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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 30. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Sigrid, das Fischermädchen.
Novelle von Theod. Mügge.
(Fortsetzung.)
6.

Am nächsten Morgen wurde Clas von seiner Mutter aufgerüttelt, und sie sprach zu ihm: „Du darfst nicht länger liegen. Herr Schiemann ist spät noch selbst hier gewesen, daß Du gleich in der Frühe bei ihm sein sollst.“

Clas sprang auf und rieb sich die Augen. „Gut,“ sagte er, „doch lange soll er mich nicht mehr so commandiren. Die Stelle soll er jetzt herausgeben und ein neu sechsrudrig Boot dazu; hab’ ich das, so will ich mein eigener Herr sein.“

„Der ist so hart wie ein Stein,“ sagte Grete. „Versprechen thun die Herrn viel, aber halten ist nicht ihre Sache.“

Clas lachte. „Ich will ihn schon kriegen!“ antwortete er. „Hab ich erst Haus und Boot, so sagt Gullik auch nicht Nein, und Sigrid ist’s zufrieden.“

„Hör’ an,“ sagte Grete, „ich will Dir was vertrauen. Die hat’s noch immer mit dem Thorkel, ich weiß es gewiß. Gestern Abend, da Du fort warst, schlich ich Dir nach, und wer stand an dem Fenster von Gullik’s Kammer? Der Lotterbub’ war es. Er sprang davon, aber ich kannte ihn doch.“

„Hat er mit Sigrid gesprochen?“ fragte Clas.

„Ich weiß es nicht. Ich ging darauf zu Gullik hinein, aber wußte nicht recht, ob ich’s ihm sagen sollte, was ich gesehen. Sigrid habe ich den ganzen Abend über gut bewacht und viel Schlechtes erzählt, was die Leute von Thorkel sagen.“

Clas lachte noch mehr. „Das hast Du nicht mehr nöthig,“ rief er, „hast es auch nicht nöthig, Sigrid zu bewachen. Laß sie nur an’s Fenster laufen und umhersuchen, sie wird ihn nimmer finden.“

„Warum wird er nicht zu finden sein?“ fragte Grete und machte große Augen.

„Nun!“ sagte Clas bedächtig, „ich meine nur so. Weil das Teufelsvieh, der Hund, fort ist, wird er auch fortbleiben.“

Grete grinste ihn an und sah falsch unter ihren grauen Haaren hervor; aber Clas legte seine feste Hand auf ihre Schulter und sprach an ihrem Ohre: „Schweig stille. Eher soll diese Hand verlahmen, ehe der wieder an Gullik’s Haus kommt. Darauf verlaß Dich und frag nicht mehr.“

So ging er hinaus, und Grete sah ihm vergnügt nach. Sie setzte sich an’s Feuer, und aus ihrer kleinen schwarzen Pfeife stiegen dicke Dampfwolken auf. Was hatte Clas gethan? Den stolzen Thorkel niedergelegt, daß er nimmer wiederaufstand? – „Recht! recht!“ kicherte sie, „so ist Friede im Hause, Clas. Es ist eine feine Stelle am Torsfjord, wirst gut da wohnen.“

Als Clas nach Molde kam, fand er, daß Herr Schiemann ihn schon erwartete und ziemlich ungeduldig war. „Warum kommst Du so spät?“ fuhr er ihn an. „Hast Du zu viel getrunken, daß Du nicht früher aufstehen konntest?“

Clas hatte große Lust, grob zu werden, allein er unterdrückte dieselbe. Die Wahrheit, was er in der Nacht gethan, mochte er auch nicht sagen, aber er sagte: „Nimm’s nicht übel, Herr, ich hatte noch spät einen weiten Gang abzumachen; hoffe wohl, daß Du damit zufrieden sein wirst.“

„So?“ sagte Schiemann und sah ihn an. „War’s etwa, um nach dem Landstreicher zu sehen?“

„Ei ja!“ versetzte Clas, „es könnte wohl so sein.“ Er riß den Mund weit auf, faßte in sein blaues Halstuch und kniff die Augen zusammen.

„Wo ist er denn?“ fragte der Kaufmann.

„Kann’s nicht sagen, Herr,“ grinste Clas, „meine jedoch, er ist fortgereist.“

„So?“ sagte Herr Schiemann noch einmal. Darauf setzte er hinzu: „Kommt er nicht wieder?“

„Nein, nein!“ sprach Clas, „ich glaub’s nicht. Er wird keinen Einspruch mehr thun wegen der Stelle, und das sechsrudrige Boot, das Du mir versprochen hast, kannst Du mir immer geben.“

„Du sollst es haben,“ sagte Herr Schiemann, „und auch die Stelle wird Dir nicht entgehen, Clas, sobald wir gewiß sind, daß der Landstreicher sich auch wirklich fortgemacht hat. Gut! gut!“ fuhr er fort, als er die Mienen seines Vertrauten betrachtete, „ich glaube Dir, Mann, wir wollen uns nicht weiter um den Schelm bekümmern. Aber Du sollst Hochzeit halten mit mir an einem Tage, und mein Geschenk sollen Stelle und Boot sein. Also hilf sorgen, daß es bald geschieht, und eben deswegen sollst Du heute nach Otteröe fahren.“

„Oho,“ rief Clas vergnügt über die erneuten Versprechungen, „nach Meldalsgaard, Herr?“

„Ja,“ sagte der Kaufmann. „Was Du im Garten des Pfarrers erhorcht hast, ist richtig. Ich habe dem guten Herrn Jöns kein Wort davon gesagt, er würde sich nur darüber betrüben und ärgern. Als ich aber gestern in’s Pfarrhaus kam, wen fand ich dort? Den alten Horngreb.“

„Die alte Nachteule!“ lachte Clas. „Kam er auf’s Bitten?“

„Er ist ein Spitzbube!“ sagte Schiemann. „Er saß wie ein Heiliger bei dem Pfarrer und hatte ihn ausgefragt, ob er nichts von seinem jungen Herrn gehört habe. Da aber Herr Jöns antwortete, was er vernommen, auch fallen ließ, daß es zum Verkauf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_465.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)