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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

mit dem ganzen Körper jeder Bewegung seines Feindes. Das Publicum wurde ungeduldig, die Gerüste bebten unter dem Stampfen und Klopfen, die Musik erschallte, noch lauter als diese aber der allgemeine Ruf: „Schämt Euch, ihr feigen Memmen!“ Noch einmal suchte Kossuth seinen Stall zu erreichen und wie früher wurde er von den bissigen Hunden zurückgetrieben, worauf er, ohne letztere weiter zu beachten, sich mit fürchterlichster Wuth auf den Bären stürzte.

Der Zusammenstoß war heftig, trotz seiner Gewandtheit hatte der Bär nicht schnell genug ausweichen können, und in einen Haufen rollten die beiden erbitterten Streiter zusammen. Man gewahrte ein Verschlingen mächtiger Glieder, der Sand wirbelte empor, ein ersticktes, dumpfes Brüllen ertönte, und als es dann stille ward, erblickte man eine Gruppe, die, obgleich von der Grausamkeit der Menschen zeugend, doch nicht prachtvoller gedacht werden kann, und welche würdig genug darzustellen wohl kaum einem Maler, einem Bildhauer gelingen möchte.

Kossuth im Kampfe mit Jenny Lind.

Regungslos stand der Stier, mit der ganzen Schwere des Körpers nach vorn drängend; tief hafteten die Hufe im Sande, und den Kopf niederwärts beugend, kniete er auf seinem Feinde und suchte mittelst seiner Hörner denselben auf dem Boden festzuhalten. Der auf dem Rücken liegende Bär schien indessen, trotzdem sein linker Vorderschenkel von dem spitzen Horn aufgespießt war, Sieger zu bleiben, denn die ganze Schnauze des Stiers befand sich in seinem weitgeöffneten Rachen zwischen den furchtbaren Zähnen, während sich die langen Nägel der rechten Vordertatze tief in seines Feinden fleischigen Hals eingegraben hatten, und die rechte Hintertatze dessen Rippen von Fleisch und Haut entblößte. Der Jubel war endlos, und zum Ergötzen des Publicums ließ man die grimmigen, von Blut überströmten Kämpfer wohl zehn Minuten lang in dieser Stellung verharren, ehe man einschritt. Mehrere Arrieros sprangen alsdann in die Schranken, ließen einige Augenblicke die Lassos in der Luft kreisen und ihren geübten Händen entgleitend, legten sich die festen Schlingen mit unglaublicher Genauigkeit fast zu gleicher Zeit um den gehobenen Huf des Stieres und die freie Tatze des Bären, worauf eine bereit gehaltene Feuerspritze, mit Heftigkeit bewegt, die beiden erbitterten Kämpfer mit einer ganzen Ladung kalten Wassers überschüttete. Die Wirkung war augenblicklich; die Thiere ließen in ihren Griffen nach, die Leute zogen an den Leinen, und unterstützt von immer neuen Wasserstrahlen, gelang es ihnen endlich, dieselben ganz von einander zu trennen. Der blutende Stier wurde alsdann zurück in den Stall gezerrt und die Thüre hinter ihm geschlossen; der Bär dagegen, sobald ihm der Anblick seines Feindes entzogen, schüttelte seinen triefenden Pelz, legte sich nieder, leckte seine stark blutende, aber anscheinend leichte Wunde und nahm dann, wie um seine heiße Zunge zu kühlen, die eiserne Kette zwischen die Zähne, wobei er, den Unterkiefer in bebender Bewegung haltend, durch lautes Wimmern und Knurren seine Unzufriedenheit über das ganze Verfahren zu erkennen gab.

Der Kampf war beendigt, das Publicum aber noch lange nicht zufrieden gestellt, denn da noch nichts entschieden war, so schwebten auch noch alle Wetten. – „Kossuth heraus!“ tobte die aufgeregte Menge. „Der Kampf muß beendigt werden!“ brüllten Einzelne, „Betrügerei!“ riefen Andere, bis zuletzt durch Stampfen, Klopfen, Zischen und Pfeifen jedes andere Geräusch übertäubt wurde.

Die Unternehmer des Kampfspiels schienen indessen nicht geneigt, das Leben ihres kostbaren Bären weiter auf’s Spiel zu setzen, ohne vorher noch einige ähnliche einträgliche Geschäfte mit demselben gemacht zu haben, wenn ihnen auch an dem leichter zu ersetzenden Stier weniger gelegen war. In Folge dessen nahm aber der Lärm und das Toben dergestalt zu, daß ich mich ernstlich aus dem Menschenknäuel fortwünschte, in welchem ich förmlich eingekeilt stand. – Da, als das Getöse den höchsten Grad erreicht hatte, vernahm man plötzlich den Ausruf der Angst von mehreren Hundert Menschen; ein Augenblick nur, und ein jäher Schrecken bemächtigte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_413.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)