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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

grober Leinwand und Holzpantoffeln bilden ihre ständige Tracht. Ihre schwarzen Gesichter, aus denen das Weiße der Augen grell vortritt, haben einen ernsten, fast düstern Ausdruck; ihre Gestalten sind meist untersetzt, aber kräftig. Wenn man ihnen von ihrem Berufsgenossen erzählt, der sich am Prinzenräuber zum Edelmann getrillt hat, so äußern sie trocken: „Wenn die Gelegenheit nur öfter käme, da sollte es bald mehr Edelleute als Köhler geben!“ Wehe auch dem Kunz, der unter ihre Fäuste geriethe! Die Köhler sind als die stärksten Schubkärrner des Waldes berühmt, sie fahren eine Vierlelklafter über Stock und Stein. In Folge der großen Anstrengung und der Unbilden des Wetters dauern sie selten so lange aus, wie die Holzhauer; kaum bleibt ein Köhler über das fünfzigste Jahr hinaus, wo sich die Gicht einzustellen pflegt, ordentlich waldtüchtig.

Die Lebensweise der Köhler ist eine sehr schlichte. Ihr Trank besteht wochenlang aus Quellwasser und dünnem Kaffee, ihre Kost aus Schwarzbrod und Kartoffeln, oder aus Suppe und Brei aus Kartoffeln oder Mehl, die mit Waldgewächsen gewürzt werden. Ihre größten Leckerbissen, die das Fleisch vertreten, sind die „Beber“, Toaste, die man aus mit Fett bestrichenen und gerösteten Brodstücken herstellt. Eine Pfeife Tabak ist Hauptlabsal; „lieber kein Brod,“ erklären sie einhellig.

Die Arbeit der Köhler ist weit einförmiger und mühseliger, als die der Holzhauer. Sie leben vom Mai bis zum September fast ununterbrochen im Walde; jeden Sonntag kann nur ein Bewohner der Hütte einmal in’s Dorf hinabsteigen. Auch der Sonntag ist nur ein halber Feiertag, denn wenn man auch „zum lieben

Voigtländische Köhlerhütte.

Sonntage“ die schwersten Arbeiten aussetzt, so ist doch immer ein im Gange befindlicher Meiler abzuwarten, der keine Viertelstunde ohne Aufsicht und Nachhülfe bleiben darf. Während der Holzhauer die Nacht ruhig verschläft, muß wenigstens einer der Köhlergenossen wach bleiben, und auch die beiden Anderen müssen häufig ihr Reisiglager verlassen; daher „kennen sie nicht Nacht vom Tage“, d. H. sie benutzen auch die freien Viertelstunden der hellen Zeit zu einem „Nickerchen“ (Schläfchen). Auch vom geselligen Verkehr mit andern Waldgenossen sind die Köhler weit mehr abgeschnitten, als die Holzhauer. Die nächste Köhlerhütte liegt oft eine halbe Stunde fern, und auf so lange Zeit kann man die Meiler nicht wohl verlassen; mit den Holzhauern, die sich meist etwas Besseres dünken, als ihre schwarzen Waldgesellen, ist kein rechter Verkehr möglich. Aber selbst unter sich haben die drei Hüttengenossen der Köhlerei keinen regen Verkehr, sie sind die schweigsamsten unter den schweigsamen Waldarbeitern. Dies rührt zum Theil von ihrer großen Weltfremdheit (sie erfahren zu wenig Neues, um sich Mitteilungen machen zu können), zum Theil aber auch von ihrer zunftähnlichen Verfassung, welche dem Gesellen oder gar dem Jungen den Muth nimmt, in Gegenwart des ernsten, von Amtswegen befangenen Meisters einen Spaß zu machen oder einen Waldjauchzer loszulassen. Daher macht das Zusammenleben der schwarzen Waldleute einen etwas grämlichen, an eine Bärenfamilie erinnernden Eindruck, und man begreift den fremden Handlungsdiener, der sich im Walde verirrt hatte und lieber Hunger und Durst mit seinen Kaffee- und Zuckerproben stillte, als daß er sich den furchtbaren, im Rauch und Feuerscheine gespenstig aussehenden „Räubern“ näherte. Aber die Köhler sind lange nicht so schlimm, wie sie aussehen. „Wenn nur das Herz schwarz ist“, sagte ein Schulmeister zur Entschuldigung, als er bei einer Feierlichkeit in heller Weste erschienen war; von den Köhlern darf man sagen: „wenngleich die Haut schwarz ist, das Herz ist gut“. Ihr geistiger Gesichtskreis ist eng, aber ihre Gutmüthigkeit groß. Sie sind musterhaft gastfrei und, wenn man sie am rechten Zipfel zu fassen weiß, leidlich unterhaltsam. Auch leben sie nicht so unnachbarlich, wie es den Schein hat. Sie verfolgen mit Theilnahme die Geschicke des Kumpans, der die nächste Stätte hat, und sprechen ihre Freude oder ihr Mitleid aus, je nachdem die Beschaffenheit seiner Rauchsäule von gutem oder gestörtem Fortgänge des Meilers Kunde gibt. Auch tauschen die Nachbarn, wenn auch nicht von Angesicht zu Angesicht, doch öfter ihre Gefühle aus, und zwar auf telegraphische Art, durch die „Hillebille“, jedenfalls eins der einfachsten Tonwerkzeuge, die man selbst unter wilden Völkern findet. An einem reckähnlichen Gestelle neben der Hütte hängt ein zur Form einer Messerklinge zugeschärftes, ellenlanges und fußbreites, dünnes Bret aus Buchenholz an zwei Fäden; dieser Holzharmonika wissen die Köhler mit zwei hölzernen Hämmern marschähnlich klippende und klappende Rhythmen zu entlocken und dadurch ihre Gefühle auszudrücken. Ehe man sich zu Tische setzt, wird die Hillebille gerührt, und bald darauf wünscht die des Nachbars gesegnete Mahlzeit; geräth ein Meiler in hellen Brand, so ruft ein Lärmzeichen zu Hülfe.

Ein solcher Mißfall stößt zwar einem aufmerksamen Köhler selten zu, aber keiner ist bei stürmischen Wetter davor sicher, weshalb stets mit Wasser gefüllte Fässer zur Hand sein müssen. Die Köhlerei ist überhaupt kein so leichtes Geschäft, wie Manche wähnen; der Chemiker des Waldes hat zwar das unsauberste, aber das verantwortungsvollste und den ganzen Menschen am meisten in Anspruch

Harzer Köhlerhütte.

nehmende Geschäft im Forste; schon die zünftige Verfassung deutet an, daß man, während beim Holzhauen Jeder gleich auf eigene Faust zugreift, hier eine gewisse Reife und lange Erfahrung nöthig hat, um als Meister auf eigenen Füßen zu stehen.

Zuerst gilt es, eine „Kohlstätte“ auszuwählen. Sie muß bequem zur An- und Abfuhre liegen, muß eine Quelle in der Nähe haben und trocken und vor dem Winde geschützt sein. Auf dieser Stätte wird ein Kreis von etwa achtzehn Fuß Durchmesser zur Meilerstätte geebnet und in der Mitte, wo der „ Quandelpfahl“ eingerammt ist, etwas erhöht. Rings um diesen Pfahl wird das auf dem Schubkarren zusammengefahrene Holz mit Sorgsamkeit so aufgestellt, daß die einzelnen Stücke möglichst steil und dicht beisammen stehen und daß die massenhaftesten in’s Innere kommen, wo die stärkste Hitze herrscht. In Thüringen baut man ausschließlich „slawische Meiler“, deren stehende Holzstücken durch einen am Grunde freigelassenen Gang, die „Zündgasse“, angebrannt werden. Besonders schwierig ist es, aus den unregelmäßigen Wurzelstöcken, die jetzt fast allein zum Verkohlen kommen, einen wohlgefügten Meiler zu errichten. Der kegelförmige Holzstoß wird mit einem „Rauhdach“ aus Rasenschollen, Heide und Reisig bekleidet und, wenn es gilt, den Luftzutritt zu ermäßigen oder ganz abzusperren, mit einem Erddach aus Dammerde und Kohlengestübe („Lösche“) mehr oder weniger dicht bemäntelt, welches durch eine besondere Holzschaufel glatt geschlagen wird.

Das Anzünden verrichtet stets der Meister, und zwar am Morgen, indem er eine lange Harzfackel durch die Zündgasse bis zum Quandel einschiebt. Die Aufgabe des Köhlers besteht nun darin, zuerst die im Holze vorhandenen Wassertheile auszutreiben und dann die Flamme vom Gipfel des Meilerkegels herabwärts

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_029.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)