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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Vorwande einer Jagdpartie oder eines anderen Vergnügens versammelten sie sich bald bei einem wohlhabenden Gutsbesitzer auf dem Lande, bald in einer kleinen Stadt, wo sie sich weniger bemerkt glaubten. Hier wurden im Stillen die nöthigen Verabredungen getroffen, neue Bundesglieder aufgenommen, wichtige Nachrichten mitgetheilt und die Befreiung des Vaterlandes geräuschlos vorbereitet. Die Kunde dieser Vorgänge verbreitete sich durch ganz Deutschland, obgleich der Verein ursprünglich nur auf Preußen beschränkt blieb; sie flog über die Elbe zu den Völkern, die in westphälischer und französischer Gefangenschaft saßen; Vertraute bargen das heilige Feuer vor dem Auge der Bedrücker und warfen in die Nacht der namenlosen Leiden den Hoffnungsstrahl der Erlösung; die Niedersachsen, die Westphalen und Hessen klirrten mit ihren Ketten, und der Argwohn der Fremden glaubte sich von unsichtbaren Gefahren umgeben: sie fühlten das Wehen des Geistes, der ihre finsteren Werke zerreißen sollte.“

Der ausgestreute Samen blieb nicht ohne Frucht, aber leider war die Zeit der Reife noch nicht gekommen. Am 28. April 1809 verließ der Major Schill, der zum Tugendbund gehörte, heimlich mit seinem Regimente Berlin, um auf eigene Hand Napoleon den Krieg zu erklären. Zu gleicher Zeit erhob sich in Hessen der Oberst Dörnberg in ähnlicher Absicht; eine große Anzahl muthiger und tapferer Männer schloß sich ihnen an, beseelt von der edelsten Begeisterung. Beide Unternehmen scheiterten an der Unentschlossenheit der deutschen Regierungen und weil das Volk noch nicht genügend vorbereitet war. Der edle Schill büßte sein kühnes Wagen mit dem Leben; er starb den Heldentod in Stralsund, während Dörnberg sich durch Flucht dem gleichen Schicksal zu entziehen wußte.

Es genügte, daß Schill Mitglied des Tugendbundes war, um diesen zu seinem Mitschuldigen zu machen. Die Feinde des Vereins erhoben jetzt lauter als je ihre Stimme und beschuldigten ihn der gefährlichsten Tendenzen; mit ihnen zugleich forderte Napoleon, wenn auch nicht direct, die Auflösung des Tugendbundes. Diese erfolgte am 31. December 1809 auf Befehl des Königs, wonach die Auflösung ohne alles öffentliche Aufsehen, aber vollständig geschehen, alle Papiere abgeliefert und versiegelt, die Mitgliedschaft weder im Guten, noch im Bösen angerechnet werden, und die Censurbehörde keine Schriften und Aeußerungen über diese ganze Angelegenheit zum Druck gelangen lassen sollte.

Am 11. Januar 1810 wurde die königliche Cabinets-Ordre der letzten General-Versammlung in Königsberg durch den Prinzen von Hohenzollern mitgetheilt. In tiefster Trauer und unter Thränen trennten sich die Mitglieder, welche ein besseres Geschick verdient zu haben glaubten, aber ohne Murren sich dem Befehle des Königs fügten. Keiner war aber von dem schweren Schlage mehr niedergebeugt, als der Prinz von Hohenzollern; er verlangte, im Bewußtsein der edlen Zwecke des Vereins, eine strenge Untersuchung, die jedoch nicht erfolgte. Die Regierung wollte jedes Aufsehen vermeiden und begrub den Tugendbund in tiefster Stille.

Aber der Geist, aus dem er entsprungen, konnte nicht getödtet werden; er wirkte, wenn auch in anderer Form, lebendig in den Mitgliedern und in dem ganzen preußischen Volke fort. Das äußere Band war zwar zerfallen, um so leichter wurde der zerstreute Same durch das weite Land fortgetragen. Auch ohne Statut, Obere und gemeinschaftliche Versammlungen fanden und kannten sich die Freunde des Vaterlandes, die bald den großen „Tugendbund“ bildeten, der seine Mitglieder nicht nach Hunderten, sondern nach Hunderttausenden zählte und die ganze Nation, alle verwandten deutschen Stämme in sich aufnahm.

Max Ring.




Blätter und Blüthen.


Zwei Schillerreden. Nachdem der allgemeine Schiller-Jubel bereits seit Monaten verrauscht ist, und man mit nüchternen Blicken Alles anschaut, ist es Pflicht gerade solcher periodischer Blätter, wie die Gartenlaube, welche nicht flüchtig wie eine Alltagszeitung, sondern mit Bedacht in stiller Zurückgezogenheit gelesen wird, aus dem großen Wuste dieser neuesten Schillerliteratur die Perlen herauszulesen und darauf aufmerksam zu machen. Hierzu gehört aber ohne Zweifel eine Rede, welche am 10. November vor ausgewählten, wenn auch nur wenigen Zuhörern von Dr. Paul Möbius in dem Thomasgymnasium zu Leipzig gehalten worden und bei J. J. Weber in Leipzig in Druck erschienen ist. Es ist sicher für eine Rede ein lobendes Zeugniß, wenn selbst diejenigen, welche den mächtigen Einfluß des lebendigen Wortes erfahren haben, sie nachher mit Aufmerksamkeit und innerer Befriedigung durchlesen können. Und in der That ist dies dem Schreiber dieser Zeilen, der Zuhörer war, so ergangen. Um so mehr muß daher die genannte Rede diejenigen interessiren und anziehen, welchen sie ganz neu ist. Hierzu kommt noch, daß die oft berührte religiöse Frage in ihr in einer Weise behandelt wird, die sicher gerade auf die Leser der Gartenlaube einen angenehmen Eindruck hinterlassen dürfte.

Die kostbare Geistessaat, welche am großen Schillertage an den einzelnen Orten ausgestreut worden ist, fängt überhaupt an mehr und mehr Gemeingut zu werden, und ein patriotisches, nach hohen Zielen der Humanität und Geistesfreiheit ringendes Herz schlägt hoch entzückt von der Fülle von Schönheit und Kraft, die dieser Aussaat innewohnt und eine Ernte verspricht, wie Deutschland noch keine gesehen. Wenn nun ein Säemann noch jung an Jahren, ein Lehrer nach höherer Bildung strebender Jugend und ein Prediger des reinen Christenthums, ein echter Priester ist, so wünscht sich ein solches Herz Glück zu so ausgezeichneter Bekanntschaft. Einen solchen wackern Säemann lernen wir in Eduard Dressel, evangelischem Prediger und Gymnasiallehrer in Coburg, kennen, dessen am Schillerfeste ausgeworfener herrlicher Samen im Druck niedergelegt ist und die weiteste Verbreitung verdient. Seine „Rede zur Säcularfeier Schiller’s, im herzoglichen Gymnasium zu Coburg gehalten“, ist in der Riemann’schen Hofbuchhandlung erschienen, unter den Perlen der Redekunst, welche unser Nationalfest zu Tage gefördert, ohnstreitig eine der kostbarsten. Wahrlich, sie sollte in jedes humanen Deutschen Hand und Herzen sein! Voll Würde und Schönheit, voll Kraft und Gediegenheit, bringt sie mit den erhabensten Anschauungen des Menschenthums einen seltenen Gedankenreichthum, in die gefälligste Form gekleidet. Und dabei kein gemachtes Wort, keine Phrase, alles volle, echte Saatkörner voll treibender Lebenskraft. Wohl den Staaten, die Männer von solcher Geistesreife, wie Möbius und Dressel, aus den Reihen ihrer Jünglinge hervortreten sehen, und zehnfach Heil dem Vaterlande, das diese Männer zu den Lehrern seiner Jugend, zu den Vorkämpfern in den Geistesschlachten seiner Männer zählt!




Pariser Mittheilungen. Man schreibt uns aus Paris: „Die Unverschämtheit, mit der hier viele Franzosen von den natürlichen Grenzen sprechen, ist wahrhaft empörend für ein deutsches Ohr. Oesterreich werde zerfallen, Preußen dessen deutsche Provinzen sich nehmen (sic!), dafür jedoch den Rhein an Frankreich abtreten müssen, Landau in der Pfalz, das langjährige Eigenthum Frankreichs, an das Kaiserthum zurückgegeben werden. Preußen ist am bittersten gehaßt, weil man ihm allein die letzten Niederlagen Frankreichs zuschreibt. Mag es übrigens in Frankreich sein, wie es will, Deutschland kann trotzalledem noch viel von ihm lernen. Jeder Franzose, ohne Ansehen der Geburt, kann sich hier, sei es in der Armee, sei es in der politischen Carrière, eine hervorragende Stellung erwerben. Zählen Sie die bürgerlichen Marschälle Frankreichs gegen die Generale Deutschlands. Es ist ganz natürlich, daß ein solches Verhältniß den Muth der Soldaten stärkt. In Deutschland schlägt sich der Soldat für den Herrn von Gottes Gnaden und für die hohe Aristokratie. Daß ein Bürgerlicher zu höheren militairischen Würden gelangt, ist eine Seltenheit, in vielen Staaten eine Unmöglichkeit. Hat in Deutschland ein armer Teufel sich für sein Vaterland zum Krüppel schießen lassen, so hat er als Belohnung seine Entlassung und, wenn’s hoch kommt, die Erlaubniß zu erwarten, sein Brod – zu erbetteln. Frankreich und auch die Schweiz sorgen ganz anders für ihre Soldaten, die im Dienste des Vaterlandes ihre Gesundheit und Glieder verloren haben. Wie achtet man hier in Paris die Invaliden, wie werden sie gehätschelt von allen Seiten! Ich habe gesehen, daß Officiere der kaiserlichen Garde einem alten Invaliden, der an ihnen vorüberging, zuerst die militairischen Ehren erwiesen und, als der Invalide beim Gruße seinen Stock verlor, rasch hinzusprangen, den Stock aufhoben und mit einigen freundlichen Worten dem Krüppel überreichten. Wie würde in solchem Falle ein – Lieutenantchen gehandelt haben ?“




Für „Vater Arndt“

gingen ferner bei dem Unterzeichneten ein: 25 Thlr. und 21 fl. österr. Währung. Zweite Sammlung der Turnzeitung – 20 Ngr. Einige Frauen aus Freiberg – 1 Thlr. C. B. in Berlin – 15 Ngr. Vogelgesang in Ortelsdorf – 20 Ngr. Schnell in Broos (Siebenbürgen) – 1 Thlr. O. Kuhn, Forstaccessist – 2 fl. Zwei deutsche Mädchen aus Österreich (Wien) – 1 Thlr. G. F. D. in Weimar – 1 Thlr. von einer Dame in Danzig, Sophie Lenz, welche in demselben Hause geboren wurde, wo Arndts Wiege stand – 13 Thlr. Zweite Sammlung durch Herrn C. F. Schmidt in Frankenberg.


Und unsere Landsleute in Rußland? Haben sie den Deutschesten der Deutschen vergessen?

Ernst Keil.


Zur Beachtung!

Wir bitten unsere Leser, die der heutigen Nummer beiliegende Anzeige des vertrefflichen Werkes: „Hauslexicon“ von H. Hirzel nicht zu übersehen. Wir können das Buch als ein Universalwerk für das Haus Allen empfehlen.

Die Redaction.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_288.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)