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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

aufgesogen wurde, doch sehr arm daran ist. Im Blinddarme, an welchem sich ein regenwurmähnliches Anhängsel, der Wurmfortsatz (w.), befindet, scheinen hauptsächlich pflanzliche Nahrungsmittel längere Zeit zu verweilen, um noch weiter verdaut und aufgesogen zu werden. Während des Durchrückens des Speisebreies durch den Dickdarm gehen einige Speisereste eine faulige Zersetzung ein, und dabei entwickeln sich außer Kohlensäure und Wasserstoff auch noch übelriechende Gase (wie Kohlen-, Schwefel- und Phosphorwasserstoff). Im untersten Theile des Grimmdarmes und im Mastdarme sammeln sich schließlich die Speisereste an, um als Excremente durch den After nach außen geschafft zu werden.

Der Rest des Speisebreies, welcher den Dickdarm passirt und endlich durch den Stuhlgang entfernt wird, besteht fast nur aus unlöslichen und nicht nahrhaften Bestandtheilen der genossenen Nahrungsmittel, so wie aus Darmschleim und zersetzter Galle. Je mehr also Jemand unlösliche Stoffe mit der Nahrung genießt, um so mehr Reste derselben muß er wieder ausleeren, während beim Genusse leicht löslicher und zum größten Theile aufsaugungsfähiger Stoffe der Stuhlgang nur sehr sparsam sein kann. Der eigenthümliche Geruch des Kothes, so wie die Luftentwickelung im Dickdarme rührt von der Zersetzung (Fäulniß) der Galle und der Nahrungsreste her. Sollte sich in dem Dickdarminhalte noch etwas Nahrhaftes befinden, so wird es durch den Dickdarmsaft aufgelöst und von den Saugadern weggesogen, um auch noch in das Blut geführt zu werden.

Hiernach ist die Einrichtung bei der Verdauung unserer Nahrungsmittel so getroffen, daß die eiweißartigen Substanzen durch den Magen- und Darmsaft, die fetten Materien durch die Galle und den Darmsaft, die stärkehaltigen Stoffe durch den Mund- und Bauchspeichel, so wie auch durch den Darmsaft aufgelöst und umgeändert (verdaut) und dadurch zur Aufsaugung geschickt gemacht werden. Alle übrigen löslichen Bestandtheile der Speisen werden nur schlechtweg aufgelöst und aufgesogen, ohne vorher eine weitere Veränderung zu erleiden; die unlöslichen Reste der Nahrungsstoffe bilden zuletzt den Koth. Die Verdauung der drei hauptsächlichsten festen Ernährungsmaterien besteht aber darin, daß die festen eiweißartigen Substanzen in eine Art flüssigen Eiweißes (Pepton), die Stärke in Zuckerlösung, die Fette in eine Art Mandelmilch verwandelt und dann mit den übrigen aufgelösten Stoffen (Zucker, Salze), von den Saugadern als Speisesaft aufgesogen werden. Ein guter, das Blut und durch dieses den Körper gehörig ernährender Speisesaft, dessen Bereitung eben Zweck der Verdauung ist, kann demnach nur aus solchen Nahrungsmitteln gebildet werden, welche die Stoffe in sich enthalten, aus denen unser Körper zusammengesetzt ist.

Bock.


Eine mysteriöse Nacht im alten Dresden.
Von A. von Sternberg.

Die Häuser haben ihre Schicksale. Räume, in denen das achtzehnte Jahrhundert tanzte, jubelte und spielte, sind jetzt Krankenhäuser; in Palästen, an deren Wänden Gobelins hingen und die mit Gemälden von Watteau und Rubens geschmückt waren, stehen jetzt Schränke mit Todtenschädeln und anatomischen Präparaten. So der Palast des Herzogs von Kurland in Dresden. Wer das schöne Haus gesehen hat, wird es nicht vergessen; selbst in seiner jetzigen Unzierde prägt sich die Größe und der Schmuck der Seele des Beschauers ein. Eine Gallerie ist darin, die von sechs hohen Fenstern zu beiden Seiten ihr Licht empfängt, und an deren Wänden die hohen lebensgroßen Gemälde August des Starken, seiner Gemahlin und seines Sohnes hängen. Sie ist der Schauplatz der folgenden Geschichte. Doch wollen wir hinzufügen, wie sie jetzt aussieht, und von welch einem Volke sie bewohnt wird. Es sind Frauen und Männer, auch Kinder, völlig entkleidet, aber so entkleidet, daß sie dennoch den Regeln des größten Anstands gemäß erscheinen, – nämlich als Gerippe, in den verschiedenartigsten Stellungen, von der Stellung wie der Mensch sie im Grabe annimmt, bis zu dem lebendigsten und ausgearbeitetsten Kunstwerke. Man sieht daselbst den borghesischen Fechter, den barbarinischen Faun, den Herkules, ja selbst die Venus von Medicis, eine arme Venus, nur aus Knochen gebaut, mit der koketten Haltung der Arme, die etwas bedecken, was nicht mehr da ist, mit dem ungeheuern Lächeln des lippenlosen Mundes, das eine echte Carricatur auf das anmuthige Lächeln im Original ist. Diese Figuren sollen dazu dienen, dem jungen Künstler zu zeigen, wie auch die alten Künstler das Gerippe verstanden haben, wie sie richtig es mit Fleisch umkleideten. Eine traurige, aber eine nothwendige Kenntniß für den, der etwas schaffen will. In diesen von Skeletten wimmelnden Saal tritt man ein und erschrickt, man denkt, es sind seltsame Gäste hierher gekommen, um dem allmächtigen Selbstherrscher, dem Tode, ihre Aufwartung zu machen, man fühlt sich noch nicht reif in dieser Versammlung und man will zurück; da ruft uns die Wissenschaft zu, daß wir hier nur lernen sollen, nicht empfinden und träumen, und wir treten ein. Nächst den Gerippen zeigt sich uns die Sammlung in Spiritus bewahrter Abnormitäten, Kinder mit zwei Köpfen und andere Monstrositäten. Wenn wir aufwärts schauen, blicken die Genien an der Decke trübe lächelnd nieder, und die prächtige Gestalt der Kurfürstin scheint sich frierend in ihren Purpurmantel zu hüllen. Ja, ihr habt Recht, Königsbilder, warum trug man euch nicht fort, als man dem Saal eine andere Bestimmung gab? Ihr seid gewohnt auf andere Dinge niederzuschauen. Und nun vollends das schöne Vorgemach, mit seinen rothen Atlasmöbeln und der chinesischen Decoration an den Wänden, wie häßlich steht mitten drinnen der lange, einfache Tisch, und darauf ein gräßliches Stück Metzgerarbeit, ein halb zerschnittener Mensch, der soeben der Schaar der anatomischen Schule zum Lehr- und Beweisstück gedient hat. Genug davon!

In den Zeiten, wo der Palast noch seinem Zwecke diente, gab es im Sommer des Jahres 1774 eine mysteriöse Nacht darin. Es war eine Nacht, die damals ungeheures Aufsehen machte, und von der man in weiten Kreisen außerhalb Dresden sprach und stritt. Es bewohnte damals das Palais der Herzog Karl von Kurland, der Oheim des regierenden Kurfürsten. Wer in jener Nacht am Zeughause vorüberging und den Blick auf die hohen Fenster des Palais richtete, konnte ein schwaches Leuchten bemerken, das von innen drang, und das die niedergelassenen Vorhänge durchbrach. Kein Wagen hielt auf dem Platze, keine Zuschauer versammelten sich, es blieb Alles öde und still. Es hieß, daß der Herzog verreist sei. Aber er war nicht verreist, nur mußte das, was in seinem Palais geschah, heimlich vor sich gehen, weil sonst der Kurfürst dazwischen getreten wäre und es verboten hätte. Es war nämlich nichts mehr und nichts weniger als eine Geisterbeschwörung.

Das achtzehnte Jahrhundert, in seinen vielen Launen und Grillen, gefiel sich zugleich im Glauben, im Aberglauben und im Unglauben. Graf Zinzendorff arbeitete für den Glauben, Cagliostro für den Aberglauben, und die Philosophen aus Friedrichs Schule lachten über Beide und setzten den Unglauben auf den Thron der Welt. Dabei blieb der Mensch immer Mensch. Er nahm sich von jeder Untugend der Zeit etwas, das er heimlich bei sich behielt, aus dem er das Glück seines Hauses und sein eigenes zu formen trachtete. Die Ueberfülle von Verbindungen aller Art zeichnet besonders die letzte Hälfte den Jahrhunderts aus; sie waren fast alle mysteriöser Natur. Orden über Orden, und jeder versprach seinen Anhängern Schätze, die dem armen Menschen in den Wechselfällen seiner irdischen Pilgerfahrt nie zu Theil werden und nie zu Theil werden sollen. War es ein Wunder, wenn tausend Hände danach griffen, wenn tausend Herzen sich danach öffneten? Der Freimaurerorden war ganz besonders günstig zu derlei Verwandlungen. Von Anfang an schon im mystischen Gebiete großgezogen, aus dem alten Sagenland Egypten stammend, behielt er, wie das egyptische Samenkorn, das man in den Händen einer Mumie gefunden, die Gabe zu keimen und die Welt mit Seinesgleichen zu bevölkern. Das waren nun eben Geister und die Gabe mit ihnen zu verkehren. Noch Niemand hat die Stimme eines Todten gehört; noch Niemand hat gelauscht hinter den Falten des Vorhanges, der in der letzten Minute unseres irdischen Daseins niederrauscht und unberührt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_105.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)