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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Die Kraft, die jene Thiere erschuf, hat auf das Wunderbarste in ihrer kunstvollen Bildung auf jedes ihrer Bedürfnisse Rücksicht genommen, und dürfen wir da glauben, daß sie dieselben nicht auch gleich der Stelle zugetheilt hätte, auf der sie später hausen – auf der in vielen Fällen sie nur allein existiren konnten? Wie wäre im anderen Fall – von den übrigen Thieren gar nicht zu reden – ein Tiger z. B. aus dem Paradies nach Süd-Amerika gekommen? Zu Wasser sicher nicht, und zu Land hätte er die Eisregion durchwandern und die Behringsstraße durchschwimmen müssen. Die Kraft aber, die einen Elephanten und Tiger, einen Eisbär und Walfisch, ein Känguruh und einen Strauß schuf, die ein Kameel in die Wüste, eine Gemse auf die zackigen Grate der Alpen, ein Flußpferd in die Moräste Afrika’s setzte, war auch im Stande den Menschen dort zu erschaffen, wo er sich eben heimisch fühlen konnte. Im anderen Fall müßten wir außerdem annehmen, daß alle jene entlegenen Welttheile Jahrtausende lang ihre für das Menschengeschlecht so werthvollen Gaben nutzlos getragen und vergeudet hätten, ehe sie zufällig von ein oder dem anderen Wanderer entdeckt und langsam bevölkert wären.

Weit natürlicher und ihrem Zweck entsprechend stellt sich uns aber die Bevölkerung des Erdballs dar, wenn wir verschiedene Centralstellen annehmen, deren Beweis wir auch in der verschiedenen Körperbildung und Farbe, wie in der ganzen geographischen Eintheilung der Erdkugel finden. Die Frage ist nur jetzt, wie viele solcher Centralstellen bestanden haben müssen, und hierin gibt uns unsere jetzige Kenntniß des Erdballs den besten und sichersten Anhaltspunkt, indem sie uns lehrt, daß wir mit gutem Gewissen wenigstens fünf annehmen dürfen. Schon Cuvier erkennt keine malayische Race an und theilt das Menschengeschlecht in Kaukasier, Mongolen und Aethiopier – die amerikanische Race als eine Unterabtheilung der Mongolen, die Malayen als eine eben solche der Kaukasier betrachtend. Er wie Blumenbach gehen über die australische Race flüchtig weg, indem sie jene Stämme als Mischlingsrace von Malayen und Aethiopiern abfertigen – aber sie haben Beide darin Unrecht.

Die malayische Race kann vor allen Dingen gar kein Haupt- oder Urstamm sein. Sie hat überhaupt in der Geschichte keinen Anhaltspunkt, keine eigentliche Heimath, und nur Vermuthung ist es, daß sie von Sumatra stamme. Viel wahrscheinlicher bleibt es dagegen, daß sie ihre Entstehung dem ersten Seeverkehr zwischen mongolischen und kaukasischen Stämmen verdankt, und bis auf den heutigen Tag sind die Malayen ein unternehmendes, seefahrendes, aber auch vollkommen unstätes und wanderlustiges Volk geblieben, das sich auf fast allen Inseln des ostindischen Archipels, wie an allen Küsten festsetzte und die dort vorgefundenen Eingeborenen in’s Innere jagte. So finden wir auf Borneo, Luzon, Sumatra, Java und wie die Inseln alle heißen, verschiedene Völker im Inneren, wie an der Küste, so verschieden in der That, daß sie sogar in ihrer Sprache nicht die geringste Aehnlichkeit haben.

Die Küstenbewohner, wenn sie nicht das unvermischte Gepräge des Stammes tragen, den wir nun einmal Malayen nennen, tragen jedenfalls deutlich ihre malayische Abstammung. Die alten Stämme aber, die in die Berge flüchteten, als die Eroberer ihre Küsten überschwemmten, werden von ihnen Orang Gunung oder Bergmenschen genannt. Es ist allerdings immer eine mißliche Sache, Autoritäten wie Cuvier und Blumenbach gegenüber eine eigene Meinung zu haben. Nach dem aber, was ich selber von der Welt gesehen, hat sich mir die Ueberzeugung aufgedrängt, daß beide Naturforscher die australischen Eingeborenen wie das australische Land nicht gründlich genug kannten, wenn sie jenen Stamm als eine Mischlingsrace von Aethiopiern und Malayen bezeichneten. Ich meinestheils halte die Australier, so gut wie die Kaukasier und Aethiopier, für einen ganz entschieden echten Urstamm, wie denn Australien jedenfalls einen jener Centralpunkte bildet, der seine eigenen Exemplare von Thier- und Pflanzenarten für sich bekommen hat, und dem wir nicht den geringsten Grund haben die Menschen abzusprechen.

Wichtig ist hierbei, vor allen Dingen eine falsche geographische Eintheilung zu berichtigen, die noch in manchen Schulen und auf vielen, selbst neueren Landkarten ihre Vertreter wie Unterstützung findet. Ich meine die Eintheilung, welche, als fünften Welttheil unter dem Namen Australien oder Oceanien, das eigentliche Neu-Holland mit sämmtlichen Inseln der Südsee und Neu-Seeland, oft sogar mit einem Theil des ostindischen Archipels zusammenwirft und ihm, der Bequemlichkeit wegen, den Namen Oceanien gibt. Diese Zusammenlegung ist vollkommen falsch, und die Engländer, mit der Natur jener einzelnen Inseln aus eigener Anschauung bekannt und vertraut, rechnen schon seit langen Jahren sämmtliche Südsee-Inseln – selbst Neu-Seeland nicht ausgeschlossen – zu einem besonderen und sechsten Welttheil, den sie Polynesien nennen.

Zu Australien oder Neu-Holland (der Name Australasia, der auch vorkommt, ist ein Unding, und etwa gerade so, als ob ich sagen wollte Amerikanisch-Europa) kann nur Van-Diemensland gezählt werden und vielleicht noch die Süd-Küste von Neu-Guinea; aber selbst Neu-Guinea gehört schon weit mehr dem ostindischen Archipel wie Australien an, und dieser ostindische Archipel, wie auch die Inseln des stillen Meeres, ist an Menschen, Thieren und Pflanzen von Australien so verschieden, wie Europa von Afrika. Mit Australien haben diese Inseln alle auch nicht die geringste Aehnlichkeit, und Australien bildet deshalb für sich ein eigenes, selbstständiges Land – mit einem Wort einen eigenen Welttheil und einen jener Centralpunkte unserer Erdkugel.

Um nun wieder auf die Eingeborenen Australiens zurückzukommen, so hat man sich bis jetzt außerordentlich wenig Mühe gegeben, ihre Abstammung zu ergründen. Die verschiedenen Naturforscher sagten: Der australische Eingeborene hat eine schwarze Hautfarbe und weiches lockiges Haar – folglich stammt er von Malayen und Aethiopiern ab. – Folglich stammt er aber, gerade aus diesem Grund, nicht von diesen beiden Völkern ab, denn alle Nachkommen der äthiopischen Race, wenn sie sich nicht wenigstens dreifach mit einer anderen gemischt hatten, haben das mehr oder weniger wollige Haar, haben jene bestimmten Zeichen an den Fingernägeln, haben die sammetartige Haut, vorstehende Backen und aufgeworfene Lippen – was Alles dem Australier fehlt.

Eine Mischlingsrace von Aethiopiern und Malayen haben wir an der Ostküste Madagaskars, aber es ist noch Niemandem eingefallen zu behaupten, daß zwischen den Malegassen und australischen Schwarzen auch nur die geringste Aehnlichkeit herrsche. Doch wir brauchen wahrlich nicht bis Madagaskar zu gehen, um den Beweis zu finden, daß die Aethiopier Australien nicht bevölkerten. Ja ich bezweifle sogar, daß je ein Neger seinen Fuß auf australischen Boden setzte, bis in neuerer Zeit Einzelne auf Schiffen der Weißen dorthin gebracht wurden.

Die Aethiopier sind überhaupt kein Volksstamm, der sich weit über die See hinüber ausgebreitet hätte, und nur die unmittelbar in der Nähe des afrikanischen Continents liegenden Inseln, wie Madagaskar, die Comoren, die Inseln des grünen Vorgebirgs und einige andere, wurden von ihnen erreicht. hätten sie aber weite Seereisen gen Osten unternommen, so brachte sie der günstige Monsuhn viel leichter zu den schönen Inseln des ostindischen Archipels. Dort finden wir jedoch keine Spur von ihnen, und das soviel weiter entlegene Australien mit seinen dürren Sandwüsten und wasserarmen Küsten – gerade am trostlosesten im Norden und Westen – sollten sie so bevölkert haben, daß jede Spur eines anderen Stammes verwischt wäre? Es ist das nicht gut zu glauben, und mit einem Wort nicht wahr.

Die Bewohner von Sumbaya, Timor wie der kleineren benachbarten Inseln des ostindischen Archipels besuchen allerdings im günstigen Monsuhn die australische Nordküste, um in der außerordentlich fischreichen Torresstraße dem Fischfang obzuliegen. Sie vermeiden aber so viel als möglich den Continent selber, der vielen dort hausenden bösartigen Stämme wegen, und halten sich auf den kleinen, durch jenen klippenreichen Canal zerstreuten Inseln auf. Trotzdem aber, daß sie alljährlich diese Reise machen, hat sie das öde, heiße, wasserarme Land noch nie verleiten können, sich dort niederzulassen, und daß sie mit den australischen Wilden in gar keiner Berührung stehen, dafür gibt schon die Thatsache den sichersten Beweis, daß die Letzteren nichts in ihrem Besitz haben, was von den Malayen abstammen könnte. Was sollten diese auch von Leuten eintauschen, die sich kaum selber das Leben fristen können und nichts auf der Gotteswelt besitzen, als ihre einfachen hölzernen Waffen, Wurfspeere und Harpunen?

Wollten wir dann auch wirklich annehmen, daß sich ein Theil von ihnen, vielleicht aus dem Unterland vertrieben, oder durch Schiffbruch an die Küste geworfen, dort niedergelassen hätte, so würden sie erstlich keine Aethiopier dort gefunden haben, und dann wären sie immer noch von dem übrigen Theil Australiens durch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_474.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)