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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Gebe Gott, daß sie es nicht in unseren Reihen thun!“ antwortete Crevecour und schaute ernst hinaus.

Und wirklich, sie kamen in Hemdärmeln heran, die Schweizer Kampfer, aber mit eisernem Schritt und todesstill; es hatte etwas Geisterartiges, dieses Vorwärtsschreiten. Die zwischen Concise und Corcelles aufgepflanzten Feldschlangen und Karthaunen bekamen Befehl zum Feuern. In demselben Augenblick knieten die Schweizer nieder, nicht um Gnade zu flehen, wie Karl glaubte, sondern zum Gebet; da flogen die Ladungen der Geschosse über ihre Häupter weg, und nun sprangen sie auf, und wie sturmgepeitschter Hagelschauer voran und voran. Graf Rosimbez rannte ihnen den römischen Schlachtkeil vor; aber vorwärts, vorwärts ging es, wie ein furchtbar unerbittliches Naturgesetz. Da auf einmal tönte es von fern her seltsam und schauerlich; es tönte den Burgundern wie tausend Sterbestimmen auf einmal. Das war das Horn von Uri!

Auf einem Schiffe in Gestalt eines Stierhorns waren vor Jahrhunderten die Männer Uri’s zur Schweiz gekommen, und seitdem gab ihr Horn das Signal zu ihren Schlachten und Gebeten. Manch’ österreichisches Banner hatte es schon in den Staub geblasen und auch hier sollte es rettend ertönen, denn der römische Schlachtkeil Karls hatte schon sich eingekeilt in die ersten Reihen der Schweizer; schon wollte der Herzog sein stets gewohntes: „Sieg! Sieg!“ ausrufen, da tönte das Horn noch lauter und fürchterlicher; da kamen erst die besten Schaaren heran, geführt von Tschudi, Halwyl, dem jungen Löwen Hans Waldmann und dem silberlockigen Bubenberg. Der schaute hinauf zum Lager Karls, als wolle er demselben den verhängnißvollen Bärenpelz vom Leibe reißen. Nun plötzlich Grabesstille, die Kämpfer umarmten sich, um desto ruhiger den Tod umarmen zu können, und nun erst begann die eigentliche Schlacht. Karl stürmte mitten hinein, immer da, wo sie am fürchterlichsten entbrannte.

„Ich stehe über dem Schicksal!“ hatte er damals der Schweizer Gesandtschaft frevelnd zugerufen; jetzt warf ihn das Schicksal in den Staub! Jetzt jagte es ihn, mit glühenden Wunden an Haupt und Brust, wild in die Flucht! Der ungeheuere Tag von Granson neigte sich zu Ende. Seine Schlacht war geschlagen zur Rettung der Schweiz! Wie einst die Römer oft urplötzlich erfaßt waren von dämonisch vernichtendem Entsetzen, wenn die Germanen gegen sie heranrückten, so war es den burgundischen Schaaren ergangen gegenüber den Schweizern. Es war der ewige Geist germanischer Freiheit, der für sie gekämpft hatte!

Auf kreuzweis gelegten Schwertern und Lanzen wurden über das Siegesfeld die kostbaren Schätze getragen, die Karl in jeder Schlacht bei sich führte: goldene und silberne Gefäße aller Art, Teppiche und Tücher der kostbarsten Stoffe, vor Allem des Burgunders goldener Thronsessel mit dem Herzogshut und dem Herzogsstabe. – Wie in den Herzen, so in den Kirchenbüchern wurde der Tag bei Granson feierlich eingetragen.

Sollen wir weiter erzählen von den Schlachten bei Murten und Nancy? Noch zweimal führte der kühne Herzog seine Schaaren gegen die Schweiz, und zweimal noch wurde er von den „Bauern“ in die Flucht geschlagen, bis ihn sein Schicksal erreichte und er als Leiche auf dem Boden lag, den er als sein Eigenthum zu erobern gekommen. Kriegskunst, Waffenreichthum und Ueberlegenheit an Kriegsschaaren und Geschützen – sie gingen zu Schande einem Volke gegenüber, das mit Muth und Kraft das Reichspanier der Vaterlandsliebe hoch hielt und für seine Ehre zu fechten und zu sterben wußte.




Blätter und Blüthen.


Venus bei hellem Tageslicht mit bloßem Auge sichtbar. „Hell, wie der Stern vorstrahlet in dämmernder Stunde des Melkens, Hesperos, der am schönsten erscheint vor den Sternen des Himmels.“ Mit diesen Worten preist Homer den glänzenden Anblick der Venus als Abendstern und vergleicht mit ihr den Glanz der Rüstung des gegen Hektor zum entscheidenden Kämpfe dahinstürmenden, göttergleichen Peliden Achilles. In der That übertrifft auch Venus an Glanz und Helligkeit alle anderen Sterne des Firmamentes; aber nur zu gewissen Zeiten ist sie uns sichtbar, bald links oder östlich von der Sonne am Abendhimmel als Abendstern, bald rechts oder westlich von der Sonne am Morgenhimmel als Morgenstern; und auch dann, wenn sie uns sichtbar ist, bietet sie nicht jedesmal denselben glänzenden, prachtvollen Anblick dar, mit dem sie uns gegenwärtig entzückt. Dieser, sowie das Sichtbarwerden der Venus bei hellem Tageslicht und mit unbewaffnetem Auge, hängt von ihrer Stellung zur Erde und zur Sonne in der Zeit ihrer Sichtbarkeit, und von atmosphärischen Zuständen ab.

Hier will ich mich nur darauf beschränken, auf die diesjährige zweimalige glanzvolle Erscheinung der Venus als Abendstern und später als Morgenstern aufmerksam zu machen. Venus hat Mitte Mai ihre größte scheinbare Entfernung (Ausweichung oder Digression) östlich von der Sonne erreicht; ihre Scheibe ist dann halb erleuchtet, wie der Mond bei dem ersten Viertel, hat aber noch nicht den größten Glanz entfaltet, welcher hauptsächlich von der größeren Annäherung zur Erde abhängt; zu der Zeit ihres größten Glanzes ist ihre Scheibe nur zum dritten Theile erleuchtet und zeigt sich uns in einem Fernrohre (selbst einem mäßig starken Opernglase) sichelförmig, aber von blendendem Glanze; dies findet in diesem Jahre am 11. Juni statt. Aber schon von Ende Mai ab bis zum 15. Juni kann man Venus mit unbewaffnetem Auge bei hellem Tageslicht erblicken. Die bequemste Zeit, sie am Himmel aufzusuchen, ist Nachmittag 3 Uhr, wo sie im Meridian oder wenigstens in der Nähe desselben, also gerade im Süden steht, für das mittlere Deutschland 63 Grad über dem Horizonte; man wird sie am leichtesten finden, wenn man sich an einem sternenhellen Abend den Ort am Himmel genau merkt, wo ein Stern oder auch die Spitze eines Thurmes oder Baumes, von einem bestimmten, willkürlich gewählten Standpunkte aus, die angegebene Höhe von circa 63 Grad in dem Meridiane hat. Venus steht gegenwärtig (Ende Mai) in dem Sternbilde der Zwillinge und rückt im Juni noch bis zu dem Krebse vor, um alsdann wieder für einige Zeit rückläufig zu werden.

Ihr Glanz aber vermindert sich bald nach dem 15. Juni, weil trotz der größeren (wirklichen) Annäherung zur Erde der erleuchtete Theil ihrer Scheibe, die Sichel, zu schmal ist, um einen großen Glanz zu entwickeln; dieser wird auch noch dadurch beträchtlich vermindert, daß Venus scheinbar immer näher an die Sonne rückt und endlich in der Dämmerung verschwindet, noch ehe sie sich zwischen Sonne und Erde stellt, wobei sie uns nur die dunkle Seite zuwendet, welche für uns ganz unsichtbar wird. Dies geschieht am 19. Juli d. J., man sagt dann: Venus ist in der unteren Conjunction mit der Sonne (♀ untere ☌ ☉, wie in den Kalendern steht). Bald darauf erscheint Venus rechts, d. h. östlich von der Sonne als Morgenstern vor Sonnenaufgang; in den ersten Tagen des August hat ihr Glanz bereits so zugenommen, daß sie unter den hellen Sternen der Zwillinge (Castor und Pollux) und über Procyon im kleinen Hunde leicht erkannt werden kann; ihren größten Glanz als Morgenstern erreicht sie in der ersten Hälfte des September; sie steht alsdann im Krebs und kann um diese Zeit ebenfalls mit unbewaffnetem Auge gesehen werden, wenn man sie des Vormittags 9 Uhr im Ortsmeridiane ungefähr 55° hoch aufsucht.

Das Sichtbarwerden der Venus bei hellem Tageslicht und mit unbewaffnetem Auge ist übrigens schon zu wiederholten Malen ein Gegenstand des Staunens, ja früher sogar des Aberglaubens bei der unwissenden Menge des Volkes gewesen; so am 5. Februar 1630 zu Tübingen, am 21. Juli 1716 zu London, 1750 und 1798 zu Paris.

v. B.




Die Seeschlange abermals – ein Phantom! Die Gartenlaube brachte in ihrer Nr. 17 nach dem in der Hafenstadt Hamilton erscheinenden Wochenblatt „the Bermudian“ die Mittheilung, welche die geehrte Redaction indeß gleich von vornherein mit einigem Zweifel aufzunehmen schien – daß nämlich in der Hungarybay endlich und wirklich die große Seeschlange zum Vorschein gekommen sei. Dieser Zweifel ist nun wohl völlig gerechtfertigt, wie unsere Leser aus nachstehenden Mittheilungen, die wir dem Professor Dr. J. J. Kaup in Darmstadt verdanken, ersehen werden. Der bekannte Naturforscher sagt darüber Folgendes:

„Die im Hamiltoner Wochenblatt gegebene Beschreibung der angeblichen Seeschlange – welche in der That nichts weiter ist, als ein Fisch – ist eine ziemlich genau zutreffende; leider fehlt eine Angabe über die Zahl der Strahlen in der Rücken-, Brust- und Bauchflosse, sowie darüber, daß die Schwanzflosse sehr rudimentär gewesen. Es ist indeß schon hiernach keinem Zweifel unterworfen, daß diese „Seeschlange“ einem schon längst bekannten Genus, – den „Heringskönigen“ – angehört, welche der bekannte Berliner Ichthyolog Elias Bloch Gymnetrus und Brunnich Regalecus genannt hat. In diesem Genus kommen Fische von 6 bis 8 bis 11, ja sogar bis 18 Fuß Länge vor, auch finden sich dieselben in jedem Meere. Da ihre einzelnen Arten höchst zarter Natur sind, so findet man höchst selten Exemplare, die nicht an einem Theile des Körpers verletzt sind; der Fisch lebt wahrscheinlich in der größten Meerestiefe, und nur sterbende Individuen werden zufällig an das Ufer gespült, wo sie, wenn nicht sogleich bemerkt, schnell in Fäulniß übergehen.

Dies ist hauptsächlich der Grund, weshalb die Wissenschaft bisher so äußerst wenig über die „Heringskönige“ zu sagen weiß; sehr wenig Museen (deren Dr. Kaup einen großen Theil aus eigener Anschauung kennt) besitzen junge Individuen, von älteren Thieren hat man nur flüchtig entworfene, meist ungenaue Zeichnungen oder Fragmente des Thieres selbst.“

Die Erzählung des Hamiltoner Wochenblatts erscheint sonach nicht als amerikanischer Humbug, wie uns die Gartenlaube vermuthen läßt, sondern trockene Wahrheit, aus der jedoch deutlich hervorgeht, daß diese neue Seeschlange keine Seeschlange (eine solche wird wohl immerdar ein Phantom bleiben, wie bisher alle Männer der Wissenschaft erklärt), sondern ein langgestreckter Fisch ist, dessen Familie den Thunfischen ähnlich, und der, nach seinen Kiefern zu urtheilen, nur kleine Fische verschlingt.



Für „Vater Arndt“

gingen im Laufe der letzten vierzehn Tage wieder ein: 100 fl. Die Studirenden des Wiener Polytechnikums – 1 Thlr. E. H. in G. – 11 Thlr. Mehrere Wiener, deren Vaterland größer ist – 18 Thlr. 15 Ngr. Dritte Sammlung der Turnzeitung.

Ernst Keil.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_384.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)