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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Luther am Sarge seines Töchterleins.

Es dürfte die schöne und sicher auch dankbare Aufgabe eines deutschen Geschichtsschreibers sein, das Haus- und Familienleben Luthers in seiner ganzen Traulichkeit und stillen Würde zu beschreiben. Die meisten Biographen des großen Reformators schildern den Mann nur als zürnenden Kämpfer gegen Mißbrauch des göttlichen Wortes, als kühnen Streiter für seine Ueberzeugung, als überall gewappneten und schlagfertigen Krieger auf dem Felde des Geistes. Von dem liebenden Gatten Luther, von dem lehrenden und sorgsamen Vater, dem sinnigen Freunde der Musik und der Natur, von dem Manne der Wohlthätigkeit, der überall Thränen trocknete, so weit seine arme Hand reichte, von diesem erfahren wir nur wenig. Und doch welcher Reichthum an Liebe und Gemüth, welche Männlichkeit bei aller kindlichen Einfalt, welch ein treues echtdeutsches Gemüth! Bei seiner Arbeit, im Kreise der Seinen an der heitern Tafelrunde und am Krankenlager, spielend mit den Kleinen und mit ihnen betend, überall und in allen Lagen des Lebens – die große edle Natur! Sein Zusammenleben mit den Kindern ist ein wahres Idyll an Harmlosigkeit und stillen Freuden, dem es dabei nicht an kräftigen festen Zügen fehlt. Bei aller tiefen und echten Frömmigkeit des Gemüths strebte doch Luther stets danach, aus seinen Kindern – nicht verhimmelnde Duckmäuser – sondern edle, kräftige Menschen zu erziehen.

Eine der ergreifendsten Scenen aus dem Familienleben des wackern Mannes, in der er sich so recht in seiner ganzen Weichheit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_012.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2017)