blicken wir nun auf die den Truppen selbst erwachsenden Nachtheile, so fällt uns eine erschreckende Menschenverschwendung in die Augen. Die Conscription wirkt verheerender als Pest und Cholera. Ungesunde Lebensweise, Zusammenpfropfung in Casernen, körperliche Überanstrengung und Aufreibung führt häufige Erkrankung herbei und rafft viele Leute fort, besonders die der Einreihung nicht entgangenen Schwächlichen und Untauglichen.

Die Sterblichkeit unter den Soldaten ist sogar im Frieden um die Hälfte größer, oft doppelt so groß, als bei der übrigen Bevölkerung, obgleich sie den eigentlichen Nahrungssorgen entrückt sind und ursprünglich doch meist nur die Kräftigern zum Dienst genommen werden. Im Kriege vollends werden durch Krankheiten weit mehr Soldaten getödtet, als durch feindliche Waffen. Am günstigsten ist das Sterblichkeitsverhältniß noch in Preußen, wegen der kurzen Dienstzeit. Frankreich dagegen verliert im Frieden jährlich etwa zwei Soldaten auf einen Bürgerlichen, und Rußland gar begräbt jedes Jahr 40 bis 50,000 Opfer des bewaffneten Friedens. Nicht selten auch treibt die Verzweiflung den Soldaten zum Selbstmord.

Kann man sich noch wundern, daß allenthalben die Klagen über zunehmende physische Verschlechterung der Bevölkerung immer lauter werden? Auch hierin, wie in vielen andern Gebrechen, schreitet Frankreich „an der Spitze der Civilisation“. Das Militärmaß mußte wiederholt herabgesetzt werden. Die immer geringer werdende Zahl der Dienstfähigen beträgt in Frankreich kaum noch 50 Procent. Die Schweiz dagegen weist 75 Procent auf; sie hat 316,500 Dienstfähige von 20 bis 44 Jahren, und 450,000 von 18 bis 59 Jahren.

Bei den Ausgedienten ist die Arbeitsfähigkeit und Arbeitslust oft geschwächt oder verloren; sie wurden ja der besten und schönsten Jugendjahre beraubt, ohne irgend entsprechende Vergütung. Für die vollständige Unfreiheit und den stündlichen Zwang wird der „weiße Mann“ in zweierlei Tuch mit dürftiger Nahrung und kümmerlichem Sold abgefunden. Trotz aller Abschaffung der Frohnen legt ihm der Staat eine Steuer auf und übt fortdauernd Eigenthumsraub, indem er ihn für seine Leistungen durchaus nicht angemessen entschädigt. Die Kosten der Stellvertretung geben den Maßstab der Summen ab, welche die Regierungen jährlich ihren Heeren schuldig bleiben. Ein Stellvertreter in Friedenszeit kommt, sehr gering gerechnet, auf 55 Thlr. zu stehen. Es kommen demnach 3 Millionen stehender Soldaten jährlich um 165 Mill. Thlr. Im Kriege, der den Marktpreis der militärischen Dienste verdoppelt, wird jeder Soldat um etwa 110 Thlr. jährlich verkürzt.

Wenn die ständige Bewaffnung schon im Frieden ein Krebsschaden ist, so erreicht der Unverstand im Kriege seinen Gipfel. Alsdann ist die wirthschaftliche und sittliche Verwüstung bei Siegern und Besiegten schrankenlos. Ein frisches Beispiel, um sich von dem Kriegsschaden eine ungefähre Vorstellung zu machen, bietet der letzte orientalische Krieg. Er wüthete 28 Monate, um fast ohne irgend ein Ergebniß zu enden. In seiner Bilanz ist das Haben Null, das Soll folgendes. Es gingen zu Grunde: 1/2 Mill. Soldaten und 1/4 Mill. bürgerlicher Bevölkerung; dieser Verlust beträgt capitalisirt 427 Mill. Thlr. Zerstörungen und Opfer aller Art dürfen mindestens auf 266 Mill. Thlr. veranschlagt werden.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 566. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_566.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)