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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Somit hatten wir im Kleinen eine ganz hübsche, stricte Beamten-Hierarchie. Wir brauchten den Behos’ten blos zu sagen, was geschehen solle, und sie sorgten mit heißem Amtseifer dafür, daß es streng und pünktlich geschah. Abends ließen wir sie nach Trommeln und Cymbeln tanzen, was sie sich mit aller Negerlust und oft zum Kranklachen zu Nutze machten. Trauer und Sentimentalität schienen ihnen auch in dieser Lage fremd zu sein. Sie haben etwas Kindliches und Thierisches und genießen mit voller Kraft den Augenblick, ohne sich durch Erinnerungen oder Befürchtungen stören zu lassen.

Um 3 Uhr gab’s eine zweite warme Mahlzeit von denselben Substanzen, wie das Frühstück, und eine dritte Abends um 8 Uhr, worauf sie für die Nacht in ihr Zwischendeck zum Schlafen vertheilt und verpackt wurden. Licht war streng verboten, selbst wir gebrauchten nie solche Beleuchtung, die von außen hätte gesehen werden können.

Nach dreitägiger Fahrt bekamen wir Bocca Grande auf der Insel Cuba in Sicht. Um die Küsten dieser Perle der Antillen schwärmen viele Fischer- und Piloten-Boote, die fast alle im Solde der Sclavenhändler und Sclavenbesitzer stehen. Sie spioniren nach Kriegsschiffen und denunciren ihnen Sclavenschiffe, um erstere irre und letztere durch geheime Signale in Sicherheit zu führen. Diese Art von Küsten-Diplomatie ist ganz ordentlich und großartig organisirt: die Leute lösen sich alle zehn Tage ab und erstatten sich gegenseitig immer sorgfältig Bericht. Auch uns kamen solche Warnungs-Engel, die unsertwegen ausgesandt waren, entgegen und berichteten uns, daß das englische Kriegsschiff Basilisk „im Winde läge“, so daß wir wieder das Weite suchen müßten. Unsere Ordre vom Lande aus lautete: vier Tage lang grade küstenabwärts zu segeln und dann zurückzukehren. So thaten wir, um abermals seewärts dirigirt zu werden. Dies wiederholte sich mehrere Male, wobei wir einmal scharf Gefahr liefen, von einem andern englischen Kriegsschiffe auf’s Korn genommen zu werden. Diese Gefahren und die Langeweile zugleich brachten uns endlich auf den kühnen Plan, in einem der vielen versteckten Cay’s von Cuba zu ankern und im Falle der äußersten Gefahr die Sclaven zu landen, wodurch uns wenigstens Straflosigkeit gesichert worden wäre. Verurtheilung und selbst bloße Confiscation eines Sklavenschiffes ist gesetzlich nur dann möglich, wenn Sclaven auf oder in demselben gefunden werden.

Inzwischen hatte der Capitain unsers Wach-Bootes, das uns die verschiedenen Ordres vom Lande gebracht, dem „Basilisk“ als Pilot, uns zu fangen, gedient und er hatte das englische Kriegsschiff natürlich in entgegengesetzte Richtung gebracht. Nachdem wir zwei Tage vor dem Cay gewartet, erschienen plötzlich fünf Boote, die für solche Zwecke immer hinter Felsenklüften versteckt liegen, gaben verabredete Zeichen, brachten Kleider für die Sclaven und Geld für unsere Mannschaft, die glänzend ausbezahlt ward, ehe ein Sclave das Schiff verließ, wie das so Gesetz in diesem gesetzlosen Geschäft ist, und nahmen die Sclaven in Empfang. Jeder gemeine Matrose bekam 200 Pfund Sterling und ich meine Extra’s für Dolmetschung etc. Nach einer Reise von fünf Monaten und vierzehn Tagen landeten wir 717 Sclaven bis zum Abende, worauf wir unser Schiff an 17 Stellen zugleich in Brand steckten. Während wir vom Ufer zusahen, rief der Capitain mit seemännischer Sentimentalität: „Da brennt er denn, Jungens, der Brave, womit wir unser Geld gemacht, der schöne, prächtige, fliegende Rosario!“

Wir landeten in Bocca Grande, dem eigentlichen Hafen der Sclaveneinfuhr, und brauchten neun Tage, um Havannah zu erreichen, da wir uns unterwegs öfter verstecken und flüchten mußten, um dem Zorne der nicht sclaveninteressirten Bewohner und Auslieferungen zu entgehen. Leute, die ahnten, wo wir herkamen, gaben uns kein Glas Wasser, so daß ich ein Glas öfter mit einem halben Dollar erkaufen mußte.

So weit der Bericht des Sclavenschiff-Seemannns aus England. Wir fügen nur noch die Moral hinzu, daß er hernach auf dem „Basilisk“ aus praktischer Erfahrung Sclavenschiffe fangen half, die ohne die hier mitgetheilte Fahrt und Erfahrung wahrscheinlich so glücklich gewesen wären wie der „fliegende Rosario“.




Blätter aus einem diätetischen Recept-Taschenbuche.
III. Diätetisches Recept für Unterleibskranke.

Unter „unterleibskrank“ wollen wir hier den Leidenden verstanden wissen, der, ohne ein langwieriges, unheilbares (chronisches, organisches) Uebel irgend eines der Organe des Unterleibes zu haben, von Beschwerden heimgesucht wird, die ihr Entstehen einer Störung des Blutlaufs innerhalb des Verdauungsapparates, also in den Blutgefäßen des Magens und Darmcanales, sowie in der Milz und Leber, verdanken. Diese Störung beruht vorzugsweise in erschwertem Hinströmen des Blutes vom Magen, Darmcanale und von der Milz nach der Leber, sowie in verlangsamtem Durchflusse des Blutes durch die Leber. Die hierbei vorzugsweise betheiligte Blutröhre heißt die „Pfortader“; diese sammelt nämlich das schlechte Blut der Milz, des Magens und Darmcanales (auch des Mastdarmes), führt es in die Leber und vertheilt es hier so, daß die schlechten Bestandtheile dieses Blutes (als Gallenmaterial) ausgeworfen werden können und nach dieser Entfernung ein gereinigtes Blut aus der Leber (durch die Leberblutadern) zum Herzen strömt.

Der Krankheitszustand, der hier gemeint ist, wird auch als „Pfortaderstockungen, Unterleibsanschoppung, Hämorrhoidal-Leiden, Abdominalplethora“ bezeichnet, und ist derjenige, bei welchem die Mehrzahl der Arztheit Schwefel und Karlsbad verordnet (s. Gartenlaube 1854. Nr. 18). Er findet sich hauptsächlich bei Solchen, die eine sitzende Lebensweise (zumal mit Krummsitzen) bei mangelhafter Bewegung im Freien und reichlicher nahrhafter Kost führen; vorzugsweise tritt er aber dann auf, wenn sich zur sitzenden Lebensweise mit allzureichlicher Kost anstrengende geistige Arbeit, häufiger Genuß spirituöser Getränke, niederdrückende Gemüthseinflusse, geschlechtliche Ausschweifungen und Mißbrauch von Abführmitteln (besonders der starkwirkenden in Pillenform) gesellen. Bei Frauen tragen auch die zu straff gebundenen Unterrocksbänder und das Schnürleibchen durch Druck auf die Leber viel zur Störung des Pfortaderblutlaufes bei (s. Gartenlaube 1855. Nr. 16 und 1853. Nr. 26).

Die Beschwerden, welche der gestörte Unterleibs-Blutlauf veranlaßt, treten am ausgeprägtesten beim Staatshämorrhoidarius und Hypochonder hervor. Sie sind anfangs nur gering und mehr örtlicher Art, wie unangenehme Empfindung von Druck und Völle in der Oberbauchgegend (besonders nach dem Essen) mit Gefühl von Beklommenheit auf der Brust, nicht selten auch mit heftigeren Kolikschmerzen; Appetitsstörungen und unregelmäßiger Stuhlgang (bald Verstopfung, bald Durchfall); Blähungsbeschwerden und Hämorrhoidalleiden (am Ausgange des Mastdarms). – Nach und nach findet sich unter Steigerung der genannten örtlichen Beschwerden und bei immer mehr zunehmender Verdauungsstörung, auch eine Trübung des Allgemeinbefindens ein, die sich durch Unlust zum Arbeiten, Mißmuth, Aergerlichkeit, Traurigkeit (Hypochondrie), Willensschwäche und Kraftlosigkeit zu erkennen gibt. Sie hat ihren Grund ohne Zweifel in einer Verschlechterung der ganzen Blutmasse in Folge der Beimischung des schlechten in der Leber nicht gereinigten Pfortaderblutes. Diese Beimischung kommt aber unten am Mastdarme durch die Hämorrhoidal-Blutadern zu Stande, indem hier mittels der Gefäßverbindungen Pfortaderblut in die Beckenblutader übertritt und so, ohne oben die Leber zu passiren, zum Herzen strömt.

Es ist sonach bei unserm Unterleibsleiden die Aufgabe: den Pfortaderblutlauf nach der Leber hin und durch diese hindurch zu befördern, nicht aber das Pfortaderblut, wie dies viele Heilkünstler durch Blutegel an den After zu erreichen suchen, nach dem Mastdarme hinzuziehen. – Der träge Pfortaderblutlauf läßt sich nun aber recht leicht dadurch flott machen, daß man die Kräfte, von denen dieser Blutlauf abhängig ist, gehörig unterstützt und bethätigt; es sind: die Herzthätigkeit, die Athmungs-, Bauchwand- und Magen-Darm-Bewegungen, der passende Flüssigkeitsgrad des Pfortaderblutes und die unbehinderte Ausdehnung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_328.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)