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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 28. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Sigrid, das Fischermädchen.
Von Theod. Mügge.
(Fortsetzung.)


Thorkel hatte den kleinen Anders auf seinen Arm genommen und ihn dann auf sein Knie gesetzt. Clas hatte Gullik zur Seite geführt und sprach mit ihm heimlich. Thorkel aber sprach mit dem Knaben und mit Sigrid, freundlich plaudernd, fragend und Antwort gebend über allerlei Dinge, die des Kindes Neugier reizten.

„Willst Du denn nun wieder bei uns wohnen?“ fragte Anders.

„Ich denke, ja,“ antwortete Thorkel.

„In Deinem Hause dort drüben?“

„Ei freilich, lieber Anders.“

„Da ist es schön,“ sagte das Kind leise. „Ich war neulich einmal mit Sigrid dort, doch Dein Haus war verschlossen, und an der Thür hing ein Siegel. Sigrid sagte, der Landrichter hätte es vorlegen lassen, Du kämst wohl nimmer wieder.“

„Nun bin ich doch wieder da,“ fiel Thorkel ein, „und das Siegel schneiden wir ab.“

„Dann kommen wir und besuchen Dich, Sigrid und ich, und bleiben bei Dir.“

„Ja, ja, komm Du nur. Habt ihr denn zuweilen an mich gedacht, Du und Sigrid?“

„Ei wohl,“ sagte Anders. „Sigrid hat mir von Dir erzählt, wie keiner so schnell sei wie Du und so stark am ganzen Fjord.“

„Das lohn’ Dir Gott, Sigrid!“ sagte Thorkel, aber er sagte es halblaut und sah nach ihr hin. Sigrid sagte nichts darauf, sie legte das Netz zusammen.

„Nun willst Du wohl den Hund wieder haben?“ fragte Anders.

„Nein, nein!“ antwortete Thorkel, „der ist Dein und Du sollst ihn behalten. Das wird uns allen Glück bringen.“

„Du bist lieb,“ sagte der Knabe. „Ich will auch immer an Dich denken, so oft ich den Hund sehe.“

Eben kamen die beiden Männer zurück, und es dunkelte auf dem Fjord. Die Nebel stiegen auf, der letzte falbe Schimmer verschwand von den hohen Romsdalsfjellen.

„Geh hinein, Sigrid, sieh nach dem Feuer und mach Dich an den Tisch,“ sagte Gullik. „Du geh mit ihr, Anders. Abendluft taugt Dir nichts!“

„Komm mit uns in’s Haus,“ sagte das Kind zu seinem Freunde.

Doch Thorkel antwortete: „Geh nur voran,“ und als Anders zur Thür hinein war, wandte er sich an den Fischer. „Ist es Dir gelegen,“ fragte er, „wenn ich diese Nacht bei Dir bleibe?“

Es vergingen einige Augenblicke, während Gullik gerade aus sah und schwieg. Darauf antwortete er: „Es geht nicht an.“

Wieder eine Minute, dann sprach Thorkel: „Nimm’s nicht übel, ich fragte, weil mein Vater Dein Freund gewesen.“

Nach einem Weilchen sprach Gullik: „Weil er mein Freund war, darum will ich Dich nicht.“

Thorkel stand auf und sah umher, es war beinahe finster geworden. „Wohl,“ sagte er, „die Nacht ist da, so muß ich fort. Mag es Dich nie gereuen.“ Er ging, es sagte keiner etwas, aber Clas lachte heimlich. Bei Nacht den Bittenden von seiner Schwelle weisen, war ein schwerer Schimpf, ein Urtheil der Verachtung über Thorkel ausgesprochen, dem viele Männer sich anschließen, das aber andere auch wohl tadeln mochten. Da jener einige Schritte gegangen war, schien Reue über Gullik zu kommen. Er rief ihm nach, und Thorkel stand still.

„Kannst das Abendbrod mit uns theilen,“ sagte er.

„Behalte Deine Speise,“ antwortete Thorkel rauh und laut, „ich mag sie nicht.“ Damit verschwand er schnell in der Finsterniß, und Gullik Hansen stand schweigend, bis Clas ihm den Arm drückte.

„So ein Lump will noch trotzen,“ sagte er. „Das hast Du wacker gemacht, Gullik, alle guten Leute werden Dir Recht geben und ihm den Rücken kehren, sowie er an ihre Thür klopft.“

Der Fischer sprach nicht mehr darüber. „Komm herein und laß uns essen,“ sagte er. „Morgen früh gehe ich mit zwei Booten hinaus nach Ageröesund, denk ’s soll guten Fang geben.“




3.

Am nächsten Tage fuhr Thorkel nach Molde hinüber, um mit dem Herrn Schiemann über seine Angelegenheit zu sprechen. Der Kaufmann wohnte in einem der besten Häuser, das er sich neu gebaut und stattlich eingerichtet hatte. Die braune Thür trug einen blanken Griff von Messing und ein blitzendes Schild von demselben Metall, auf welchem der Name des Eigenthümers stand. Die Vorflur war mit Matten belegt, große Flügelthüren führten nach beiden Seiten; aus einer derselben trat eben Clas Gorud, seinen Hut in der Hand. Da er Thorkel kommen sah, that er freundlich und nickte ihm zu.

„Du kommst eben zur rechten Zeit,“ sagte er, „Herr Schiemann sitzt drinnen bei seinem Frühstück, kannst gleich mit ihm verhandeln.“

Thorkel gab darauf keine Antwort, sondern ging auf die Thür zu, klopfte an und ging hinein. Clas blieb stehen, sah ihm hämisch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_433.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)