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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Schollen mit eisernen, langstieligen Pfannen gegen den Wind auf dem Acker umher zu werfen.

Das Ausbrennen eines einzelnen Stückes währt einen bis zwei Tage, bei feuchter Witterung noch länger. Ende Mai oder Anfang Juni wird in den so zubereiteten Boden der Buchweizen gesäet. Dasselbe Ackerstück wird auch in den folgenden Jahren, jedesmal vor der Einsaat des Buchweizens, wieder gebrannt. Hat der Moorboden einige Jahre Buchweizen getragen, so wird er hier und da, namentlich auf dem ostfriesischen Hochmoor, auch fähig, Roggen zu tragen, der an manchen Stellen sogar ohne weitere Düngung sehr gut gedeiht. Doch auch vor der Einsaat des Roggens muß der Boden jedesmal gehackt und gebrannt werden. Es finden daher, obgleich weniger häufig, auch im Herbst Moorbrände statt.

Hier haben wir die thatsächlich feststehende Ursache einer ganz kolossalen Rauchentwicklung vor uns. Jeder weiß, daß ein völlig ausgetrocknetes Stück reinen Torfes mit kleiner Flamme brennt, und dabei sehr viel Rauch und einen penetranten, eigenthümlichen Geruch erzeugt. Nun denke man sich, daß die vielen tausend aus noch ziemlich feuchtem Torf und den Wurzeln und Stengeln verschiedener Moorpflanzen bestehenden Schollen eines einzelnen Ackerstückes auf einmal in Brand stehen. Welche ungeheure Masse Rauch muß das geben! Man denke sich ferner, daß nicht ein einziges, daß nicht zehn oder hundert, sondern daß Tausende von Ackern zu gleicher Zeit brennen, deren Flächengehalt nach Quadratmeilen zu berechnen ist, und man wird zugeben, daß dies genug Rauch gibt, um ganz Deutschland und noch einige umliegende Gegenden einzuräuchern.

Dieser Rauch ist da, wo Moor gebrannt wird, und auf mehrere Meilen in der Nachbarschaft so dicht, daß man daselbst bei sonst heiterem Himmel die Sonne kaum erkennen kann. Alle Gegenstände erscheinen durch den Moorrauch in gelbröthlicher Färbung.

Dieser Rauch nur ist es, welcher unter günstigen Umständen, wozu vor allen eine trockne Luftbeschaffenheit zu zählen ist, von den Strömungen des ewig beweglichen Luftmeeres aufgenommen, viele Meilen weit fortgetragen wird und sich über unsere Fluren als sogenannter Höhenrauch verbreitet. Höhenrauch nennt man ihn deshalb, weil die in größerer oder geringerer Entfernung den Horizont begrenzenden Anhöhen es am besten erkennen lassen, wenn die Durchsichtigkeit der Luft durch Dünste oder, wie hier, durch Rauch vermindert worden ist, und weil diese Höhen dann in Rauch eingehüllt erscheinen. In Gegenden, wo es keine über die Ebene hervorragende Höhen gibt, wie in der norddeutschen Ebene, kennt man den Ausdruck Höhenrauch gar nicht; überdies ist man dort mit der Herkunft des Qualmes zu wohl bekannt, um ihn nicht mit seinem rechten Namen zu nennen. Dieser Name ist Moorrauch.

Einen Reisepaß hat dieser Gast aus der Fremde, wenn er bei uns in Mitteldeutschland einkehrt, nicht vorzuweisen, wohl aber führt er einen sehr glaubwürdigen Heimathschein mit sich, und das ist der ganz unverkennbare, oft penetrante Geruch nach brennendem Torf. Dieser Geruch ist so deutlich, daß er allein schon für Jeden, der eine Nase zum Riechen hat, hinreichen sollte, um die Herkunft des Höhenrauches zu beweisen. Der Torfgeruch wird um so auffallender, jemehr man sich dem Heerde der Moorbrände nähert. Dasselbe ist der Fall mit der gelbröthlichen Färbung des Höhenrauches, welche mit der Annäherung an die Moorgegenden zunimmt und oft schon, wenn man noch zehn bis zwölf Meilen davon entfernt ist, in ein intensives Braunroth übergeht.

Sehr beweiskräftig ist ferner der Umstand, daß Höhenrauch nur zu solchen Zeiten sich zeigt, in denen nachgewiesenermaßen bedeutende Moorbrände stattfinden, das ist im Mai und Juni, oft auch im Herbst zur Zeit der Einsaat der Winterfrüchte.

Endlich ist noch hervorzuheben, daß der Höhenrauch – oder sagen wir nun doch richtiger: der Moorrauch – uns mit höchst seltenen Ausnahmen durch eine solche Richtung des Luftstromes gebracht wird, die geradeswegs auf die Gegend des Moorbrennens hinweist. Dies ist also für den größten Theil von Deutschland Nordwestwind. Die eben erwähnten Ausnahmen finden in der anerkannten Thatsache, daß in den oberen Luftregionen oft eine ganz andere Windrichtung stattfindet, als in den unteren, ihre einfache Erklärung. Es ist z. B. recht gut möglich, daß die Rauchmassen durch einen Westwind gehoben und weit fortgetragen werden, sich dann senken, und durch Ostwind uns zugeführt werden.

Man hört oft den Einwand, es sei nicht möglich, daß Rauch auf so weite Entfernungen hin sich verbreiten könne. Man meint dies eben nur, ohne zur Begründung seiner Meinung etwas einigermaßen Stichhaltiges anführen zu können. Lassen wir dagegen Thatsachen sprechen! Im Januar 1835 warf der Vulcan Cosiguina eine ungeheure Menge Asche aus, welche die Atmosphäre in einem Umkreise von 220 geographischen Meilen verdunkelte, und noch als dichter Aschenregen in einer geraden Entfernung von 180 geographischen Meilen auf Jamaica niederfiel. Der Verbreitungskreis dieses Aschenregens hatte mindestens 4000 englische Meilen im Umfange; sein Flächengehalt war daher etwa acht Mal so groß als der von ganz Deutschland. Allen Respect vor der Rauchproduction des Cosiguina! aber ich zweifle doch, ob er in gleicher Zeit ebenso viel Rauch auszuspeien vermag, als einer halben Quadratmeile brennenden Moorbodens entsteigt. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß vor ungefähr 30 Jahren in Weimar bei Ostwind ein ziemlich dichter Aschenregen niederfiel. Unter den Kohlentheilchen dieses Regens befanden sich halbverkohlte Stückchen von Strohhalmen und halbverkohlte Papierfetzchen. Es ergab sich, daß dieser Aschenregen einer Feuersbrunst entstammte, die denselben Tag in der zehn Meilen entfernten Stadt Ronneburg 20 bis 30 Häuser verzehrt hatte. Aehnliche Beispiele von Wanderungen des Rauches auf noch größere Entfernungen hin sind notorisch bekannt. Was will aber die Rauchmenge, welche beim Abbrennen von 20, 50, ja Hunderten von Häusern entsteht, sagen gegen die unermeßliche Masse von Qualm, die nur 20 oder 50 Acker brennenden Torfmoores verbreiten! Und welche ungeheure Strecken hat denn eigentlich der Moorrauch zurückzulegen, ehe er bis zu uns gelangt? Etwa 180 Meilen, wie der Rauch, welcher aus dem Cosiguina über’s Meer bis nach Jamaica wanderte? O nein! von den Gegenden, wo Moor gebrannt wird, bis nach Thüringen und Sachsen beträgt die directe Entfernung nur 40–50, bis Carlsruhe 60, bis München und Prag 80, bis Berlin 40 Meilen!

Viele wollen in dem Moorrauch durchaus eine meteorologische Erscheinung erblicken, weil sie einen gewissen Einfluß des Rauches auf die Witterung zu erkennen glauben. Bald soll der Moorrauch schuld sein an anhaltend trockener Witterung, bald an rasch mit ihm zugleich eintretender kühler Temperatur, bald an der Zertheilung aufsteigender Gewitterwolken. An dem Allen ist etwas Wahres, nur ist auch hier wohl zu unterscheiden. Daß es beim Erscheinen des Moorrauches oft kalt wird, hat darin seinen Grund, daß der Nordwestwind, auf dessen Fittigen der Rauch daher schwebt, in der Regel Kälte bringt. Also nicht der Rauch, sondern der Nordwestwind ist schuld an der kühleren Temperatur. Was die Trockenheit der Luft betrifft, so ist zu bedenken, daß der Moorrauch sich nur bei trockener Luftbeschaffenheit weit zu verbreiten vermag, weil die Aschentheilchen, aus denen er besteht, sich rasch vollsaugen, wenn die Luft sehr feucht ist, dadurch schwerer werden und zu Boden sinken. Also war die Luft schon trocken, als der Höhenrauch kam. Indessen ist die Möglichkeit nicht zu leugnen, daß ein weit verbreiteter Moorrauch das längere Fortbestehen trockner Witterung befördert, weil seine zahllosen Aschentheilchen die in der Luft stets enthaltenen Wasserdünste zum großen Theil aufsaugen und so die Atmosphäre noch trockner machen, als sie vorher war.

Unbedingt muß man aber zugeben, daß der Moorrauch sehr wohl im Stande ist, durch sein Auftreten das Zustandekommen von Gewittern zu verhindern. Die stets mit positiver Elektricität geschwängerte Rauchmasse wird von der negativ-elektrischen Erdoberfläche angezogen, und lagert sich zwischen dieser und den darüber schwebenden positiv-elektrischen Gewitterwolken. Nun kann zweierlei stattfinden. Entweder dient die weit ausgedehnte Rauchmasse vermöge der großen Berührungsfläche, welche sie den Wolken sowohl wie der Erde bietet, zur allmählichen Ausgleichung der beiden entgegengesetzten Elektricitäten, wodurch die nothwendigste Bedingung für die Entstehung des Gewitters wegfällt. Oder die positiv-elektrische-Rauchmasse wirkt abstoßend auf die mit gleichartiger Elektricität geladenen Wasserbläschen, deren dichte Anhäufung die Gewitterwolken bildet. Letztere werden dadurch veranlaßt, sich in höhere Luftschichten zu erheben, wo sie vom Winde erfaßt, fortgeführt und zerstreut werden. Wir können diese Vorgänge hier nur andeuten und müssen als bekannt voraussetzen, daß ungleichartig-elektrische Körper sich anziehen, gleichartig-elektrische sich abstoßen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_312.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)