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auch, nachdem sein Gründer am 27. März 1714 dort gestorben war, der Hauptfreudenort des Braunschweiger Hofes. Das glänzende Leben wurde fortgesetzt und erreichte besonders unter Herzog Carl I., eine große Ausdehnung, bis sein Sohn, der weise, sparsame Carl Wilhelm Ferdinand, ihm ein Ende machte.

Neben dem Rufe aber, welchen Salzdahlum seiner Gemäldesammlung wegen im Auslande hatte, ist sein Name wohl in weiteren Kreisen am häufigsten als der Ort genannt, wo, wie erwähnt, im Jahre 1733 die Vermählung des damaligen Kronprinzen Friedrich, nachmaligen König Friedrich des Großen, mit der Bevernschen Prinzessin Elisabeth Christine, einer Urenkelin Anton Ulrichs, gefeiert wurde. Am 11. Juni trafen zu diesem Zwecke König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, die Königin Sophie Dorothea, der Kronprinz Bräutigam mit einem glänzenden Gefolge, darunter auch die Speciale des Königs, von Grumbkow und Seckendorf, am Hoflager des regierenden Herzogs Ludwig Rudolph zu Salzdahlum ein.

Abends wurden die Festlichkeiten mit einem Schäferspiele auf dem grünen Theater eröffnet; sämmtliche dabei mitwirkende Herren und Damen des Hofes, fünfzig Paare, auch das Musikcorps, waren in Schäfertracht. Drei junge Arkadier, darunter auch Friedrich, erschienen vor einem Hirtenfürsten, um die Hand seiner Tochter zu werben. Der Vater erklärte, er werde sie nur dem geben, welcher am schönsten die Flöte blase. Der Wettstreit der Bewerber begann, ließ aber den Kunstrichter in seinem Urtheil unentschieden. Da rauschten die Büsche, die goldene Lyra erklang, Apoll erschien und erbot sich, den Streit zu entscheiden; abermals ertönten die Flöten, der schöne Gott erklärte Friedrichs seelenvolles Spiel unübertroffen und führte dem Sieger die Braut zu. Fröhlicher Tanz im Freien beschloß diese Vorfeier. An einem die Gärten von Salzdahlum im schönsten Grün zeigenden Frühlingstage, Freitag den 12. Juni, fand, nachdem die Ehepacten im Zimmer der Königin-Mutter vollzogen waren, die Trauung in der Schloßkirche durch Abt Dreyßigmark statt. Von dort begab sich der Hochzeitszug, unter dem das Ereigniß dem Lande verkündenden Kanonen Donner und Trompeten-Schall, in das Audienz-Gemach, wo die gebräuchliche Gratulations-Cour stattfand, dann folgte Tafel und Ball. Sonnabend war Ruhetag. Am Sonntage, früh zehn Uhr, versammelte sich der Hof in der Kirche, wo der berühmte Kirchenhistoriker Lorenz von Mosheim, Abt zu Marienthal und Professor zu Helmstedt, eine „besonders verordnete“ Einsegnungspredigt: „von dem Segen des Herrn auf die Ehen der Gerechten“, hielt. Abends dirigirte der berühmte Componist des „Tod Jesu“, Graun, damals noch fürstlich braunschweigischer Vice-Kapellmeister, seine neue Oper „lo Specchio della fedelta“ – der Spiegel der Treue – der am Montage die Aufführung von Händels „Parthenope“ und die französische Komödie „le Glorieux“ von Destouches folgten. – Am 16. Juni reisete der preußische Hof nach Potsdam ab, wohin am 24. die Braunschweiger Fürstlichkeiten folgten; am 27. hielt Friedrich seinen glänzenden Einzug in Berlin.

Nachdem Salzdahlum hundert und zehn Jahre etwa der glänzende Sammelplatz des braunschweigischen Hofes gewesen war, machte das Unglücksjahr 1806 seiner Pracht ein Ende. Schon der letzte Aufenthalt seines Besitzers war ein tragischer. An der Spitze des bei Jena geschlagenen preußischen Heeres hatte der greise Herzog Carl Wilhelm Ferdinand gestanden, der Erlasser des unglücklichen Manifestes von 1792. Mit der Todeswunde am Haupte, kam er fliehend am 20. October, Mittags ein Uhr, in Saldahlum an. Der mit Wachsleinwand überspannte Tragkorb, in welchem er seiner Wunde wegen transportirt werden mußte, wurde in dem ehemaligen Wohnzimmer seines Vaters Carl niedergesetzt, und nachdem er hier eine Traube aus dem Salzdahlumer Garten genossen, erquickte „den armen blinden Mann“, wie er sich selber nannte, zum letzten Male auf heimathlichem Boden und im eigenen Hause ein vier Stunden langer Schlummer, dann ward die Flucht, ohne die Residenz zu berühren, nach Ottensen fortgesetzt, wo der Held am 10. November starb.

Das Herzogthum ward nun dem neu geschaffenen Königreiche Westphalen einverleibt, und unter einem Regimente, das keine Pietät für das Alte hatte, ging Anton Ulrichs Schöpfung rasch ihrem Verfall entgegen. Am Tage nach seinem glänzenden Einzuge in Braunschweig – am 18. Mai 1808 – kam der junge König Jerome von dort ab auch nach Salzdahlum und durchwanderte die schon verödeten Prachträume. Dann traf Denon ein, um eine Auswahl unter den Kunstschätzen des Schlosses für den Imperator zu treffen und sie als Trophäen nach Paris zu senden; erst mit dem Siegeswagen des Brandenburger Thores zu Berlin kehrte das Geraubte in den rechtmäßigen Besitz zurück.

Die westphälische Commun der alten Welfenstadt Braunschweig hatte dem Könige für den Fall, daß er gelegentlich von Cassel ab dort einspräche, das Residenzschloß ausbauen lassen, und für die daraus entstandenen Kosten schenkte die Majestät derselben huldvoll das wohlfeil erworbene Schloß – zum Abbruch. – Sodann begann im Herbste 1811 die Versteigerung des von Denon Zurückgelassenen; Hunderte von interessanten Portraits wurden damals für einige Groschen das Stück verschleudert, Gleiches geschah mit dem Rococo-Meublement, und die jetzt herrschende moderne Passion, sich Zimmer mit diesem Hausrathe voriger Jahrhunderte auszustatten, hat eben durch die seit der Demolirung des geräumigen Schlosses über das Land zerstreuten Gegenstände der Art nicht unbedeutende Befriedigung aus Braunschweig erhalten. Im Jahre 1812 wurde das also geplünderte Schloß selbst abgebrochen, sein kunstreicher Garten, welcher vielleicht noch jetzt zu den sehenswerthesten Umgebungen der Residenz zählen könnte, ward, in Ackerland verwandelt, der Domaine zugelegt, und wo einst der von den Musen bewohnte Parnaß stand, da zieht jetzt der Pflüger seine Furchen, und im Herbst pfeift der Wind über die Stoppeln, wo sonst Fürsten und Edelfräulein wandelten.



Meine Löwin.
Von Dr. A. E. Brehm.
„Wir waren in Tagen, die nicht mehr sind,

Gar treue Gespielen, wie Kind und Kind,
Wir hatten uns lieb, wir hatten uns gern.

Die schönen Tage, sie liegen uns fern.“ (Chamisso.)

Als ich während meines Aufenthaltes in Charthum einmal meinen Freund und Gönner Latief-Pascha besuchte, zeigte mir dieser eine junge, allerliebste Löwin, von der Größe eines halberwachsenen Pudels, welche er vor Kurzem als Geschenk von einem der „Aschiách“ oder Befehlshaber der ihm untergebenen Araberstämme erhalten hatte. Das Thierchen war im höchsten Grade zahm, sehr liebenswürdig, possierlich und dabei vollkommen an den Menschen gewöhnt, hatte gelernt, diesen als seinen Herrn, Gebieter, Ernährer und Beschützer anzusehen, und ließ sich deshalb alle Unbilden, welche der Mensch seinen ihm untergebenen Hausthieren angedeihen zu lassen pflegt, ohne Murren gefallen. „Bachida“, zu Deutsch die Glückliche, so hatte man die Löwin benannt, spielte nach Art junger Kätzchen dreist und furchtlos mit dem Beherrscher eines ganzen Landes, dessen Befehl Leben gewähren oder Tod bringen konnte, und sprang auf dem ernsten Manne tollkühn mit aller ihr angeborenen anmuthigen Leichtfertigkeit und Dreistigkeit herum, als sei er eben auch nur ein gewöhnliches Menschenkind; und Latief-Pascha hatte seine große Freude an dem zierlichen Geschöpfe.

Ich will nicht leugnen, daß die Löwin augenblicklich auch mein Herz gewonnen hatte; allein ich bedachte im Stillen, wie viel mich ihre Unterhaltung und später ihre Fortschaffung kosten würde, und konnte bei meiner damaligen Armuth den Gedanken nicht in mir aufkommen lassen, das liebenswürdige Wesen mir zur Gesellschafterin zu erwerben. Mein Freund Bauerhorst aber, welcher mich begleitete, kannte solche Bedenken nicht, und da ihn, wie mich, die

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