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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

die ascetischen Uebungen des heiligen Ignatius durchzumachen. Die Regierung sah es sehr gern, wenn die jungen Leute dazu das Kloster Sexta Casa wählten, wo besondere Zimmer eingerichtet waren. In allen Fällen mußten die Uebungen bei möglichst verdunkelten Fenstern gemacht werden. Es war Vorschrift, daß der Student allein war und nach einer genau vorgeschriebenen Reihenfolge bald saß, bald stand, bald sich auf den Rücken legte und Hände und Füße vor sich streckte. Er sollte sich der Beschaulichkeit überlassen und sich in seiner Phantasie die sämmtlichen christlichen Vorstellungen lebendig ausmalen, heute die Hölle, morgen die ewige Seligkeit, ein Mal die unbefleckte Empfängniß, ein anderes Mal den blutigen Schweiß des Erlösers. Wer sich dem Allen mit frommem Gefühl unterwarf, wurde für eine gute Anstellung vorgemerkt; wer sich lässig oder gar ungehorsam zeigte, wurde verdächtig, d. h. der Willkür des Polizeidirectors Maniscalco und seiner mehr als tausend öffentlichen und geheimen Sbirren preisgegeben. Für solche Verdächtige besaß das Gefängniß des Vicariats unterirdische Räume, in denen mancher Unschuldige bei Brod und Bohnensuppe Jahre lang saß. So war das Leben beschaffen, von dem Garibaldi mit seinen Alpenjägern die sicilianischen Studenten erlöst hat.




Schwerdgeburth in Weimar, der durch seine „Lutherbilder“ in ganz Europa bekannte und beliebte Kupferstecher, hat wieder ein Kunstblatt vollendet. Auch diesmal hat der geniale Künstler seinen Gegenstand der Geschichte entlehnt, einer Epoche aber, welcher dieser Nestor der deutschen Kupferstecher selbst mit angehörte: der Zeit Karl August’s und Goethe’s, zu welchen beiden er bekanntlich in einer ihm ehrenvollen Beziehung gestanden hat. Das betreffende Blatt veranschaulicht uns den großen Dichter und seinen fürstlichen Freund in dem historisch bekannten Zimmer, in welchem Goethe seinen vornehmeren Besuch zu empfangen pflegte, dem sogenannten „Urbinozimmer“. Alles bis auf die Tapetenkante ist getreues Portrait, links sieht man denselben Flügel, auf welchem gefeierte Künstler und Künstlerinnen durch ihr Talent manchen Winterabend Goethe und den geladenen Freunden herrlichen Genuß bereiteten; darüber Zelters Portrait; rechts das Sopha, worüber eine von Meyer für Goethe in Rom gefertigte Copie der aldobrandinischen Hochzeit hängt; in der Mitte endlich den Tisch, an dem die Freunde sitzen, zwischen ihnen die schwebende Figur einer Victoria in Gyps, von welcher Goethe in Briefen an Schiller und Meyer spricht. Die Kleidung ist die, in welcher beide bekannt sind: K. August in seinem polnischen Schnurenrock, neben ihm seine Jagdmütze; selbst der treue Gefährte, sein Hund „Neptun“, ist nicht vergessen. Was die Aehnlichkeit der Gestalten anlangt, so spricht dafür nicht nur daß der Künstler die beiden Männer kannte und oft zu sehen Gelegenheit hatte, sondern auch daß er sich Gesicht und Haltung der Beiden schon lange zum Studium gemacht hat, wie wir dieses aus früheren, sehr schätzenswerthen und allgemein beliebten Arbeiten des Herrn Schwerdgeburth wissen. Wenn wir den Moment berücksichtigen, worin die beiden Freunde aufgefaßt sind, so scheint es, als werde ein wichtiger Gegenstand besprochen; Karl August hat eben eine Bemerkung gemacht und ist gespannt auf Goethe’s Erwiderung, der nachdenkend in seiner imponirenden Würde dasitzt.

Was den Kupferstich (Preis 1 Thlr., chines. Druck 1½ Thlr.), vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, anlangt, so macht derselbe durch einen über das Ganze verbreiteten harmonischen Ton einen sehr angenehmen Eindruck. Daß er vortrefflich ausgeführt ist, bedarf bei dem Namen des Künstlers keiner besonderen Erwähnung.




Pariser Freunde schreiben uns aus der französischen Hauptstadt: „Haben Sie die neue Brochüre „L’Empire du Rhin“ schon gelesen? Göttliches Machwerk des kaiserlich französischen Uebermuthes! Inhalt folgender: Gründung eines großen Deutschlands mit Ausschluß von Preußen und Oesterreich, Wiederherstellung Polens, Ungarns, Irlands, eines lombardisch-venetianischen Königreichs (unter Herzog von Parma), – kurz, Oesterreich, Rußland, England, Preußen, Alles muß Haare lassen und sich den kaiserlichen Bestimmungen unterwerfen. Oesterreich empfängt jedoch die türkischen Fürstenthümer als Entschädigung, Preußen dagegen sinkt durch den Verlust der Rheinlande und des Großherzogthums Posen zu einer Macht von acht Millionen und seine Armee natürlich auf die bekannte „Potsdamer Wachtparade“ herab. Der Papst wird von dem zur Veränderung für den Katholicismus schwärmenden Verfasser nicht vergessen. Er erhält Alles wieder, was ihm Piemont genommen hat. Ebenso der gute König Bomba II. Die Türken haben per Ordre de Mufti Europa zu verlassen, ein großes Griechenland unter katholischen Fürsten entsteht, England verliert fast alle Inseln des Archipels und der übrigen Meere, und tritt sie theils an Frankreich, theils an Griechenland und Spanien ab. Mac Mahon wird zum künftigen König von Irland. Was wollen Sie mehr?

Noch mehr Unverschämtheit entwickeln aber die französischen Zeitungen bei Besprechung der Badener Conferenzen. Da sollen „die Deutschen das Haupt ehrfurchtsvoll vor dem Kaiser entblößt haben, weil sie“ – man höre und lache nicht – „weil sie in ihm den treuesten Freund, die einzige Stütze der deutschen Nationalbewegung, den Mann, der sich jeder guten Sache annehme, erkannt haben.“ Das können Sie wörtlich hier lesen. Dagegen darf ich Ihnen versichern, daß man hier recht wohl von dem Zischen der Badenser unterrichtet ist, und eifrige Bonapartisten wie die Rohrsperlinge auf die „groben, unwissenden Deutschen“ schimpfen.“




Die Schiller-Lotterie hat augenblicklich bereits 438,000 Loose abgesetzt, und noch immer laufen die Bestellungen in Masse ein. Die zahlreich angekauften und geschenkten Gewinn-Gegenstände sind sehr reichhaltig und werden ein schönes Bild deutscher Kunst und Gewerbsthätigkeit gewähren.



Schach.

Lange schon und wiederholt war das Begehren an uns gestellt worden, dem edlen Spiele, dessen begeisterte Pflege auf der ganzen Erde treue Anhänger findet, auch in unserem weitgelesenen Blatte eine Stätte zu gönnen. Nach früher vereinzelten Versuchen, jener Bitte zu entsprechen, dürfen wir jetzt in der Verbindung mit einem angesehenen Schachmeister eine sichere Garantie für definitive und dauernde Erfüllung erblicken. Uns beseelt hierbei die frohe Zuversicht, als erheiternde und veredelnde Beschäftigung der Muße das sinnige Spiel in noch weiteren und zahlreicheren Kreisen, als es gelehrte eigentliche Schachzeitungen von Fach vermögen, heimisch zu machen. So soll denn auch dieser Abschnitt unseres Blattes dazu dienen, den gemüthlichen Genuß einer abendlichen oder sonntäglichen Mußestunde im Leben gebildeter und strebsamer Familien zu erhöhen. Wir werden deshalb abwechselnd eine interessante Partie wie eine anregende Aufgabe mittheilen, die man unter Beirath der schachkundigen Familienglieder am Sonntag Nachmittag auf dem Schachbret in der Laube des Gartens oder am Familientisch nachziehen und durchprüfen möge. Daneben gedenken wir von Zeit zu Zeit aus der sagenreichen Geschichte des Spieles oder auch im Zusammenhange mit der belletristischen Literatur kurze und anziehende Schilderungen zu bringen, sowie endlich durch Aufnahme leichterer Schachmaterien, die stufenmäßig vorschreiten, auch Anfänger wie schwächere Spieler allmählich zum Verständniß der Meisterwerke heranzubilden. Für heute nehmen wir zunächst die Aufmerksamkeit schon geübter Spieler für die Durchsicht nachfolgender Partie und Aufgabe in Anspruch.

Partie Nr. l.
(Gespielt zu Paris im April d. J.)
Hr. Prof. Anderssen aus Breslau.
 Weiß.
Hr. M. Kolisch aus Warschau.
 Schwarz.
1) e 2 – e 4 1) e 7 – e 5
2) S. g 1 – f 3 2) S. g 8 – f 6
3) S. f 3 – e 5 : 3) D. d 8 – e 7
4) S. e 5 – f 3 4) D. e 7 – c 4
5) L. f 1 – e 2 5) L. f 8 – c 5
6) o – o 6) o – o
7) d 2 – d 4 7) L. c 5 – h 6
8) c 2 – c 4 8) c 7 – c 6
9) S. b 1 – c 3 9) D. e 4 - c 7
10) L. c l – g 5 10) h 7 - h 6
11) L. g 5 – h 4 11) g 7 - g 5
12) L. h 4 – g 3 12) d 7 - d 5
13) S. f 3 – e 5 13) S. h 8 - d 7
14) c 4 – d 5 14) S f 6 - d 5
15) S. c 3 – d 5 15) c 6 - d 5 :
16) f 2 – f 4 16) g 5 - f 4 :
17) S. e 5 – d 7 17) f 4 - g 3 :
18) S. d 7 – f 6 † 18) K. g 8 - g 7
19) D. d 1 – d 3 19) T. f 8 - h 8
20) L. e 2 – h 5 20) L. c 8 - e 6
21) D. d 3 – g 3 † 21) K. g 7 - f 8
22) D. g 3 – e 5 22) D. e 7 - c 7
23) D. e 5 – e 3 23) D. c 7 - d 6
24) T. f 1 – f 4 24) T. a 8 - c 8
25) T. a 1 – f 1 25) T. c 8 - c 7
26) D. e 3 – g 3 26) T. c 7 - c 4
27) S. f 6 – h 7 † 27) K. f 8 - e 8
28) D. g 3 – g 7 28) T. h 8 - h 7 :
29) D. g 7 – h 7 29) T. c 4 - d 4 :
30) L. h 5 – f 7 † 30) L. e 6 - f 7 :
31) D. h 7 – f 7 † 31) K. e 8 - d 8
32) D. f 7 – g 8 † 32) K. d 8 - c 7
33) T. f 4 – f 7 † 33) K. c 7 - c 6
34) D. g 8 – e 8 † 34) K. c 6 - c 5
35) K. g 1 – h 1 35) T. d 4 - h 4
36) T. f 1 – e 1 † 36) T. h 4 - c 4
37) h 2 – h 4 † 37) K. c 5 - b 4
38) T. e 1 – h 1 † 38) K. b 4 – a 3
Weiß setzt in spätestens acht Zügen matt.


Aufgabe Nr. 1.
Von Herrn Kapellmeister Rudolph Willmers in Wien.

Schwarz.

Weiß.
Weiß zieht an und setzt in vier Zügen matt.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_464.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)