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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Aus Garibaldi’s Leben.
Zur Charakteristik desselben.

Schon lange und vorzugsweise jetzt sind die Augen Europa’s auf einen Mann, Garibaldi, gerichtet, welcher, mit seltenen Feldherrntalenten und einer außerordentlichen Energie des Charakters begabt, seine höhere militairische Laufbahn als Chef einer Escadron im Dienste der argentinischen Republik gegen den Dictator Rosas in Buenos-Ayres begann, 1848 unter Carl Albert von Sardinien ruhmreich gegen die Oesterreicher und während der kurzen Zeit der römischen Republik mit einem Heldenmuthe ohne Gleichen für diese focht. Was er auch, wiederum gegen Oesterreich, im verflossenen Jahre als sardinischer General leistete, ist noch in frischem Andenken.

Vorzugsweise in Rom, 1848, tritt dieser Mann zum ersten Male hervorleuchtend vor die Augen Europa’s; Momente aus dieser Zeit, theils auf Thatsachen, theils auf seinen eigenen kurzen Mittheilungen beruhend, bezeichneten uns schon damals den Mann so, wie wir ihn 1859 in der Lombardei und jetzt in Sicilien wieder erkannt haben. Das allgemeine Interesse, welches sich ihm zugewendet hat, läßt uns hoffen, daß unsere Leser gern einige Rückblicke auf sein Leben, welche ihn uns als Krieger und Menschen bezeichnen, lesen werden.

Garibaldi, den wir 1859 in Como als bereits ältlichen Mann, von mittler Statur, mit kurz geschorenem schon etwas grauem Bart und Haupthaar, im blauen Uniformrock mit den auf Kragen und Aufschlägen seinen Generalsrang bezeichnenden Stickereien wiederfinden, hatte immer noch den freundlichen wohlwollenden Blick früherer Zeiten in seinen vollständig antiken Gesichtszügen und klaren blauen Augen. Sein Erscheinen in Rom 1848 mochte für den, welcher an das moderne europäische Soldatenwesen gewöhnt ist, etwas Außerordentliches haben. Damals trug er, so wie sein gesammter Stab und später sein ganzes Corps, die rothe Blouse und über diese einen kurzen weißen amerikanischen Mantel. Seinen Kopf bedeckte ein spitzer Hut mit schmaler Krämpe und einer vollen schwarzen Straußfeder geziert, unter welchem sich das tiefbraune Haar hervordrängte und sein sonnverbranntes Gesicht beschattete. Sein unteres Gesicht war fast ganz mit seinem vollen röthlichen Barte bedeckt, und seine Haltung zu Pferde war, als ob er darauf geboren wäre. Ebenso, wie dieser Mann seiner Waffenerfolge wegen schon damals angestaunt wurde, riß er die Seinigen auch durch seine meisterhafte, oft spartanisch-kräftige Beredsamkeit mit fort.

Die Episode in Rom läßt sich in die Zeit vor der Belagerung, die Belagerung selbst und den Zug Garibaldi’s nach San Marino eintheilen. Daß Rom mit Stolz und Würde fiel, war nur Garibaldi zu danken. Hätte nicht Roselli, ein unentschlossener Mann, sondern Garibaldi, der sich schon in den Einöden von La Plata zum umsichtigen, entschlossenen Feldherrn ausgebildet hatte, von Anfang an den Oberbefehl gehabt, wer weiß, wie anders sich noch die Resultate herausgestellt haben würden.

Die durch die Februar-Revolution 1848 entstandene französische Republik hatte beschlossen, den nach Gaeta geflohenen Papst Pius IX. wieder nach Rom zurückzuführen und die dort am 9. Februar unter einem Triumvirat, dessen Haupt Mazzini war, constituirte Republik mit Waffengewalt aufzulösen. Am 28. April landete die französische Expedition unter Marschall Oudinot in Civita-Vecchia. Zu demselben Zwecke hatte sich auch Neapel gerüstet, und sein Heer war unter Anführung des Generals Nunziante bei Valmontone in römisches Gebiet eingefallen. Hiergegen war die ganze römische Bevölkerung aufgestanden, und Garibaldi, von den Grenzen Tirols herbeigeeilt, commandirte hier als General ein eigenes Corps von Bersaglieri (Tirailleurs), Emigranten, Studenten, Finanzsoldaten etc. in einer zwischen 2500 bis 5000 Mann wechselnden Stärke, welches die italienische Legion genannt wurde.

Die Franzosen standen damals nordwestwärts bei St. Paolo, etwa sechs Stunden vor Rom, und hatten eine Art diplomatischen Verkehrs mit dem Triumvirat. Den 4. Mai Abends erhielt die Legion, etwa 3000 Mann stark und ohne Geschütz, Befehl, sich auf der Piazza del Popolo zum Abmarsche bereit zu halten. Um 6 Uhr erschien Garibaldi und wurde mit donnernden Evvivas empfangen. Er führte nun das Corps in die Gärten der Villa Borghese und redete sie dort an. Um 8 Uhr begann der Abmarsch, wohin, wußte Niemand. Die Spione glaubten, daß er einen Streich gegen die Franzosen beabsichtige, aber am Morgen des 5. Mai stand er plötzlich vor Tivoli, 18 Miglien von Rom, in der rechten Flanke der Neapolitaner, nahm Präneste und verjagte ihre 5000 Mann starke Vorhut aus Valmontone. Nach dem stillen, raschen Nachtmarsche vom 4. zum 5. wurde den Truppen bei Tivoli Ruhe gegönnt. Garibaldi sprang vom Pferde, sein treuer Diener, ein Mohr, den er aus Amerika mitgebracht hatte, sattelte sein Pferd ab, steckte Säbel und Scheide gekreuzt in die Erde, davor eine Pike und über dieses sonderbare Gerippe hing er des Generals Mantel, legte darunter den Sattel, darüber den Bärenpelz, und der General, nachdem er seine Befehle dictirt hatte, zog nun die Blouse aus, warf sich unter dieses ihm gewöhnliche Zelt (mehr Sonnenschirm) und schlief fest ein. Die Franzosen hatten sich schon am 30. April der Stadt Rom genähert und mehrere dominirende Villen wegzunehmen gesucht, wurden aber plötzlich von Garibaldi angegriffen, verloren 20 Officiere und 600 Mann an Todten und Blessirten, 500 Gefangene und mußten auf allen Punkten zurückweichen. Dies und nun die Schlappe der Neapolitaner veranlaßte sie wieder zum Vorrücken, aber wunderbarer Weise rückte Garibaldi schon am 9. Mai mit seinen Siegestrophäen wieder in Rom ein. Später wollte der Obergeneral Roselli sich gleichen Ruhm erwerben und rückte mit einem Corps von 8000 Mann, bei welchem Garibaldi die Vorhut bildete, am 18. Mai den Neapolitanern entgegen. Allein die Unschlüssigkeit Roselli’s brachte der Expedition nur wenig Nutzen. Es kam hierbei vor, daß Garibaldi mit seiner nur 1200 Mann starken Vorhut sich mit der 5000 Mann starken neapolitanischen Avantgarde engagirte. Er forderte nun sofort die Unterstützung des Hauptcorps; Roselli aber ließ ihm sagen, daß die Truppen noch nicht „menagirt“ hätten, und ließ ihn drei Stunden im Kampfe mit der Uebermacht ausharren. Garibaldi sagte später zu seinen Vertrauten, „daß er gegen diese Antwort des Generals nur einen Blick der tiefsten Verachtung gehabt habe.“ –

Am 24. Mai zog Garibaldi mit seiner Legion wieder in Rom ein. „Man muß,“ sagt hierüber einer seiner Officiere, „diese in Mühseligkeiten und Kämpfen aller Art erprobte Legion gesehen haben, um sich eine deutliche Vorstellung von ihr zu machen. Sie trug damals noch dunkelblaue Blousen mit grünen Aufschlägen, hechtgraue weite Pantalons und Calabreser mit schwarzer Straußfeder, der Dolch im Gürtel fehlte nur Wenigen. Tornister oder Mäntel hatten sie keine. Die Reiterei trug hellblaue Spenser, weiße Kapuzinermäntel, rothe Hosen und auf dem Kopfe den griechischen Feß.

Am 2. Juni war in Rom bekannt gemacht worden, daß mit den Franzosen ein Waffenstillstand abgeschlossen sei. Aber schon an demselben Abend ließ Oudinot bekannt machen, daß sein Geschäftsträger, Herr Lesseps, seine Instructionen überschritten habe, und er am 4. den Kampf eröffnen würde. Auf diese Proclamation des französischen Generals, – „eine, wie sich nachher ergab, wissentliche Lüge“ – vertrauend, hatte der Obergeneral Roselli die nöthigen Vorsichtsmaßregeln für den 3. unterlassen. Kanonendonner weckte früh am 3. die Römer; die Franzosen hatten sich der Villa Corsini, eines die Wälle dominirenden Punktes, bemächtigt, aber Garibaldi war mit seiner Legion herbeigeeilt und suchte in übermächtiger Anstrengung die verlorenen Punkte wieder zu gewinnen. Seine nur etwa 4000 Mann starke Colonne blieb ununterstützt den ganzen Tag über im Feuer gegen fast 20,000 Franzosen, verlor 1000 Mann und 100 Officiere an Todten und Blessirten und erreichte ihr Ziel nicht. Garibaldi selbst war während des Kampfes überall; um ihn herum fielen seine bravsten Officiere, er blieb ruhig; einzig stand er da im blutigen Gefecht um die entrissene Position. Nicht Eigensinn, nicht Ehrgeiz lassen ihn die großen Opfer bringen, er fühlt die Bedeutung des Kampfes, und mit edler Seelengröße harrt er mitten unter seinen umherliegenden Freunden aus.

In seiner Begegnung gegen Officiere und Soldaten war er immer wohlwollend und freundlich; bei Versehen und Vergehen im Dienste kannte er nur den Verweis und den Tod; er hielt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_440.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)