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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

verwendet sie mit Kalk zum Aufbau des Skeletts. Nur bei reichlicher Phosphorzufuhr kann reichliche Knochenbildung erfolgen. Dies ist die große Bedeutsamkeit des Phosphors für vegetabiles und animales Leben. Aller Phosphor wird aus Knochen gewonnen. Hier sehen wir, wie die Natur uns die leichte Gewinnung dieses Stoffes ermöglicht. Freilich könnten wir auch aus der Ackererde Phosphor gewinnen, aber bei dem geringen Inhalt derselben müßten wir außerordentlich große Mengen in Arbeit nehmen, um nur namhafte Mengen Phosphor zu gewinnen; dabei würde der Preis des Phosphors ein so hoher sein, daß von Verwendung in der Technik nicht viel die Rede sein könnte. Die Knochen aber enthalten reichlich 50% phosphorsauren Kalk, diesen erhält man fast rein, wenn man die Knochen brennt. Durch Schwefelsäure wird dann die Phosphorsäure abgeschieden, indem sich der Kalk mit der Schwefelsäure zu Gyps vereinigt. Die gewonnene Phosphorsäure trocknet man mit Kohle ein und erhitzt sie stark. Oxydationsproducte der Kohle und Phosphor sind Producte der in Destillationsgefäßen vorgenommenen Erhitzung. Der Sauerstoff der Phosphorsäure ist an die Kohle gegangen, die Phosphorsäure ist reducirt, der Phosphor destillirt über. Den so gewonnenen reinigt man, indem man ihn geschmolzen durch Ziegenleder preßt. In Stangen gegossen wird er in den Handel gebracht.




Blätter und Blüthen.


Englische Versicherungs-Gesellschaft gegen Unglücksfälle. In England gibt’s für alles mögliche Gute und gegen alle denkbaren Uebel Compagnien. Nichts ist so ausgebildet, als das Versicherungs-Wesen und Unwesen. Man kann eben alles Mögliche, was den Zufällen des Lebens unterworfen ist, versichern, sein eigenes und Anderer Leben, seine und Anderer körperliche Gliedmaßen gegen Bruch und sonstige Verletzung, Güter und Waaren zu Lande und zu Wasser. Das ist im Allgemeinen bekannt, aber es wird Manchem lehrreich und unterhaltend erscheinen, einer solchen Compagnie einmal näher ins Geschäft zu blicken. Da liegt ein Jahresbericht von der „Accidental-Tod-Versicherungs-Compagnie“ vor uns, welche nicht nur Versicherungen gegen Tod durch Zu- und Unglücksfall annimmt, sondern auch gegen alle sonstigen Unglücksfälle, die von der leichtesten Verletzung des kleinen Fingers anfangen. Die Compagnie bezahlt den Versicherten, wenn er sich den Fuß verrenkt oder zufällig auf die Nase fällt, wenn ihn irgend jemand oder ein Etwas schlägt, stößt, quetscht oder sonst realinjurirt. Reisende zu Wasser und zu Lande, zu Pferde oder zu Fuße, in allen Theilen der Welt haben für einen jährlichen Beitrag die Gewißheit, daß ihnen durchaus nichts passiren kann, ohne daß sie dafür von der Compagnie entschädigt werden. Die Summe hängt natürlich von der Einlage und dem speciellen Uebereinkommen mit der Compagnie ab. Je nach diesem Uebereinkommen bekommt der Versicherte nach einem Unglücksfalle so lange, bis dessen Folgen beseitigt sind, von 10 Schillinge bis 12 Pfund wöchentlich. Auch stellt sie Gesundheits-Policen überhaupt aus und zahlt entsprechend, so bald und so lange der Gesundheitszustand des Versicherten irgendwie gestört ist. Die Versicherten sind je nach den Gefahren, welchen sie durch ihre Berufsarbeiten ausgesetzt sind, in Classen eingetheilt. Dach- und Schieferdecker müssen also natürlich bedeutend mehr für den Fall eines Unglücks oder Todesfalls zahlen, als der Held der Feder am Schreibtische. Alle die Glücklichen, die nicht mit schweren, schneidenden oder stechenden Werkzeugen und in sicheren Räumen arbeiten oder Muße pflegen, sind die Herrschaften „erster Classe“ für die Compagnie. Gefahr des Ortes oder bei der Arbeit bedingt zweite Classe, und besonders gefährliche Situationen bei täglicher Arbeit, Kutscher und Fuhrleute, Personen auf Schiffen und bei Dampfmaschinen angestellt, dritte Classe. Beispielsweise führen wir an, daß 1000 Pfund für die Ueberlebenden nach dem Todesfalle des Versicherten oder 6 Pfund wöchentlich für ihn nach einem Unglücksfalle, der ihn arbeitsunfähig macht, mit 2, 3, 4 und 5 Pfund (also in Classen) gesichert werden. Im Jahre 1859 versicherten sich gegen 5000 Personen, die mit den schon Versicherten im Ganzen über 41,000 Pfund zahlten. Ueber 1500 Personen erhielten für Unglücksfälle der verschiedensten Art 130,000 Pfund Prämie. Das Verzeichniß dieser Unglücksfälle und der dafür bezahlten Prämien enthält manchen interessanten Posten. Wir führen einige an. Ein Mann in Hull erhielt 4 Pfund für eine verstauchte Hand, ein Anderer in Towcester 28 Pfund für eine umgeworfene Chaise. In Bedford stürzte Jemand für eine Prämie von 36 Pfund vom Pferde, und ein Student in Oxford ließ sich für 20 Pfund von einem Pferde schlagen. Ein verletztes Bein erhielt 9 Pfund 10 Schillinge Schmerzensgelder, und in Sandbeech tröstete man einen Versicherten mit 6 Pfund für den Biß eines Schweines. Schnitte in einen Finger floriren mit Prämien von 10 Schillingen bis 10 Pfund. Die Treppe heruntergefallen: 12 Pfund 3 Schillinge. Viele hundert Unglücksfälle mit Pferden, noch mehr mit Wagen und Pferden, so daß auch bier die Thatsache bestätigt wird, die Manchem neu und schwer glaublich erscheinen wird, nämlich daß viel mehr Menschen mit Pferden und Fuhrwerken verunglücken, als auf Eisenbahnen und auf dem Meere.

Nächstdem fallen die meisten Prämien auf Verwundungen und Verletzungen durch Dampfmaschinen und glühende Eisenstücke. In Abington fiel Jemand in einen Brunnen für 17 und in Tewksbury ein Anderer von der Korn-Börse für 80 Pfund. Die meisten Menschen, welche in England fallen, verdanken dies schlüpfrigen Apfelsinenschalen, mit denen sich vom Herbst bis zum Sommer jedes Jahres alle Tage die Straßen füllen, da eben Jeder gelegentlich jeden Tag Apfelsinen auf der Straße verzehrt. Die mächtige freie Presse hat schon oft ihre Klagen gegen dieses öffentliche Uebel laut werden lassen, aber vergebens; die Freiheit, Apfelsinen zu essen und die Schalen nach Belieben Anderen vor die Füße, gelegentlich ins Gesicht zu werfen, ist mächtiger. Kein Wunder, daß „Fälle über Apfelsinenschalen“ bedeutend in dem Verzeichnisse floriren, mit 3 bis 10 Pfund Prämie. Stoß einer Kuh 1, eines Bullochsen 7 Pfund. Fall von einer Fußbank 4 Pfund. Fall von einem Wagen 150 Pfund. Viele durchgegangene Pferde, wofür die allerverschiedensten Summen gezahlt wurden. Eine geplatzte Bierflasche verschaffte dem Versicherten beinahe 2 Pfund. Für ein unwillkürliches Bad im Meere bekam der Seemann, „über Bord gewaschen“, 1 Pfund 10 Schillinge. Ein Mann, der sich unglücklicherweise in den Finger schnitt, ward dafür mit 8 Pfund belohnt.

Man sieht aus diesen wenigen Fällen, was dem Menschen Alles passiren kann, ohne sich die Schuld zuzuschreiben. Da nun gleichwohl Gesellschaft und Staat für solche feindliche Eingriffe böser Kräfte von außen nicht aufkommen, ist es gut, daß die Menschen selbst durch eigenes Zusammenwirken in Form von Compagnien sich einander dafür entschädigen. Allerdings sind viele der Versicherten so unglücklich, nie von Unglücksfällen betroffen zu werden, sodaß sie, wie es scheint, für ihr Geld nie etwas bekcmmen. Aber das scheint auch blos der Kurzsichtigkeit und dem groben Egoismus so. Der Versicherte trägt für sein Geld stets das Bewußtsein mit sich, daß das Unglück ihn nicht so leicht ganz hülf- und brodlos machen, ihn und die Seinigen nicht in noch viel größeres Unglück stürzen kann. Und dann hat es wenigstens für den nobleren Menschen immer etwas Erfreuliches, zu wissen, daß er freiwillig mit Tausenden unbekannter Collegen gemeinschaftlich dazu beiträgt, seinen Nebenmenschen die Furcht vor den Unglücksfällen des Lebens zu lindern und die wirklich Betroffenen mit zu unterstützen und zu trösten. Staat und Gesellschaft werden nicht eher frei und wirklich menschlich werden, als bis sie sich in freie Associationen und Versicherungs-Institute verwandelt und erhoben haben.



Schach.
Aufgabe Nr. 4.

Von einem italienischen Meister.
Schwarz.

Weiß.
Matt in vier Zügen.


Lösung von Aufgabe Nr. 2.

In der Stellung von Weiß: K b 4. D g 5. S c 1, g 6. Schwarz: K d 4. T d 1. S a 4. B e 4 wird das verlangte Matt in vier Zügen durch 1. D e 5 † K e 3. 2. D f 4 † K d 4. 3. D g 5 eingeleitet; Schwarz ist nun am Zuge, und was er auch ziehen mag, Weiß kann im nächsten Zuge Matt geben.



Bei Ernst Keil in Leipzig ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Ausgewählte Romane und Novellen
von Ludwig Storch.
19 Bände mit L. Storch’s Bildniß. Preis à Band 71/2 Ngr.

Inhalt der Bände: 1. Börwens Haus. – 2. Der Glockengießer. – 3–5. Kunz von Kauffungen. – 6. Der Waldmeister. – 7–9. Die Heideschenke. – 10. Der Stockfischfang. – 11-13. Der Freibeuter. – 14. Madeira. – 15–16. Die Königsbraut. – 17. Für stille Abende. (Prinz von Viana. – Zwei Verzweifelte. – Selbstaufopferung.) – 18. Für stille Abende. (Geistererscheinung. – Stelldichein.) – 19. Orestes der Galeerensklave.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_528.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)