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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

die auf die Ahnungslosen hervorbrachen, wollten sie wieder hinter sich in den Wald. Aber diese, die sie auf beiden Seiten anfielen, schwenkten eben so schnell ab und waren ihnen schon im Rücken, zwischen ihnen und dem Wald, und vorn daher rückte mit allen Geschwadern, mit Fußvolk und allem Geschütz der Truchseß. So sahen sich die Bauern jählings vom Fürstenheer im weiten freien Felde übereilt, umsetzt und angegriffen, daß sie weder ihr Geschütz noch ihre Wagen wieder zurück oder in einen bessern Vortheil zu bringen vermochten. Herr Florian ließ in diesem Unglück schnell, so gut er es konnte, alle Fähnlein der Bauern in Schlachtordnung treten, errichtete ringsum eine Wagenburg, mit sechsunddreißig Geschützen auf Rädern unterspickt, und begann das Feuer gegen die Reisigen. Wie aber der Schenk von Schwarzenberg mit seinen Schützen angriff, und der ganze bündische reisige Zeug und das furchtbare Geschütz daherkam, öffnete sich hinten die Wagenbürg, die Bauern begannen zu fliehen, und die ersten Muthlosen rissen die andern nach. Flüchtig im ganzen weiten Felde, wurden sie erritten, erstochen, todtgeschlagen, durch alle Straßen, Wege und Wälder, wohin sie flohen. Bis Ochsenfurt hier, bis an den Main dort verfolgten sie die Reisigen. Ein flüchtiger Schwarm entlief bis Eisfeld oberhalb Heidingsfeld und wurde hier im Kirchhof, wo sie sich setzen wollten, erstochen. Ein Theil floh nach Sulzdorf, Giebelstadt, Bütthard und andern Dörfern. Sechzig Bauern wurden lebend gefangen; die sie fingen, wollten ein großes Lösegeld aus ihnen ziehen. Als sie sie zur Wagenburg brachten, wurden sie auf Befehl des Truchseß auf einen Haufen erstochen, „da sie ja geschworen haben, auch keinem Bündischen das Leben zu schenken“; Beweis, daß auch hier feindliche Kundschafter unter dem Zug gewesen.

Fliehen war Herrn Florians Sache nicht, und seine Braven hielten auch bei ihm aus, während Alles auseinander floh. Mitten im allgemeinen Entlaufen und Morden zogen in die Sechshundert des Haufens mit Büchsen, Wehren, langen Spießen und Hellebarden, Kriegsleute und andere tapfere Männer, in festgeschlossener Ordnung, gegen Dorf und Stadt Ingolstadt sich zurück. Es war Florian Geyer mit dem Rest seiner schwarzen Schaar und fünfzig freien Knechten, welche die Geistlichkeit Würzburgs geworben hatte und die sich ihm anschlossen. Auch an dieses Häuflein raffelten wieder und wieder die Reisigen heran, und prallten jedesmal zurück vor den guten Schüssen der schwarzen Schützen und ihren langen Spießen. Hinter der Domhecke des Dörfchens Ingolstadt setzte sich die tapfere Schaar. Pfalzgraf Ludwig führte jetzt selbst seine 1200 Reiter und Reisige gegen sie heran. Da warfen sich 200 der Bauern in den Kirchhof, die Kirche und den Kirchthurm, 3 bis 400 erreichten das Schloß. Die Uebermacht drängte die im Kirchhofe alle in die Kirche zurück. Vom Thurm, vom Dach der Kirche herab blitzte Schuß auf Schuß, trafen Ziegel, Mauerstücke auf die Bündischen; diese warfen Feuerbrände hinein, und Kirche und Thurm mit den Tapfern darin verbrannten; aber noch aus den Flammen heraus schossen und warfen sich diese auf ihre Feinde und tödteten und verzehrten, noch während sie verzehrt und getödtet wurden. Nicht Einer dieser Tapfern blieb leben.

In den Ruinen des alten Schlosses schien sich alles Heldenthum des ganzen Bauernkrieges, wie in einem Brennpunkt zu sammeln. Das Schlößchen, schon vor fast einem Jahrhundert von den Rotenburgern gebrochen, später wieder in etwas aufgebaut, und am 7. Mai von Bauern wieder ausgebrannt, hatte noch hohes und gutes Gemäuer, mit einem großen starken Thurm und tiefen Graben. Herr Florian war selbst darinnen. Sie verbauten sich durch Verrammelung der Thore so schnell, daß Niemand zu ihnen kommen mochte, „und schossen so feindlich heraus, als stünde keine Sorg’ ihnen da an ihrem Verlust; sie begehrten auch weder Gnad’ noch Fried’“. Nur drei Feige waren darin. Die liefen heraus, Gnade zu erlangen, wurden aber auf der Stelle von des Pfalzgrafen Trabanten erstochen. Der Pfalzgraf mit fast dem ganzen fürstlichen und bündischen Zeug häufte sich vor dieser Ruine. Man richtete alles Geschütz wider sie, groß und klein; und auf das furchtbare Feuer fiel die Mauer, wohl auf vierundzwanzig Schuh Breite, von oben her zu einem großen Sturmloch, gegen sechs Schuh auf den Grund herab, und sogleich traten die Fußknechte begierig den Sturm an, durch einen wüsten moosigen Graben voll lehmigen Kothes, und mit ihnen Grafen, Herren, Ritter und Reisige, die alle von den Gäulen abstiegen, in einiger Unordnung, weil sie den Sturm leicht zu gewinnen meinten. Ganz wüst vom Schmutz des Grabens fielen sie über die Mauer hinein gegen die Feinde mit ganzem Haufen und ganzer Kraft. Aber auf der Bresche standen Männer, entschlossen, vor der schweren Stunde zu bestehen und ihren Feinden und dem Schicksal Achtung abzugewinnen. Mit einem Kugelregen empfingen sie die Stürmenden und mit einem Hagel von großen Steinen, und trieben sie mit großer Gewalt wieder hinter sich, über die zerschossene Mauer hinaus bis in den Graben; über Hundert der Stürmenden waren getödtet oder verwundet, „darunter viele Herren und gute Gesellen“. „Haben sie drinnen,“ sagten Sachverständige, „zu ihren Handrohren Steine und Pulver genug, werden wir ihnen heut schwerlich was angewinnen.“ Das schwere Geschütz erweiterte die Bresche, während die im Schloß arbeiteten, Steine zu tragen und zu verterrassen.

Zum andern Male wurde der Sturm angelaufen in ganzem Ernst. Viele Grafen und Herren, Edle und Unedle, kamen zu der Bresche hinein und freuten sich, die größte Noth überschritten zu haben; kein Schuß von innen heraus fiel mehr; die Belagerten hatten ihr Pulver fast verschossen, und mit Jubel drangen die Herren vor. Da fing Kampf und Noth erst recht an. Inwendig vor ihnen, zwischen der zerschossenen Mauer und dem Hofe des Schlosses, darin sich die Schwarzen enthielten, war noch eine Mauer, wohl eines Spießes Höhe hinauf, durch welche nur ein Fenster und eine enge Thür hinein gingen. Durch Fenster und Thüre und von oben herab wehrten sie sich mit Werfen, Stechen und gut gezielten Schüssen aus ihren Handrohren. Doch wurde „von Gnade Gottes“ keiner der Herren getödtet, so sehr sie in Gefahr ihres Lebens standen, und so viele gequetscht und verwundet wurden. Sie sahen sich zum zweiten Male abgetrieben. Mancher Knecht wollte nicht ganz abweichen und nachlassen; „wie Katzen“ hielten sie sich an der Mauer kletternd.

Jetzt legte man dan Geschütz anders und richtete es durch die zerschossene Mauer hinein an die innere Mauer und zerschoß sie darnieder, daß Weite genug war, hinein zu fallen. Die Büchsenmeister hatten ihre Geschütze bis an den Rand des Grabens vorgelegt, da sie von den Handrohren der schwarzen Schützen, wie sie sahen, nichts mehr zu fürchten hatten.

Der Fußzeug des Bundes und die Herren liefen nun den dritten Sturm an mit aller Macht und allem Zorn über das zweimalige Mißlingen. Schon sind viele im Schloß durch die heiße Arbeit müd und kraftlos. Einem Fähnlein, schwarz und gelb, gelingt es, auf die Mauer zu kommen; die Knechte kommen nach; bald wehen noch drei Fähnlein neben dem erstern. Der Fähndrich Hans Sattler von Augsburg sinkt; es sinkt der Fähndrich von Nürnberg, hart getroffen bis auf den Tod. Die Knechte hatten keine Büchsen, wie die Schwarzen kein Pulver; es war ein Kampf mit Mauersteinen, bis der Haufen der Knechte den Graben durchwatet hatte und nachkam. Da drangen sie an beiden Enden zuletzt, wiewohl schwer, an der Bresche und bei dem Thore hinein und drückten die schwarzen Helden in die letzten Ruinen zurück. Niemand will, Niemand gibt Gnade; im wilden schrecklichen Getümmel und Grimm des Todeskampfes durchkreuzen sich bündische und bäurische Arme, Schwerter, Lanzen und Hellebarden, eng und enger zusammengedrängt; würdig, daß ihnen Besseres geworden wäre, und theuer ihr Leben verkaufend, sind schon die meisten der schwarzen Schaar, auch die fünfzig freien Knechte, gefallen. Bei fünfzig zogen sich in den tiefen Schloßkeller zurück und wehrten sich verzweifelnd daraus. Die Feinde warfen durch die Oeffnungen brennende Strohbündel und darauf Pulverfäßchen hinein, daß sie Alle darin starben, bis auf drei, die in der Dunkelheit entkamen. Zweihundert und sechs Leichen der schwarzen Schaar lagen umher im engen Raum der Ruinen: nicht darunter Herr Florian. Begünstigt durch die tiefe Nacht, die unter Sturm und Gefecht eingebrochen war, hatte er mit einer Handvoll der tapfersten und stärksten Männer, gegen zweihundert, als die Bündischen das Schloß überwältigt hatten, in ein nahes Gehölz sich durchgeschlagen. Während der Pfalzgraf zur Siegesfeier alle Trommeten schmettern und alle Heerpauken schlagen ließ, umstellte er das Wäldchen, da man in der Nacht nichts gegen die darin vornehmen konnte, mit Reisigen, damit keiner entlaufe. Herr Florian setzte den Kampf auch in der Nacht aus dem Wald heraus fort, bald hier bald dort vorbrechend, bis es ihm gelang, mit einer Zahl der Seinigen durchzubrechen und das Weite zu gewinnen. Mit dem Morgen fielen die Bündischen in’s Gehölz und erwürgten Alles darin, was dem kühnen Führer zu folgen nicht mehr Muth genug gehabt hatte, und

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