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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

in der Felsenwand am Louisensitz ladet ein Thor zum Weitersteigen auf Stufen zwischen ungeheuern Granitwänden durch Nacht zum Licht empor. Ueber der Pforte stehen zwei in die Felsenwand gehauene Zeilen:

Mariannenhöhe.

„Bis hierher sollst Du kommen und nicht weiter. 1794.“

„Ich suchte und fand, es ging weiter. 1809. Daupeck.“

Bis an diese Wand erstreckten sich nämlich die alten Anlagen, und man hielt das weitere Empordringen in diesem furchtbaren Felsengewirre nicht für möglich. Daher die voreilige erste Zeile, deren Schöpfer es wie vielen alten weisen Herrn erging, die da wähnen, die Menschheit könne nicht weiter empor, als sie gerade gekommen sind, „die Wissenschaft müsse umkehren“. Aber der Bayreuther Hofgärtner Daupeck fand den mühevollen dunkeln Weg unter zusammengestürzten Platten und Kegeln und durch wilde Schluchten hindurch; und nun erst gelangt man zur höchsten und herrlichsten Schönheit des Hains, zu den ragenden

Burgstein.

Gipfeln mit der köstlichsten Umsicht. Welch ein treffendes Lebensbild! Durch Nacht und Graus werden unsere Nachkommen den wenn auch mühsamen Weg aus dem furchtbaren Felsenlabyrinthe unserer politischen,religiösen und socialen Zustände zur höchsten Schönheit, zum reichsten Genuß, zur unbeschränkten Um- und Uebersicht, zur vollen Freiheit des Lebens auf seinen sonnigen Höhen empor finden.

Neue Überraschungen bietet der Felsengang, die Moosgrube genannt, der zur Mariannenhöhe mit einer künstlichen Thurmruine führt. Von ihr aus genießt man die labende Fernsicht auf die böhmischen Berge. Auf der Ebene unter dieser Höhe fand das Vogelschießen 1805 statt, welches die Königin Louise auch zur Schützenkönigin machte. Man geht eine Strecke gerade aus bis zum Bundesfelsen, zu dessen schwindelnd empor gegipfelten Geschieben man auf hölzernen Treppen steigt. Dies ist der großartigste Punkt der Louisenburg, dessen Aussicht auf wirre Felsenmassen in der Nähe und Fluren und Berghöhen in der Ferne schauerlich erhaben und schön.

Durch den Wald gelangt man zu dem eine Viertelstunde entfernten Burgstein, einer ungeheuern, gleichsam aus mehreren Stockwerken bestehenden Felsenmasse, deren Gipfel zugänglich ist. Diese letzte Partie des Hains ist mit entzückender Aussicht eine seiner schönsten und lohnendsten.

Rückwärts auf der Ostseite des Bergs geht man auf einer Felsentreppe, der Teufelsstiege, und durch eine enge, steile, mit Felsstücken überdeckte Schlucht, das Labyrinth, bis zum Münsterplatz, mit einer von gewaltigem Felsendache überschatteten, unter kolossalen Steingefügen hervorsprudelnden Quelle. Weitere Felsengänge mit Stufen sind die hochgelegene Burgschlucht und die lange Wolfschlucht, wo sich dem Besucher die höchsten malerischen Reize Schritt vor Schritt aufdrängen. Neben dem Schauer der mit Schlangenwindungen durch das Dunkel überhangender Felsen sich durchziehenden Schluchten und Klüfte liegt die Lieblichkeit heiterer Felsgestaltungen mit dem von den Ruinenmauern der Burg überragten Walde. Ist man so auf Treppen bergab und auf gestiegen, so betritt man den Jean-Pauls-Platz, der, an grillenhaft übereinander geschichtete und gethürmte Felskolosse gelehnt, vielfache reizende Aussicht gewährt.

Wir nennen noch den Platz Louisensruh und die Thränengrotte, beide der verstorbenen Königin, den Friedrich-Wilhelms-Platz, dem König gewidmet; Lisettensruh, ein Felsengipfel; den Platz der Einsamkeit, auch Beichtstuhl, Stelldichein,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_445.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)