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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


Wir finden unsern Helden mit seiner schwarzen Schaar nach einem Zuge an die Tauber am Abend des 6. Mai zu Heidingsfeld, hart am Mainufer, im Angesicht des Frauenbergs, wieder, wohin am nächsten Tage in allerlei bunten Farben die zahlreichen Fähnlein des „hellen lichten Haufens vom Odenwald und Neckarthal“ unter Götz von Berlichingen und Georg Metzler zogen, um an der von Florian Geyer warm empfohlenen Eroberung des vor Würzburg gelegenen Frauenbergs Theil zu nehmen. Wir übergehen die Belagerung dieses wichtigen Punktes und wenden unsere Blicke auf den letzten Act der großen Tragödie, in welcher Florian Geyer und seine schwarze Schaar den Heldentod fanden.

„Wie mögen“ – spricht Zimmermann in seinem klassischen Werke über den großen Bauernkrieg – „die Bauern vom Odenwald und Neckarthal auf dem Wartberg bei Königshofen, das Heer des schwäbischen Bundes und die nahe Schlacht vor Augen, wie mögen die in den bedrohten Städten und Flecken umgeschaut haben nach der erwarteten, nach der verheißenen, nach der eilends herbeigerufenen Hülfe, nach den Fähnlein von Würzburg, nach Florian Geyer und seiner schwarzen Schaar! Aber dieser edle Geist, durch Tugend und Wort und militairische Kenntniß überlegen, hatte bei dem Bauernrath in Würzburg genirt, und sie hatten ihn ausgeschickt auf diplomatische Reisen und ihm das Schwert aus der Hand gewunden.“

Florian Geyer war auf einer Gesandtschaft an Markgraf Casimir von Ansbach-Bayreuth, um die Unterhandlung zur Verbrüderung zu beendigen und den Frieden zwischen ihm und seiner Bauernschaft im Aischgrund wieder herzustellen; am Samstag vor Pfingsten, den 3. Juni, kam Florian Abends zu Rotenburg an der Tauber an, wo er auf das Geleit des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth warten wollte. Da riß ihn die Botschaft von der Nähe des Truchseß mit dem Heere des schwäbischen Bundes wieder auf’s Pferd. Er ritt die ganze Nacht hindurch und war vor Tagesanbruch des vierten Juni im Lager zu Heidingsfeld bei Würzburg.

Sowohl er, als die von Schweinfurt zurückreitenden Landtagsabgeordneten der Bauern sahen unterwegs mit Schrecken Abends den Himmel geröthet von einem Feuermeer gegen Schwaben zu: es waren die von dem Fürstenheer angezündeten Dörfer um Königshofen. Aber sie wußten noch nichts von der dasigen Schlacht und ihrer Brüder Untergang.

Je näher das Fürstenheer rückte, desto mehr verfiel Alles in Würzburg, sowohl unter der Bürgerschaft in der Stadt, als in dem großen vereinigten Bauernheer, das nun schon in die vierte Woche den Frauenberg belagerte.

Viele Bürger in der Stadt waren ganz kleinmüthig, so sehr sie bisher vorn dran gewesen waren. Andere, die bisher lautlos gewesen, gackerten und schnatterten jetzt: „Hab’ ich nicht vor dieser Zeit gesagt, man solle das Ende beachten? Wollte Gott, daß sich fromme, redliche Leute unser annähmen, daß wir zu Frieden kämen; wir sind sonst Alle verdorben, ermordet, verbrannt, vertilgt, Weib und Kind.“ Die Stiftsgeistlichen, deren viele in Würzburg zurückgeblieben waren, und welche die Spione und Verräther für die Belagerten auf dem Schloß gemacht hatten, schüchterten jetzt heimlich die Menge ein, machten sie mißtrauisch gegen die Obersten, beredeten die Einzelnen im Stillen, auf Unterwerfung unter den Bischof und den schwäbischen Bund zu dringen.

Die Mehrheit in der Stadt und draußen im Lager war so zaghaft und ungewiß, daß Viele meinten, der Zug gegen den schwäbischen Bund, ihren Brüdern am Neckar zu Hülfe, sei nicht zu wagen. Doch zogen die Hauptleute zu Anfang der Nacht vom 2. zum 3. Juni mit dem Heer aus. Zu Heidingsfeld sahen sie den Bauernhans aus Mergentheim athemlos daher reiten; er kam flüchtig von Königshofen und erzählte den Hauptleuten allein die Niederlage, so daß ihnen graute und sie schnell das Heer nach Würzburg zurückführten. Die zu Randesacker warfen die Ersten, die von Königshofen ankamen, in Fesseln und schickten sie als Lügner, als Ausreißer in’s Hauptquartier. Aber ihr Zeugniß stimmte mit dem des Bauernhans nur zu sehr überein. Da stahl sich dieser und jener davon, der bisher vorn daran gewesen war, und Bürgermeister und Rath zu Würzburg schrieben heimlich ein unterwürfiges Schreiben an den Truchseß. Nachmittags am 3. Juni ritt Einer ein, der sagte aus, es sei nichts, daß ihre Brüder vernichtet seien, sie lagern beisammen und harren auf Zuzug und Hülfe der Würzburger; und zu gleicher Zeit zog Gregor von Bernheim, der ebenso kriegskundige als tapfere Hauptmann, mit seinem Fähnlein vom Aischgrunde ein, die erzählten, wie der Markgraf vor ihnen geflohen sei. Das elektrisirte wieder etwas. Um 9 Uhr Abends zogen die beordneten Fähnlein wieder aus, Bruder Ambrosius gab ihnen den Segen, wie sie vor ihm vorüberzogen, und feuerte sie an, für Gottes Wort tapfer zu streiten. Zu Heidingsfeld ruhten sie die Nacht, aber in dieser Nacht entwichen wieder viele der Hauptleute und derer, die in Aemtern waren. Es war die höchste, es war die äußerste Zeit, daß der kühnste Heerführer der Franken, daß Florian Geyer mit dem grauenden Morgen daher jagte, und ehe die Sonne des Pfingstfestes heraufstieg, stiegen Gregor’s entschlossene Männer, eine Zahl Fähnlein des Heeres, darunter die der Würzburger und der Kitzinger Bürgerschaft unter Jakob Köhl und die Trümmer der schwarzen Schaar unter Florian Geyer, den Wald über Heidingsfeld hinauf, die Straße nach Röttingen zu. Dieser vereinigte Heerhaufe zählte jedoch nicht viel über 4000 Mann. Die andern Fähnlein waren vor dem Frauenberg zurückgeblieben. Sie hatten viel leichtes Feldgeschütz bei sich.“

(Schluß folgt.)




Das Haus der Büßerinnnen.
Von Gustav Rasch.

Es war ein heller, heitrer Wintertag, ein Tag voll Sonnenschein, blauen Himmels und milder Luft, wie ihn der Januar Norddeutschland selten zum Geschenk macht. Ich fuhr, wie ich es häufig thue, mit einem mir befreundeten Arzte in den Straßen Berlins umher, und ließ mir von ihm Freude und Weh in der praktischen Ausübung seiner Wissenschaft erzählen.

„Haben Sie denn schon einmal,“ fragte er mich, indem eine Krankheitsgeschichte voll Jammer und Elend ihn unwillkürlich auf den Gegenstand führte, „von dem Magdalenenstift gehört?“

„Gehört wohl,“ erwiderte ich, „aber wenn ich nicht irre, ist auch dieser neue Versuch der Humanitätsprincipien unseres Jahrhunderts eingegangen, er hat keine Erfolge gehabt. In Deutschland gibt es, außer dem hiesigen, nur noch ein solches Asyl, es heißt Bethesda und liegt bei Boppard am Rhein.“

„Nein, eingegangen ist es nicht, doch weiß ich auch nichts Näheres darüber. Johann, nach Magdalenenstift!“

Der Kutscher trieb die starken, braunen Mecklenburger an, der Wagen rollte im starken Tempo durch die Straßen und bald befanden wir uns am Unterbaum, passirten dort zu Fuß die starke Eisdecke der Spree und standen am andern Ufer. Vor uns dehnte sich das freie Feld aus, rechts erhoben sich in der Ferne die Zinnen und Thürme des pennsylvanischen Gefängnisses, links, mitten auf dem Felde, sahen wir einen von Bretern und Pfählen gebildeten Zaun, der, hier und da von Buschwerk umgeben und verborgen, einen ziemlich großen Raum in Quadratform umschloß. Es blieb uns nichts anderes übrig, als unseren Weg nach dem Zaun zu nehmen, um uns dann weiter zu orientiren. Wir waren richtig am Ziel unserer Wanderung angekommen. Eine kleine Melallplatte, im Sommer ganz im Gebüsch verborgen, trug die Aufschrift: „Eingang zum Magdalenenstift“, eine Klingelschnur hing daneben. Wir standen vor dem Hause der Büßerinnen.

Ich zog die Klingel. Ein lang verhallender Ton antwortete, und bald öffnete sich die schmale, unscheinbare Holzthüre, und in derselben erschien ein junges Mädchen mit blühendem, hübschem Gesicht, in einem einfachen Kattunkleide und weißem Brusttuche, und fragte, was wir wünschten.

„Wir wünschen die Frau Oberin zu sprechen, melden Sie uns an, mein Kind,“ erwiderte der Geheimerath und nannte seinen Namen. „Ist die Frau Oberin zu Hause?“

„Die Frau Oberin geht niemals aus,“ sagte das Mädchen und ging voraus. Wir standen im Innern der Umzäunung und hatten, bis sie zurückkam, Zeit genug, uns umzusehen. Vor uns

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_087.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2017)