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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

waren. Man brachte sie nach Braunschweig, an 600 Mann; deutsche Officiere verurtheilten sie, meist zur Galeere, viele zum Tode. Die elf gefangenen Officiere indessen wurden nach Wesel geschafft und als „zur Bande von Schill“ gehörig am 16. September vor ein französisches Kriegsgericht gestellt und laut eines Gesetzes aus der Revolutionszeit wegen Diebstahls mit Einbruch oder Straßenraub zum Tode verurtheilt. Noch am selben Vormittag wurden diese elf Helden, von denen nur einer das dreißigste Jahr überschritten hatte, auf einer Wiese bei Wesel erschossen. Es waren zwei Brüder von Wedell[1], der eine zwanzig, der andere dreiundzwanzig Jahr alt, ein Herr von Keller, Jahn, Gabain, von Flemming, von Kessenbringk, von Trachenberg und drei von Schill zu Officieren ernannte junge Leute aus Berlin, Schmidt, Felgentreu und Galle. Zwei und zwei zusammengebunden gingen sie dem Tode muthvoll entgegen; sie brachten ihrem Könige noch ein Hoch aus, dann commandirten sie selber Feuer! Nur Einen hatten die Kugeln nicht getödtet; er riß sein Kleid auf und rief, auf sein Herz deutend: „Hierher, Grenadiere!“ Und sie schossen ihn in’s Herz. Es war Blut der Märtyrer, das hier floß, und ein Same erstand daraus, ein Haß gegen das napoleonische Regiment, durch den vor Allem der Thron des Usurpators zertrümmert wurde. Sie hatten für’s Vaterland, für die Freiheit gefochten, muthig ihr Leben dafür hingegeben; das war ein Beispiel, welches nicht ohne Früchte blieb und den Heldenmuth der Schill’schen Schaar frisch im Gedächtniß Aller erhielt, mit sammt dem Haß gegen deren Rächer, mit sammt der Hoffnung auf Befreiung Deutschlands. Max von Schenkendorf, als er Schill’s Tod besang, weissagte diese Stunde:

Tag des Volkes! Du wirst tagen,
Den ich eben feiern will,
Und mein freies Volk wird sagen:
„Ruh in Frieden, treuer Schill!“

Schill’s Leichnam wurde in Stralsund begraben, man weiß nicht wo. Man hatte das Haupt vom Rumpf getrennt und in Weingeist nach Cassel gesandt, damit sich König Jerome „lustick“ darüber mache. Nachdem Se. westphälische Majestät dies gethan, schenkte er den Kopf des „Räubers“ dem Naturforscher Brugmans in Leyden, und dieser ließ ihn im naturhistorischen Museum unter Ungeheuern und Mißgeburten in einem Glase aufbewahren. Umsonst hatte der wackere Nettelbeck im J. 1820 Hardenberg gebeten, die Auslieferung dieser patriotischen Reliquie zu erwirken; vergeblich hatten sich andere Freunde des Helden deshalb verwandt – erst am 24. September 1837 wurde dieser patriotische Wunsch erfüllt, nachdem zwei Jahre zuvor schon, am 31. März 1835, die preußische Armee den zu Wesel Erschossenen ein Denkmal errichtet hatte. Ferdinand von Schill’s Haupt wurde feierlich bei seinen gemordeten Waffengefährten zu Braunschweig beigesetzt. [2]



     Soeben wird nachfolgender Aufruf erlassen:

Aufruf
zu Beiträgen für
ein Denkmal auf dem Grabe Schill’s.
„Ihm ward kein Stein zum Gedächtniß gestellt!“

So sang klagend der ehrwürdige selige Arndt schon vor 47 Jahren, und – bis heut hat Deutschland dem Vorkämpfer für seine Freiheit, dem Bahnbrecher der Heldenzeit von 1813-1815 die Ehrenschuld nicht abgetragen. Bei der würdigen halbhundertjährigen Gedächtnißfeier seines Todes am 31. Mai 1859 zu Stralsund ward der Wunsch für ein Grabdenkmal Schill’s wieder rege; die Unterzeichneten traten freudig zu einem Ausschusse für Errichtung eines solchen Denkmals zusammen. Durch den Reinertrag einer kleinen Schrift („Ferdinand von Schill und die halbhundertjährige Gedächtnißfeier seines Todes in Stralsund. Mit Beilagen“) und durch sonstige Gaben sind zwar bereits über 100 Thaler eingekommen, worüber in Nr. 25 der hiesigen Zeitung Rechenschaft gelegt worden; soll aber das beabsichtigte Grabdenkmal einigermaßen ein würdiges werden, so sind noch 500 bis 600 Thaler erforderlich. Daher die vertrauungsvolle dringende Bitte an alle Vaterlandsfreunde, uns für den edeln Zweck Beiträge zukommen zu lassen.

Die Redactionen der deutschen Zeitungen werden die Güte haben, die eingebenden Beiträge gefälligst entgegenzunehmen und uns zukommen zu lassen. Jeder der Unterzeichneten ist gleichfalls bereit, Beiträge, namentlich durch Privatsammlungen zusammengebrachte, anzunehmen. Sowohl über diese Gaben, wie über das Denkmal selbst soll seiner Zeit Bericht erstattet werden.

Der nun verewigte E. M. Arndt hat sich stets, selbst noch in seinem letzten Lebensjahre, für Ferdinand von Schill verwandt. Ein Denkmal für denselben ist gleichsam ein Vermächtniß für den treuen Arndt. Das letzte seiner Gedichte (Ende Januar 1859 verfaßt) war der Gedächtnißfeier des von ihm hochverehrten Helden gewidmet. Wir schließen unsere Aufforderung mit der sechsten Strophe dieses Gedichtes:

„Ja, als die Wucht von Schanden
Den Nacken Deutschlands bog,
Ist Einer aufgestanden,
Der stolz den Degen zog.
Als Viele wie Memmen erblichen
Und kuschten feig und still,
Ist Er nicht ausgewichen:
Sein Name klinget Schill!

Stralsund, im Julimonat 1860.

Francke, Rathsherr. v. Haselberg, Stadtbaumeister. Lübke, Stadtbaumeister. Dr. Zober, Professor.




Garibaldi in Palermo.
Aus zwei Briefen eines deutschen Malers im Garibaldi’schen Freicorps.

Ja, auch ich habe mich den Garibaldi’schen Streitern angeschlossen und längst Pinsel und Palette und die öligen Farben-Päckchen im alten, verfallenen Rom weggeworfen. Ich kenne wenigstens 150 Deutsche aus allen möglichen Ständen und Gegenden, die sich neben Russen und Engländern, Franzosen und Ungarn, Polen und Griechen als italienische Freischaaren unter dem bezauberten und bezaubernden Commando-Stabe unseres Oberhauptes geltend zu machen suchen. Die schweizerischen Söldner, die die Ersten waren, die Fahnen ihres „Brodherrn“ zu verlassen und zu uns zu fliehen, zähle ich gar nicht mit. Sie werden aber mit uns fechten, d. h. gegen Schweizer, gegen Landsleute, die „drüben“ blieben. Schweizer im Lager der Legitimität und Schweizer im Lager der Revolution, Beide gegen gleich baare Bezahlung – eine hübsche Moral, die darin liegt! Die Fürsten können daraus sehen, daß Freiheit mit denselben Mitteln gefördert werden kann, mit denen diese Bourbonen bis dahin den vollendetsten Despotismus, die Inquisition und Gerichtsverfahren mit der raffinirtesten Tortur aufrecht erhielten. Auch der stupideste, religiöse Fanatismus, der Wunderglaube und alle die Früchte der polizeilichen Priesterherrschaft, unter der die Sicilianer zu treuen Unterthanen ihres göttlichen Königs erzogen wurden, alle diese Mittel des Despotismus haben sich jetzt gegen ihn bewaffnet. Jetzt ist ihnen Garibaldi der Heilige. Sie schwören darauf, daß mit seiner Ankunft auf Sicilien die heilige Mutter Gottes und Jungfrau vom Himmel herabstieg und ihn unverwundbarer machte, wie einst eine heidnische Göttin den Achilles, der wenigstens seine schwache Ferse behielt. Die Sicilianer würden den als Ketzer behandeln, der von einer Achilles-Ferse Garibaldi’s spräche. Und doch hat er eine: er ist ein tüchtiger Haudegen von Stahl und Eisen, von diamantener muthiger Ausdauer, aber wegen der Ehrlichkeit und Gradheit seines Wesens schwach als Diplomat. Ja, so weit sind wir in der Diplomatie gekommen, daß die herrlichsten Mannestugenden in ihrem Kreise zur Schwäche, zum Verbrechen werden.

Wie göttlich er aber hier verehrt wird, zeigte sich niemals glänzender, rührender, volksthümlicher, als am 2. Juli, dem Feste der heiligen Rosalia, der Schutzpatronin Palermo’s. Ihre Klosterkirche

  1. Ein dritter Bruder, Heinrich von Wedell, der bei Dodendorf gefangen worden, wurde zur Galeere verurtheilt und schmachtete vier Jahre in dem gräßlichen Bagno. Nachdem er durch den Sturz Napoleon’s, wie so viele andere seiner Schill’schen Schicksalsgenossen, seine Freiheit wiedererhalten, trat er in preußische Dienste und bekleidete noch vor Kurzem als General die Gouverneurstelle in Luxemburg. So viel wir wissen, lebt dieser ehemalige Schill’sche Officier noch.
  2. Soeben wird nachfolgender Aufruf erlassen: Aufruf zu Beiträgen für ein Denkmal auf dem Grabe Schill’s
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_492.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)