Seite:Die Gartenlaube (1860) 420.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

er nur, wenn’s zum Letzten kommt. So hörte auch Thorkel ohne Zeichen einer Bewegung an, wie sein Vater hinfällig geworden und rasch gestorben sei, und wie das kleine Mädchen, das er im Hause gehabt, ihn eines Morgens todt gefunden hatte.

„Ich hatt’s nicht so nahe geglaubt,“ sagte er vor sich niederblickend, „denn es war ein fester Mann.“

„Nun,“ fuhr Clas fort, „sie sagen, er hat sich gegrämt, das soll wohl sein.“

Sigrid sah auf. Thorkel saß stumm und hielt seinen Kopf noch tiefer. Clas zuckte mit den Achseln. „Da er todt war,“ fuhr er fort, „kamen Lensmann und Voigt, es kamen aber auch Leute, die zu fordern hatten. Endlich wurde verkauft, was sich vorfand, es blieb aber doch noch Mancher unbefriedigt übrig.“

Wieder sah Sigrid auf und wieder sah sie die Beiden. Clas schielte nach ihr hin und verzog seine Lippen. „Es hatte Keiner gemeint, daß es so schlecht stand,“ sagte er. „Aber da kam zuletzt auch der Herr Schiemann aus Molde und legte den Schuldschein vor über die zweihundert Thaler, für die ihm die Stelle verpfändet wurde. So kam der Landrichter und faßte zu.“

Sigrid drehte sich rasch um. Thorkel’s Gesicht hatte Farbe bekommen; es war, als ob seine Augen zitterten. Clas stieß sie leise an, es flog ein hämischer Zug über seinen dicken Mund, doch Thorkel schien es nicht zu beachten. Er sah eine Minute lang hinüber nach der Hütte am Torsfjord, und fuhr dann mit seiner Hand über Stirn und Haar, daß sie eine Minute lang sein Gesicht bedeckte. Sein Haar war von schöner brauner Farbe, fein und weich, und sein Gesicht sah männlich, fest und wohlgebildet aus, und als er hinüber schaute, schien es dunkler und fester zu werden. Darauf sagte er ruhig: „Das ist Alles wahr, und zu ändern ist nichts. Morgen werde ich zu dem Herrn Schiemann nach Molde gehen und mit ihm sprechen.“

„Du thust recht!“ sagte Clas, „könntest es aber heut gleich noch näher haben, wenn Du wolltest, könntest ihn beim Pastor finden.“

„Bei dem Herrn Bille?“ antwortete Thorkel, und er sah nach dem Pfarrhofe hinauf, dessen Gartenseite er sehen konnte, denn der Garten stand auf einem Felslager, das steil wohl dreißig Fuß tief abfiel, und indem er hinaufschaute, erblickte er hinter dem Gitter, das eine Brustwehr bildete, ein Frauenzimmer in hellem Kleide, und neben ihr einen Herrn, der sie begleitete.

Da sein Blick an Beiden hängen blieb, lachte Clas auf. „Nun,“ rief er, „bleib lieber, Du möchtest ihn stören, er ist in guter Gesellschaft. Aber wie geht’s denn dem Erik Meldal, dem schmucken Lieutenant? Kommt er nicht auch bald einmal nach Haus?“

„Das könnte wohl sein,“ sprach Thorkel, noch immer hinaufschauend.

„Warst wohl mit ihm zusammen in Frederikshall, nicht wahr?“ fuhr Clas fort.

„Sicherlich, ja,“ sagte Thorkel.

„Und hast ihn dort gelassen?“

„So wird’s sein, Clas.“

„Bringst keine Aufträge von ihm mit?“

„Möglich wär’s.“

„Oho,“ lachte Clas, „der alte Horngreb soll Geld schicken. Nicht?“

„Geld kann Jeder brauchen. Ich auch.“

„Glaub’s Dir gerne,“ sagte Clas ärgerlich, „Ihr habt aber Beide nichts. Hast nicht auch im Pfarrhause eine Bestellung?“

„Wie geht’s der Jungfrau Else droben?“ fragte Thorkel, indem er sich an Sigrid wandte.

„Es geht ihr lustig!“ rief Clas, ehe Sigrid antworten konnte, „überall heißt’s, daß bald Hochzeit sein wird.“

„Mit dem Herrn Schiemann wohl gar?“ fuhr der Soldat heraus.

„Mit wem sonst?“ versetzte Clas.

„Glaubst Du es?“ fragte Thorkel Sigrid.

„Nein,“ erwiderte sie.

„Ich auch nicht,“ lachte Thorkel, „ich glaub’s so wenig, als wenn Clas schwöre, er wollte Dich nehmen.“

„O Du Donnerkerl!“ rief Clas und lachte ebenfalls, indem er beide Fäuste in seine Jackentasche steckte und seine Beine ausstreckte. „Warum wolltest Du es nicht glauben?“

„Warum? Weil der Seehund Dich gleich am ersten Tage zerreißen und auffressen würde. Nimm Dich vor ihm in Acht, er bringt Unglück über Dich!“

Und indem er dies sagte, strich er der Robbe über den glatten Kopf, und es war, als ob das Thier ihn verstände; denn es sperrte seinen Rachen auf und zeigte dem Clas sein weißes Gebiß mit einer solchen Angriffsmiene, daß der Bedrohte nochmals hastig von der Bank aufsprang. Sigrid schlug vor Vergnügen in ihre Hände, und Thorkel war nicht weniger belustigt; Clas aber gerieth in Wuth über den Spott und über das nichtswürdige Vieh, dem er schlimme Titel zuschrie. Noch ehe er jedoch auch den damit bedenken konnte, der die meiste Schuld daran hatte, trat Einer hinzu, der allen weiteren Zank verhinderte.

Sigrid’s Vater kam nach Hause und führte seinen Sohn Anders an der Hand. Er war ein untersetzter Mann von dem knochenstarken Bau der norwegischen Küstenleute. Harte Gesichtszüge und mächtige Kopfmuskeln, kalte Augen voll Bedächtigkeit und eine unbewegliche Ruhe beim Sprechen sowohl, wie in Allem, was er that, ließen sich gleich an ihm erkennen. Als er auf Clas zuschritt, wurde dieser still, dann drehte er den Kopf nach der Bank, und das Lachen hatte ein Ende.

Thorkel sprang auf. „Gottes Friede in Dein Haus, Gullik Hansen,“ sagte er, „ich habe Dich lange nicht gesehen.“

Gullik Hansen änderte seine ernsthafte Miene nicht, nahm aber doch die Hand an, die der Soldat ihm bot, und sagte nur: „Ich auch nicht, Thorkel.“

„Es geht Alles gut bei Dir?“ fuhr Thorkel fort.

„Mag’s auch bei Dir so sein!“ antwortete Gullik.

„Ja, bei mir, bei mir!“ rief der junge Mann. „Es ist Manches geschehen, das nicht gut ist.“

„Mach’s bester,“ sagte Gullik und drehte sich um, indem er Sigrid ansah. „Bist Du fertig mit dem Netze?“ fragte er.

„Ja, Vater.“

„Gut, ich kann’s morgen brauchen. Es kommt Hering von Trondhjem herunter. Weißt Du es, Clas?“

„Ja, ja!“ antwortete Clas, „ich kam, um mit Dir zu sprechen. Herr Schiemann hat mir Auftrag gegeben. Er nimmt Alles, was Du fängst.“

„Und Du, mein kleiner Anders,“ rief Thorkel den Knaben an, der sich über den Seehund geworfen hatte, der ihn mit großer Zärtlichkeit empfing. „Kennst Du mich denn auch noch?“

Das Kind hob den Kopf zu ihm auf. Es sah kränklich aus.

„Es ist ja Thorkel Ingolf, Anders,“ sagte Sigrid.

Da wurde der Knabe freundlich. „Sei Du willkommen,“ sagte er. „Sigrid hat oft von Dir gesprochen. Du hast uns den Hund geschenkt.“

„Und Du hast ihn lieb, Anders?“

„Ja, und ich habe Dich auch lieb.“

(Fortsetzung folgt.)




Deutsche Bilder.
Nr. 3.
Otto von Wittelsbach und die päpstlichen Legaten zu Besançon.

Als Karl der Große, vom Papste gegen die Longobarden zu Hülfe gerufen, zuerst das römische Patriciat, dann die abendländische Kaiserwürde annahm, welche der griechische Hof nicht länger zu behaupten vermochte, gab Papst Leo III. seine Zustimmung und setzte ihm „aus göttlichem Rechte“ die Krone auf. Aber schon unter Karls Nachfolgern führten die römischen Päpste eine höhere Sprache, und Karl’s Sohn, Kaiser Ludwig der Fromme, war der Erste, den die gallischen Bischöfe zur Kirchenbuße verurtheilten. – In dem hochfliegenden Geiste des gewaltthätigen Hildebrand (als Papst Gregor VII.) reifte der Gedanke, die Kirche oder vielmehr


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_420.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)