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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 20. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


In den Casematten Magdeburgs.

Von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)

Nachdem das von den Gefangenen der Casematte gegrabene Loch so tief war, daß Frohn bis unter die Achseln darin stak, als er hineinsprang, ließ er den Sand seitwärts, unter der äußeren Mauer der Casematte fortwühlen. Es konnten nur noch zwei Leute da unten neben einander arbeiten, weil nur so viel Platz fanden; zwei andere hoben den Sand nach oben, wo wieder andere ihn bei Seite schafften. Es war eine regelmäßige Minenarbeit, die auffallend rasch in dem weichen Erdreich gefördert wurde.

Plötzlich, und mitten in ihrer Thätigkeit, welche die zwei Wühler trotz der fast völligen Dunkelheit, die jetzt da unten herrschte, fortgesetzt hatten, hörten sie auf, kamen aus ihrer Mine zurückgekrochen und hoben sich, während der Sand wie ein Regenguß von ihnen niederrieselte, in die Höhe.

„Ihr könnt nicht mehr sehen?“ sagte Frohn – „ich habe ein Licht, das ich Euch geben will …“

„Es ist nicht darum,“ versetzte Einer der Leute, mit einem Gesichte, auf dem man, wenn es heller Tag gewesen wäre, deutlich eine gewisse Ueberraschung hätte lesen können – „aber der Sand ist vor uns zusammengestürzt, und es liegt ein offenes Loch wie eine Höhle vor uns.“

„Das wußt’ ich, und dahinein wollt’ ich eben!“ sagte der Officier. „Kommt jetzt nur heraus,“ fuhr er fort, indem er tastend aus seiner unerschöpflichen Matratze allerlei Dinge hervorzog, deren nähere Beschaffenheit die Umstehenden nicht mehr unterscheiden konnten. Dann warf er seine Mütze ab, knöpfte den knappen Uniformrock dicht über der Brust zusammen und sprang in das Loch hinunter. Unten begann er sofort eine Manipulation, welche zeigte, daß er sich mit Feuerzeug versehen habe, und nachdem er eine kleine Diebslaterne angezündet, leuchtete er mit dieser in den ausgeworfenen Minengang hinein. Nach einer Weile sagte er, sich halb aufrichtend: „Ich werde dahinein kriechen, Leute, hab’ aber Einen zur Begleitung nöthig. Freiwillige vor! Wer meldet sich?“

Zwei, drei verwegen aussehende Kerle waren sofort bei der Hand. „So mag’s der Auerhuber sein,“ sagte der Officier; „also Du folgst mir, Auerhuber, so daß immer vier Schritt Entfernung zwischen uns bleibt; wenn der Sand über mich einstürzen sollte, so säumst Du nicht, mich bei den Beinen schnell zurückzuziehen – verstehst Du?“

„Versteh Eur Gnoden schon, hob’n’s kein Trema!“ sagte der Auerhuber, und nachdem er sein leinenes Wamms zusammengeknüpft, sprang er dem Officier in die Grube nach.

Dieser verschwand nun in die aufgeworfene Mine und trat seine Wanderung auf allen Vieren an. Der Gang, dem seine Leute entgegengearbeitet, und den sie so glücklich getroffen hatten, lag etwas seitwärts, zur Linken; um hineinzukommen, bedurfte es jedoch nur einer kleinen Schlangenwendung. Er war allerdings nicht so weit und bequem zu passiren, wie der, welchen Frohn hatte auswühlen lassen – aber er bot auch für einen starken Mann mit breiten Schultern hinlänglich Raum dar; seine Höhe mochte ungefähr drei Schuh betragen. Er war in der Form eines Gewölbes oben ausgerundet.

Frohn arbeitete sich rasch in diesem Gange vorwärts. Als er etwa zwanzig Fuß weit gekommen, flüsterte er seinem Begleiter zu: „Nun, wie geht Dir’s, Auerhuber – hast Du Luft?“

„Es thut’s halt noch, Eur Gnoden,“ flüsterte Auerhuber zurück – „aber neugieri bin i holt, wos der Fuchs sogt, der dies Loch groben hat, wenn’s in sein Nest eini schaug’n!“

„Wir sind nicht weit mehr von dem Nest, mein’ ich,“ antwortete Frohn, „denn ich fühle frischere Luft mir entgegenströmen.“

„Na, desto besser is’,“ meinte Auerhuber.

Die unterirdische Reise wurde fortgesetzt. Nach einer Weile sah Frohn beim Scheine seines glimmenden Laternchens, daß er sich nicht mehr zwischen Sand, sondern zwischen starken durchbrochenen Mauern befand, welche hier viel dicker und tiefer fundamentirt waren, als diejenigen, die vorher seine Leute zu überwinden gehabt hatten. Es mußte außerordentlich viel Mühe und unsägliche Ausdauer gekostet haben, den Gang durch sie hindurch zu führen. Dann sah er sich in einem oben offenen, brunnenartigen Loch, ähnlich, nur viel kleiner, wie das, welches drüben in seiner Casematte den Eingang zu der Mine bildete.

Als Frohn so weit gekommen war, hob er sich auf seinen Knieen in die Höhe, leuchtete mit der Laterne rings umher und richtete sich dann leise auf, indem er die Leuchte so hoch wie möglich emporhielt. Er stand bis an die Brust in dem Loche; ein offenbar ausgehobener Boden von dreifachen festen Planken umgab ihn in dieser Höhe.

Der Schein seines kleinen Lichtes zitterte schwach und unzulänglich in dem Raum, in welchem sich Frohn, wenigstens mit dem Kopfe und den Schultern, befand, umher. Der gefangene Officier nahm zuerst nur ein niedriges Gewölbe, dann eine nackte Wand, dann etwas, was dicht vor ihm lag und einem gefüllten Sacke glich, wahr … dann – er erschrak dabei trotz aller seiner Herzhaftigkeit – hörte er einen tiefen Athemzug. Als er rasch die Blicke nach der Seite warf, woher der Laut kam, sah er eine hohe,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_305.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2017)