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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 52. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube.

Es regt sich allenthalben in Europa, vorzüglich aber im deutschen Lande, ein neuer lebendiger Geist, von welchem die Väter nichts wußten, und von welchem die Söhne nicht wissen, wie sie dazu gekommen sind. Es schwankt über nach allen Seiten, weil das Flickwerk, das der Zufall meistens in der langen Anarchie des Mittelalters gebaut hat, nicht mehr sein Gleichgewicht hält, und weil man für die neue Zeit noch kein Maß weiß.


Ich ahne, daß aus dem Verstand, aus der Einsicht, die dann nicht mehr verloren werden kann, weil der Geist sie durch Reflexion bewacht, daß aus dieser eine kräftigere politische Schöpfung werden wird, weil die Staatsregenten und die Gebildeteren endlich das Rechte thun, weil sie es müssen, aus Interesse. Ich sehe aus dem unendlichen Wissen ein Gewissen entspringen, einen seelenvollen Verstand der Völker und Menschen von ihrem Verhältnisse zu einander; der Glanz des Waffenruhms, die Ueberziehung ferner Welttheile wird seltner werden; die verständigeren Enkel werden sich wundern, daß ihre Vorväter so unklug sein konnten. Die Menschen, kräftiger und stärker beim hohen Wissen und Gewissen, werden die Scham der Etikette und Convenienz verbannen, und dafür die Scham setzen dessen, was unhold und unrecht ist. Aus solcher Welt wird die Kunst erblühen, ein schönerer Widerschein eines freudigen und stolzen Lebens.


Wir aber müssen vor allen Dingen, was an uns nicht mehr ganz möglich ist, an Denen thun, welche die künftige Generation lenken und für sie denken sollen, an den künftigen Regieren: und Führern der Menschen. Wir müssen diejenigen, welche der Zufall so glücklich setzte eine freie und edle Erziehung zu bekommen, für die Bedürfnisse einer besseren Zeit erziehen, die durch sie vorzüglich bester werden soll; denn nur durch eine menschliche Erziehung voll Kraft und stiller Männlichkeit ist den folgenden Geschlechtern zu helfen. Man muß die Menschen wieder als Menschen erziehen, den Jünglingen die Welt lang, weit und unendlich frei zeigen, sie nicht sogleich aus einen bestimmten Zweck hinweisen, der das Leben und den noch nicht entwickelten Verstand des Lebens einengt. So werden starke und stolz gestaltete Gemüther hervorgeben, wenn eine höhere Wirkkraft gegeben wird, die durch da« Leben wandelt; so werden die Enkel tapferer zum Herrschen und geduldiger zum Gehorsam werden.

Aus Arndt’s 1803 erschienenem Buche: „Germania und Europa“.




Arndt.
91. Geburtstag d. 26. Dec. 1859.




Der verwandelte Schmuck.

Novelle von Ernst Willkomm.
(Schluß.)


„Sie können sich immer noch Glück wünschen, daß Sie zu rechter Zeit Kunde erhielten von dem Stande der Dinge,“ versetzte der Domcapitular. „Nicht Jeder kann sich solcher Gunst Fortuna’s rühmen. In Ihrer Abwesenheit hat man hier ebenfalls eine Entdeckung gemacht, die noch böse Untersuchungen zur Folge haben wird.“

„Hier? … In dieser Stadt? …“ fragte Aurelio.

„Sie kennen den Brief, welcher, wie jetzt bekannt ist, in Sachen des Schatzes der Fürsten von O* die Runde durch alle Zeitungen machte.“

„Ach ja,“ fiel Aurelio dem Domcapitular in’s Wort. „Dieser Brief hat mich amusirt. Er war so gescheidt abgefaßt, daß ihn nur ein Allwissender oder ein Hexenmeister verstehen konnte.“

„Halten Sie ihn für unecht?“

„Keineswegs, sein Verfasser ist aber jedenfalls ein Spaßvogel, welcher der leichtgläubigen Menge etwas aufbinden will.“

„Ich las ihn auch,“ sagte der Domcapitular, „allein und mit Andern, und uns schien er Andeutungen von Wichtigkeit zu enthalten.“

„Zum Beispiel?“

„Es wird aus denselben ersichtlich, daß diebische Hände den Schatz der Fürsten von O* heimlich zu öffnen verstanden.“

Graf von Weckhausen lachte sehr heiter.

„Mein Brief, gütigster Oheim, und meine in die Form einer Bitte eingekleidete Bestellung haben Ihnen bereits gesagt,“ erwiderte er, „daß diese Vermuthungen grundlos sind. Meine Hypothese von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_757.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2023)