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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

war sie, wie meine Diener mir erzählten, plötzlich wüthend auf denselben losgestürzt und hatte ihm derb mit Tatzenschlägen zugesetzt. Am andern Tage war er todt!

Einen großen Spaß bereitete uns Bachida eines Tages, freilich sehr zum Nachtheile eines Mitbewohners unseres Hauses. Im zweiten Theile unserer Wohnung, in dem sogenannten Harehm oder der Frauenabtheilung desselben, war nämlich ein dicker griechischer Kaufmann eingezogen, welcher uns durch sein eingebildetes Wesen schon vielfach geärgert hatte. Er besaß einen dicken Esel zu seinen Spazier- und Geschäftsritten, welchen wir unserseits als Reitpferd für unsere Paviane zu benutzen pflegten und dadurch den guten Mann bisweilen sehr in Harnisch brachten. Es war während der Regenzeit, als Bachida sich einmal mit diesem Griechen besonders beschäftigte. Halb Charthum und unser Hof war durch die Regengüsse eines Gewitters überschwemmt, und die Löwin machte sich ein Vergnügen daraus, durch Dick und Dünn mit mächtigen Sätzen zu springen und die übrigen Thiere dadurch in Angst zu versetzen. Wir saßen unter der Vorhalle des Hauses, weil wir bei diesem Wetter nicht ausgehen konnten, und erfreuten uns nun an den Sprüngen unseres Lieblings. Da tritt plötzlich durch die Hinterthür eine weiße Gestalt heraus; es ist unser Grieche, in der frischgewaschenen, blendenden Jellabïe, dem talarähnlichen Obergewande aller vornehmen Sudahnesen, welcher sich in diesem sauberen Anzuge zu „seinem Freunde“, dem Pascha, begeben will. Mühsam schleppt er sich durch den Koth, um nach dem Stalle zu gelangen, in welchem sein Reitthier eingesperrt ist. Bachida liegt im dicksten Schmutze und sieht verwundert lange Zeit starr auf diese weiße Gestalt. Plötzlich duckt sie sich platt auf den Boden, nimmt den Griechen fest in’s Auge, macht einen furchtbaren Satz auf ihn und bewirkt dadurch, daß der gute Mann halb ohnmächtig vor Schreck ohne Weiteres die schöne, reingewaschene Jellabïe mit dem Lehmwasser des Hofes übertüncht, bezüglich rückwärts in die Schmutzpfütze stolpert.

Bachida hätte genug an dem bereiteten Schrecken gehabt, hätte der Mann nicht laut zu schreien angefangen. Auf dieses Zeichen hin mußte das neckische Thier seinen Muthwillen fortsetzen. Noch ein zweiter Satz bringt unsern Griechen völlig zum Liegen, und nun sitzt ihm das Ungeheuer mit beifälligem Gebrüll auf dem Leibe, umarmt ihn sehr zärtlich, wälzt ihn dabei aber, da er entrinnen will, dergestalt im Kothe herum, daß von der blendenden Kleidung auch nicht ein handgroßer Flecken mehr rein bleibt. Alle Heiligen fleht er um Hülfe an, allein keiner hilft ihm; endlich wendet er sich an uns, und wir entwinden ihn auch glücklich den Klauen seines Peinigers, welcher ihn natürlich nicht im Geringsten verletzt hatte. Der dicke Herr kam wieder auf seine Beine, allein er begann jetzt so furchtbar zu schimpfen, daß wir ihm die erlittene Unbill als ganz gerechte Strafe von ganzem Herzen gönnten. Er schwor, sich zu rächen und diese Fahrlässigkeit von unserer Seite sofort dem Pascha zu berichten, sobald er nur wieder frisch angezogen sein werde. Nach einer halben Stunde erschien er denn auch wieder, noch immer Wuth schnaubend, und begab sich zum Pascha. Leider aber traf das alte Sprüchwort: „Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen“, dies Mal auch bei unserm Griechen ein; denn der Pascha war nicht weniger ergötzt über den geistreichen Einfall der Löwin, und Channa Sabuâ hatte das Vergnügen, anstatt der gehofften Rache gegen uns, den Spott und das Gelächter seines Freundes und des Hofstaates zu ernten.

Gegen uns benahm sich Bachida immer sehr liebenswürdig, und nur einmal mußte sie von mir derb gezüchtigt werden, was mir freilich beinahe übel zu stehen gekommen wäre. Bachida hatte meinen Lieblingsaffen anfangs erschreckt, später gemißhandelt, und zuletzt getödtet und gefressen, und ich mußte fürchten, daß sie sich mit der Zeit noch an andere Thiere machen und mir großen Schaden verursachen würde. Ich führte sie also, mit der Peitsche in der Hand, zu den einzigen Ueberbleibseln ihres Schlachtopfers, welche ich noch vorfand, zum Kopfe und Schwanze des Affen, und prügelte sie tüchtig ab. Sie suchte zu entfliehen, wurde jedoch von mir verfolgt und schließlich bin in einen der Räume unseres Gehöftes getrieben. Als sie einsah, daß sie nicht entrinnen konnte, nahm sie plötzlich eine andere Miene an, als früher, und stellte sich mir so herzhaft zur Wehr, daß ich fürchten mußte, von dem zu jener Zeit mehr als halberwachsenen Thiere erheblich verletzt zu werden. Ich bin überzeugt, daß sich die im höchsten Grade erzürnte Löwin sofort auf mich gestürzt haben würde, wenn ich auch nur einen Schritt zurückgewichen wäre, allein gleichwohl lag mir Alles daran, ihr freien Ausweg zu verschaffen. Ohne Unterlaß mit der Peitsche ihr Fell bearbeitend, drückte ich mich auf die Seite, und öffnete so der Löwin den Ausweg, welchen sie auch schleunigst benutzte. Schon nach einer halben Stunde war ihr Zorn verraucht, und sie kam wieder, freundlich, wie immer, gleichsam abbittend, mich liebkosend wie vorher, so daß mich jetzt die ihr ertheilte Strafe fast ebenso schmerzte, als dieselbe sie geschmerzt haben mochte. Das war der einzige Streit, welchen wir Beide jemals mit einander gehabt hatten. Ich wiederhole nochmals, daß Bachida sonst nie sich eine Unart gegen uns erlaubte, oder in irgend einer Weise die Wildheit eines Raubthieres bekundigte.

Meine Armuth zwang mich, zu meiner Rückreise die gefährlichste Straße zu wählen, d. h. ein gerade nach Egypten abgehendes Schiff zu benutzen, auf welchem ich über alle Stromschnellen des Nils hinwegtanzen sollte. Der Thiere wegen, welche wir bei uns führten, war dieser Weg in gewisser Weise den andern Straßen durch die Wüste vorzuziehen, da wir auf ihm niemals Mangel an Wasser verspürten. Auf unserm Boote lebten wir nun in sehr inniger Gemeinschaft mit unserem sämmtlichen Vieh zusammen, und namentlich Bachida war der erklärte Liebling aller Bewohner des Schiffes. Ihre Reinlichkeitsliebe war merkwürdig. Niemals verunreinigte sie ihren Käfig während der Fahrt; sie wartete vielmehr mit Schmerzen des Augenblickes, welcher das Schiff dem Ufer zuführen und ihr die gewohnte Freiheit gewähren sollte. Ihretwegen legten wir gewöhnlich ziemlich entfernt von den Dörfern an, und ließen dann sofort nach der Landung das liebe Thier aus seinem Käfig. Sobald dies geschah, stürzte Bachida eiligst auf’s Land, um sich zu entleeren, was stets an einer verborgenen Stelle und ganz nach Katzenart geschah, indem die Löwin für ihre Losung jedesmal eine Grube scharrte und dieselbe, nachdem sie ausgefüllt worden war, auch regelmäßig wieder mit Erde bedeckte. Nach Beendigung dieses wichtigen Geschäftes wurde sie lustig und übermüthig. Wie ein junges Füllen sprang sie mit mächtigen Sätzen umher, kürzere oder längere Ausflüge machend, kehrte aber immer bald wieder zum Schiffe zurück. Unsere Ankunft bei einem Dorfe brachte in demselben stets die freudigste Aufregung hervor. Alt und Jung strömte herbei, um die Frendjis zu sehen, welche ein ganzes Schiff mit „wilden Thieren“ oder „Söhnen des Waldes “ befrachtet hatten. Gewöhnlich war schon eine halbe Stunde nach unserer Landung das Schiff mit einer so großen Menschenmenge umgeben, daß der Besuch uns zuweilen recht lästig wurde. Dies schien auch Bachida einzusehen, und da sie jedenfalls die gute Absicht hegen mochte, uns solcher Last zu entheben, erlaubte sie sich oft tolle Scherze nach ihrer Art, indem sie plötzlich den Einen oder den Andern durch einen wilden Satz erschreckte, sich hinter Buschwerk oder Felsen auf die Lauer legte und unverhofft brüllend hervorschoß oder andere Streiche vollführte, welche den Muth der guten Dorfbewohner jener Gegenden auf allzuharte Proben stellten. Ich muß hervorheben, daß Bachida hier wirklich mit Verständniß handelte und stets sehr erfreut schien, wenn ihr ein solcher Schreck besonders gelungen war.

Zwei Male ging sie jedoch zu Thätlichkeiten über, welche ich nicht ganz billigen konnte, und daher einschreiten mußte. Das eine Mal war sie vom Nilufer hinauf in ein ärmliches Dorf geklettert und hatte dort die eben heimkehrende Schafheerde nicht nur vollständig zersprengt, sondern sich auch einen Zoll aus ihr erhoben, nämlich ein Lamm ergriffen, jedenfalls in der guten Absicht dasselbe abzuwürgen. Die Dorfbewohner erhoben förmlich ihr Kriegsgeschrei, jenes zitternde, durch unnachahmlichen Zungenschlag und gellende Töne hervorgebrachte, weit hörbare Tonunwesen, welches Goltz mit „wildem Waldvogelgesang in Urwäldern vor der Sündfluth und Einführung eines geläuterten Naturgeschmackes“ vergleicht. Aus allen Hütten hervor stürzten die erregten Bewohner des friedlichen Dorfes mit Waffen allerlei Art, um dem schauderhaften Feinde zu Leibe zu gehen. Die brüllenden Weiber hielten sich allerdings in entsprechender Entfernung, um sicher zu sein, und die muthigen Männer berathschlagten glücklicher Weise noch, wie sie es anfangen möchten, das Ungeheuer in möglichst gefahrloser Weise zu besiegen, als ich ankam und der ganzen Aufregung dadurch ein Ende machte, daß ich, wie weiland Simson, meine Löwin am Kopfe packte, ihr den Rachen aufriß, und das erfaßte

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