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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

daß zur Zeit der Herrschaft des Hauses Oesterreich, welches zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Krone Neapels gewann, dem Grabe diese Decoration gegeben wurde. Würdiger wußte der jetzt regierende König von Baiern das Andenken seines erhabenen Verwandten zu ehren. In der Mitte der Kirche, der Kanzel gegenüber, steht auf mächtigem Piedestal das überlebensgroße Standbild Conradins, nach Thorwaldsen’s Modell von Schöpf aus München kunstvoll in carrarischem Marmor gemeißelt. Das jugendfrische Haupt mit feinen klaren Augen, kräftigen Zügen und langwallenden Locken ziert die Königskrone, ein faltenreicher Mantel deckt den mit einer kurzgeschürzten Tunika bekleideten schlanken Körper, die eine Hand hält das breite Schwert, die andere ist mit energischem, aber doch anmuthigem Ausdruck in die Seite gestemmt. Eine tiefe Rührung überkommt uns, wenn wir bewundernd dastehen vor dieser Bildsäule voll Leben und Wahrheit. Wir denken wieder an alle Kraft und Herrlichkeit des gewaltigen Hohenstauffen’schen Geschlechtes, wir denken an sein Ringen mit der Macht des römischen Stuhles, wir denken an den freien Flug seiner Geister, wir denken endlich an seinen traurigen, aber nichtsdestoweniger stolzen und erhabenen Untergang. Wie ein Mann, so faßte der Knabe Conradin den Plan, seine angestammten Rechte in Italien geltend zu machen, so kämpfte er dafür in der heißen Schlacht von Scurcola und so stieg er ruhig und gefaßt auf das Schaffot – würdig in Allem seiner großen und gewaltigen Ahnherrn. Gleich einem lebendigen Drama wirkt das Beschauen seines Bildnisses auf uns ein. Es ist das Schicksal eines Titanengeschlechtes verkörpert in einer Person, seine welterschütternde Größe und sein tragischer Fall, seine männliche Tugend und seine unheilvolle Schuld ... ja seine Schuld – denn warum trugen die großen Kaiser unablässig, wie von einem bösen Fatum getrieben, ihre besten Kräfte nach Italien, während es daheim im deutschen Lande genug zu wirken gab für den Kriegsherrn wie für den Fürsten? – „Und jede Schuld rächt sich auf Erden.“ Das Piedestal trägt folgende Inschrift in gothischen Lettern:

Maximilian Kronprinz
von Bayern
errichtet dieses Denkmal
dem Verwandten seines Hauses,
dem König Conradin,
dem Letzten der Hohenstaufen,
im Jahre 1847, den 14. Mai.

Zu beiden Seiten befinden sich vortreffliche Reliefs, das eine der Abschied Conradins von seiner Mutter, das andere das schmerzliche und letzte Umarmen Conradins und Friedrichs vor dem Henker. Sie erhöhen das Ergreifende und Tragische der Wirkung in sinnentsprechender Weise. Die von Raumer erwähnte Säule wird gegenwärtig in der nahegelegenen Kirche Santa Croce al Mercato aufbewahrt. Sie trägt folgende Inschrift:

Asturis ungue leo pullum rapiens aquilinum
Hic deplumavit, acephalumque dedit.

(Zu Astura ergriff der Löwe den jungen Adler mit seiner Klaue, hier zerraufte und tödtete er ihn.) In der Nähe steht ein kleines, unbedeutendes Kaffeehaus. Hier soll die Stelle sein, wo man das Schaffot errichtet hatte.

Und so sehen wir den jungen Königsadler fallen, der, eben erst dem Neste entflohen, seinen kühnen Flug wendet nach den Gipfeln der Apenninen und des Aetna, um dort zu siegen und zu herrschen. Er war treu geblieben der Kraft und dem Gedanken seiner Väter, und darum mußte auch er ihr Schicksal theilen, Großes zu wollen und zu erstreben, aber in dem Ringen darnach zu erliegen. Und ist es nicht ein ergreifendes Moment, zu sehen, wie das sich ewig rächende Geschick gerade den Unschuldigsten und Jungfräulichsten des geistesmächtigen Geschlechtes ausgewählt, um daran in letzter Entscheidung das bittere Vergelten zu üben und zum letzten Male die alten Fehler zu sühnen? Ist es nicht ein erhabenes Schauspiel, zu gewahren, wie gerade in dem Jüngsten und Letzten des Heldengeschlechtes sich alle Größe und alle Mannestugend vereinigt, die mit starker Hand zweihundert Jahre lang Deutschland regierte und die fortgeerbte Gewalt Gregor’s VII. erschüttern machte, um dann zu sinken, groß und gewaltig wie sie gelebt? Aber nur dem Verrath konnte es gelingen, einen Manfred zu besiegen, und nur der schnödesten Verhöhnung alles göttlichen und menschlichen Rechtes, einen Conradin zum Richtplatz zu schleppen. Jedoch auch diese Schuld mußte sich rächen, noch ehe das Jahrhundert zu Ende gegangen. Dem blutigen Schauspiele in Neapel folgte bald das noch blutigere in Sicilien, bekannt unter dem Namen der sicilianischen Vesper, wo die Befreier Italiens bis auf den letzten Mann aus dem apulischen Reiche vertrieben wurden. –




Wunderdoctoren und Magnetiseure.

(Fortsetzung.)


Mesmer heilt mit Handauflegen. – Mesmer’s Salon und seine magnetische Operation. – Schöne junge Männer als Magnetiseure. – Mesmer’s Schwindel der Wissenschaft gegenüber. – Schilderung des Zustandes der Magnetisirten. – Wüstlinge als Magnetiseure.

Mesmer behauptete vor Allen, die ihn anhören wollten, die magnetische Materie oder das magnetische Fluidum durchdringe das ganze Weltall – jeder menschliche Körper enthalte es und könne den Ueberfluß davon durch Aufbietung der Willenskraft einem Andern mittheilen. In einem Briefe an einen Freund in Wien sagte er: „Ich habe bemerkt, daß das magnetische Fluidum beinahe dasselbe ist, wie das elektrische, und daß es auf dieselbe Weise mit Hülfe vermittelnder Körper übergetragen werden kann. Stahl ist nicht die einzige Substanz, welche zu diesem Zwecke taugt. Ich habe Papier, Brod, Wolle, Seide, Steine, Leder, Glas, Holz, Menschen und Hunde – kurz alles, was ich berührte, in solchem Grade magnetisch gemacht, daß diese Substanzen auf kranke Personen dieselben Wirkungen hervorbrachten, wie die Elektricität.“

Mesmer fand seinen Aufenthalt in Wien nicht lange so angenehm, als er wünschte. Seine Behauptungen fanden nur Gleichgültigkeit oder Verachtung und er beschloß daher, sich einen andern Wirkungskreis zu suchen. Er reiste demgemäß nach Schwaben und nach der Schweiz. In dem letztern Lande lernte er den berühmten Pater Gaßner kennen, der zu seinem Vergnügen Teufel austrieb und die Kranken dadurch heilte, daß er blos die Hände auf sie legte. Bei seiner Annäherung fielen zarte Mädchen in Convulsionen und Hypochonder glaubten sich geheilt. Sein Haus ward täglich von Lahmen, Blinden und Leidenden aller Art belagert.

Mesmer erkannte sofort die Wirksamkeit dieser Curen an und erklärte, daß sie das unzweifelhafte Resultat seiner neuentdeckten Kraft des Magnetismus seien. Einige Patienten des Paters wurden sofort Mesmer’s Manipulationen unterzogen und an ihnen dieselben Resultate erzielt. Hierauf versuchte er seine Hand an einigen Kranken in den Hospitälern zu Bern und Zürich, und es gelang ihm, nach seiner eigenen Versicherung – obschon diese von keiner Seite bestätigt oder unterstützt ward – Blinde und Gichtbrüchige zu heilen. Mit dieser Versicherung kehrte er nach Wien zurück, in der Hoffnung, seine Feinde zum Schweigen zu bringen oder sie wenigstens zu zwingen, seinen neuerlangten Ruf zu respectiren und sein System aufmerksamer zu prüfen.

Sein zweites Erscheinen in dieser Hauptstadt war jedoch kein glücklicheres, als das erste. Er unternahm es, die damals berühmte Sängerin Paradis zu heilen, welche stockblind war und an epileptischen Zufällen litt. Er magnetisirte sie mehrmals und erklärte dann, sie sei geheilt – wenigstens sei, wenn sie es nicht sei, dies ihre eigene Schuld, aber nicht die seinige. Ein ausgezeichneter Augenarzt jener Zeit, Namens Barth, besuchte sie und erklärte, sie sei noch eben so blind, als vorher, während ihre Familie sagte, daß sie auch den epileptischen Zufällen noch eben so unterworfen sei, wie früher. Mesmer behauptete dennoch, sie sei geheilt. Er erklärte, man habe sich gegen ihn verschworen und Fräulein Paradis stelle sich blos blind, um seinem Rufe zu schaden (!). Die Folgen dieser vorgeblichen Cur bewiesen Mesmer, daß Wien nicht der rechte Platz für ihn sei. Paris, die Stadt des Müßiggangs, der Ausschweifung, der Vergnügungssucht und des Haschens nach Neuigkeiten, war der Schauplatz für einen Mann wie er, und demgemäß begab er sich dorthin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 754. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_754.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2023)