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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Gebiß und zerrte dorthin, ich zeigte ihr meine Brechstange und zerrte daher. Das Nachhausegehen wollte ihr gar nicht behagen, aber ich und meine Stange, wir haben sie doch dazu überredet.“

„Und hat sie Ihnen je vergeben?“ fragte ich. „Ich sollte meinen, daß ihr freundliches Winken und Streicheln jetzt ein Ende hatte.“

„Durchaus nicht. Nach ein paar Tagen waren wir so gute Freunde, wie je.“

„Ihr Gedächtniß war wohl nicht sonderlich?“ meinte ich; „sie hat die Sache wahrscheinlich wieder vergessen?“

Der Wärter schüttelte lächelnd den Kopf. „Löwen und Tiger haben ein ganz vortreffliches Gedächtniß,“ sagte er; „ich will Ihnen einen Beweis dafür geben. Schauen Sie mal diese Käfige an. Sie werden bemerken, daß wir sie mit einem eisernen Rechen durch eine schmale Oeffnung unten im Gitter reinigen müssen. Nun ist es ein gewöhnlicher Witz der frisch angekommenen Tiger und Löwen, den Rechen zu packen, zu beißen und zu zerbrechen. Diese Unsitte muß ihnen abgewöhnt werden, und unser Mittel ist einfach: wir machen den Rechen brennend heiß, und kein Löwe oder Tiger beißt ihn zum zweiten Mal.“

In diesem Augenblick veranlaßte uns ein kurzes, beistimmendes Grunzen des gefangenen Rhinoceros, durch das Loch hinabzuschauen. Aber die Dame hatte sich unsichtbar gemacht. Das neugierige Angaffen eines Fremden schien ihr Zartgefühl beleidigt zu haben, sodaß sie sich nach der andern Ecke ihres Stalles zurückgezogen, wohin ihr meine Blicke nicht folgen konnten. Der Wächter war entrüstet. Was fiel ihr ein, so spröde zu thun gegenüber einem in bester Form vorgestellten Herrn?

„Ho ho, Mauta!“ sagte er, sie bei ihrem indischen Namen rufend, denn sie war eine Bewohnerin des Ganges – „ich will Dich bessere Manieren lehren – Warten Sie nur ein bischen,“ setzte er, zu mir gewendet, hinzu, „ich will hinunter und sie aufstacheln; ich werde sie schon vorbringen.“

Affen in stiller Thätigkeit.

Ich bat ihn, es zu lassen, denn es schien mir geradezu Tollkühnheit. Lächelnd hieß er mich, keine Sorge zu haben. Wie der Schulmeister das spanische Röhrchen ergreift, so packte er jetzt mit starker Faust ein mörderisch aussehendes Instrument, das nichts Geringeres war als eine altdeutsche Streitaxt mit einer scharfen Spitze oben und am Rücken, und schwang sich durch das Loch hinunter. Bumm! ging die Axt rechts und links, und unter Grunzen und Schnaufen kam das so freundlich persuadirte Rhinoceros wieder hervor in das Licht. Unsere schönen Leserinnen mögen sich jedoch über dies nur grausam scheinende Verfahren beruhigen. Da das Rhinoceros mit einer Haut gesegnet ist, durch welche selbst eine Flintenkugel nicht dringt, so mochten ihm die wuchtigen Hiebe der Streitaxt vermuthlich nur den Eindruck eines scherzhaften Streichelns oder Kitzelns machen. Jetzt erst bemerkte ich, daß das Horn auf der Nase, dem der Name dieses Thieres entnommen ist, beinahe verschwunden war – die unausbleibliche Folge der Gefangenschaft, wie ich erfuhr. Diese Thiere haben es nämlich in der Art, die Spitze des Horns schneller an der harten Wand ihres Stalles abzureiben, als es an der Wurzel nachwachsen kann, und so wird es immer kleiner.

Uns von hier weiterwendend, kam ich an einer Reihe Käfige vorbei, in denen kleine Thiere waren, und fühlte plötzlich eine sammtartige Berührung auf dem Rücken meiner Hand. Mich umsehend, gewahrte ich ein Thierchen, das zwar nicht ganz ein Affe schien, sich aber doch der Gattung näherte. Ich irrte nicht in der Vermuthung, daß es dem auf Madagaskar hausenden Lemurengeschlecht angehören möge. Das arme Ding bettelte um etwas zu fressen. Die Lemuren sind, wie die Affen, sehr starke Esser. Das Erziehungsinstitut des Herrn Jamrach bot eine reiche Auswahl jeder Art. Da saßen sie, schnatternd, grinsend und Gesichter schneidend. Zum ersten Male entdeckte ich, wo alle die Affen herkommen, die in den Straßen Londons ihre Kunststücke produciren. Ich bekenne mich zu einer gewissen Sympathie für diese kleinen Waldmenschen und hatte oft die Absicht, meine Familie um einen derselben zu vergrößern. Unbekannt jedoch mit dem wahren Affenmarkt, wendete ich mich wiederholt um Aufschluß an die Orgelmänner und Savoyarden auf der Straße, die aber den ganzen Affenhandel so geschickt in ein unentwirrbares Geheimniß zu hüllen verstanden, daß ich endlich daran verzweifelte, den Meinen die Gelegenheit zu verschaffen, sich in dieser Carricatur der Menschheit zu bespiegeln. Der Preis für Affen ist gar nicht so übermäßig, wenn man an die rechte Quelle geht. Haltung und Benehmen werden höher angeschlagen als das bloße Aussehen, und Damen gelten, wie billig, für kostbarer als Herren. Die langschwänzigen Affen, vulgo Meerkatzen, vertragen das Klima besser als andere.

In einer Situation kann man, wo Affen zu sehen sind, einige gewiß antreffen, das ist die, wenn sie sich gegenseitig die lebenden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_460.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)