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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

dessen Genuß durch den Rauch gleichsam vergeistigt wird, als die einzige Erfrischung des Geistes. Beide Genüsse stehen außerordentlich hoch in den Augen aller Mahammedaner, und so ist es kein Wunder, daß nicht blos in allen Städten, sondern auch in allen Dörfern sich Räume finden, in denen Leib und Seele erquickt werden können.

Dazu kommt nun noch, daß der Morgenländer die Freuden der Geselligkeit und Häuslichkeit nur in geringem Maße kennt. Sein geselliges Umgehen beschränkt sich blos auf das eine Geschlecht: der Mann ist von der Vereinigung der Frauen ebenso streng ausgeschlossen, als die Frau von einer Versammlung der Männer. Ein männlicher Gast, der in einem Hause einspricht, wird von dem Hausherrn im Diwahn, ein weiblicher von der Herrin des Hauses in, Harehm empfangen, und selten nur weiß der andere Theil, wenn der eine Gatte Besuch empfangen hat, oder scheint es wenigstens nicht wissen zu wollen. Mit dieser sorgsam beachteten Sitte

Kaffeehaus in Kairo.
Nach einer Photographie.

fällt ein großes Stück des Lebens hinweg, und die Gastfreundschaft, diese dem Mahammedaner so heilige Tugend, gelangt eigentlich gar nicht zur Vollblüthe. Selbst in der Familie ist der Umgang beider Geschlechter auf eine gar geringe Zeit beschränkt; denn Mann und Weib genießen sich nur dann, wenn sich der Eheherr im Harehm befindet.

Wir Abendländer würden uns unter solchen Umständen schadlos zu halten suchen. Wir haben unsere Wirthshäuser, unsere so beliebten Stammkneipen, unsere Bierwirthschaften, Weinstuben und andere derartigen Anstalten und würden eben nicht lange in Zweifel bleiben, wohin wir uns zu wenden haben, um uns zu erholen, oder mit andern Worten ein Stückchen Zeit todtzuschlagen. Der Mahammedaner, wenigstens der strenggläubige, hat keine Kneipe und muß sich anderweitig zu entschädigen suchen. Wenn auch Hafis, der Süßmundige, des Wortes der Propheten vergessend, das Weinhaus in seinen Liedern hocherhebt und auf die Narrethei der Kuttenträger weidlich schimpft, weil sie den süßen Saft der Trauben und die Freuden, die er dem Menschen zu bieten weiß, als Teufelswerk betrachten und alle gläubigen Adamssöhne vor diesem, der tiefsten Hölle Entstammten, väterlich warnen; oder wenn Harihri von Bisra mit gleichberedtem Munde des Wirthshauses oder der Schenke Freuden besingt: solche Freigeister gelten als dem Teufel mit Haar und Haut, Leib und Seele Anheimgefallene und sind dem wahren Gläubigen ein Gräuel ohne Gleichen. Uebrigens glaube ich, daß die morgenländischen Dichter nicht einmal Erfahrenes besingen, sondern mehr die Träume ihrer regen Einbildungskraft wiedergeben, wenn sie so frevelhafte Worte niederschreiben, wie Harihri:

„Denn Wein ist der Glättstein
Des Trübsinns, der Wetzstein
Den Stumpfsinns, der Bretstein
Des Sieges im Schach.
Ja, Wein ist der Meister
Der Menschen und Geister,
Der Feige macht dreister,
Und stärket was schwach;
Der Krankes gesund macht,
Hohlwangiges rund macht,
Verborgenes kundmacht,
Und Morgen aus Nacht.“

Man ist auch geneigt, solche Lieder, obgleich man sie als Frevel betrachtet, dem liebenswürdigen Frevler zu verzeihen, und lebt der festen Meinung, daß er vor seinem Ende noch mit gläubiger Seele die Alles sühnende Glaubenswort: „Es gibt nur einen Gott und Mahammed ist sein Prophet!“ mit seinem letzten Seufzer verhaucht und sich dadurch das begründetste Recht erworben haben wird, im Paradies mit den schönsten Huris Becher auf Becher des besten Weins zu leeren.

Der strenge Gläubige meidet alle den Leib berauschende Genüsse; denn „das Gegohrne“ ist ihm verboten. Aber seine Seele darf er tränken lassen und seinen Leib erfrischen mit Dem, was Gesetz und Sitte geheiligt hat; darum geht er mit Lust nach dem einen Orte, welcher dieses erlaubt, wenn er nach des Tages Last und Mühe der süßen Ruhe des Leibes und der Erholung der Seele pflegen will: nach dem Kaffeehause.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_181.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)