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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

ist. Wenn Du mein Bruder wärst, Du. könntest ihn nicht billiger verlangen.“

„Ich glaube Dir, aber soviel will ich nicht ausgeben, da ich ihn blos zum Vergnügen, als Andenken an Smyrna, mitnehmen wollte.“

„Du hast soviel für die Reise bis hierher ausgegeben, und wirst gewiß auch noch 480 Piaster an den Teppich wenden, um an die schöne Stadt zurückzudenken. Und dann denkst Du auch an mich, weiß ich, und lobst mich im Stillen dafür, wie gut ich Dich bedient habe.“

„Ja! das will ich, wenn Du ihn mir zu 4½ Napoleonsd’or gibst.“

„Allah ist mein Zeuge, das kann ich nicht, und wenn Du mein Vater wärst. Sieh, ich habe Dich lieb, Du gefällst mir gar gut, und ich möchte Dir lieber etwas verkaufen, als vielen Andern, aber auch nur darum, weil ich weiß, daß Du viel zu gerecht bist, um zu wollen, daß ich Schaden leide.“

„Das ist auch mein Wille nicht. Höre also: Kannst Du mir den Teppich für 450 Piaster geben? Das ist die höchste Summe, die ich daran wenden will. Kannst Du mir ihn dafür geben, ohne Schaden zu haben, gut! Wo nicht, muß ich den ganzen Kauf lassen, oder einen kleineren Teppich wählen.“

„Du bist sehr genau, gern möchte ich Dir zu Willen sein, aber auch 450 Piaster ist zu wenig. Dann hätte ich keinen Para Verdienst. Doch laß uns noch eine Pfeife rauchen und Kaffee nehmen. Wir werden schon Handels einig werden. Du wirst zufrieden sein.“

Der Alte war die Liebenswürdigkeit selbst. Mit großer Grazie geleitete er uns zurück, bereitete neue Pfeifen, die der Knabe geholt hatte, da der Orientale nicht gern zwei Mal aus derselben Pfeife nacheinander raucht, ohne daß sie zuvor gänzlich gereinigt wird, und auch Kaffee wurde abermals dargeboten. Mir war das nun gar nicht recht, aber mein Begleiter hatte, als ich bei dem Herausgehen aus dem Hintergemach ihm dies sagte und hinzufügte, daß ich gesonnen sei, lieber fortzugehen, zugeflüstert: „Bleiben Sie nur! Er will sich blos die Sache reiflich überlegen und wenn Sie ihm Zeit lassen, geht er auf Ihre letzte Forderung ein.“ – Die letzte Antwort des Türken hatte mir auch so geschienen, als werde er nachgeben, aber daß er dazu erst langen Nachdenkens bei der Pfeife bedürfe, hatte ich nicht geahnt. Doch fügte ich mich, schon aus Theilnahme, wie die Sache zuletzt werden würde. Denn ich war bereits anderthalb Stunden hier, und noch war kein Resultat erreicht.

Wir saßen also abermals auf den alten Plätzen, rauchten in Ruhe und Beschaulichkeit unsern Schibuk, und der Kaufmann erkundigte sich, ob ich nicht nach Manissa (Magnesia) wolle oder nach Sarves. Ich bejahte das, lenkte dann aber gleich wieder auf unsern Handel zurück, um die Sache zu Ende zu führen, jedoch der Alte meinte, das habe ja noch Zeit und er sei überzeugt, er werde den Teppich nicht behalten. Dann schwieg er, und ich auch, bis ich nach etwa fünf Minuten mit meinem Gefährten in ein Gespräch kam über dies und das, indessen der Türke ruhig eine blaue Wolke nach der andern sanft vor sich hin blies. Als unser Thema erschöpft war, und abermals Stille eintrat, äußerte ich meinem Dolmetscher, daß es wohl Zeit sei, den Handel zu beendigen. Er ging darauf ein und sagte also unserm Wirth, ich wolle fort, denn meine Zeit sei gemessen – ein reichliches Maß, denn es war indessen 1 Uhr geworden, also hatten wir bereits zwei Stunden auf den Handel verwendet. Er winkte dem Knaben, den Teppich hereinzuholen, und dieser brachte ihn zusammengelegt herein und legte ihn zwischen mir und seinem Herrn auf die Matte.

„Nun, nicht wahr, Du gibst 480 Piaster dafür?“

„Keineswegs, sondern wie ich sagte, 450 nur.“

„Aber das wäre unter dem Werth verkauft.“

„Mag sein; ich will aber nicht mehr daran wenden.“

Hier hob mein Gefährte das Packet in die Höhe, legte es auf die rechte Hand und streckte diese aus, um den Pack zu wiegen, ließ ihn dann verächtlich auf die Matte fallen, hob ihn abermals auf die andere Hand und warf ihn ebenso wieder hin, indem er sagte: „Ach! geh doch! Ist viel zu leicht! Ist nicht einmal 450 Piaster Werth. Ist ja viel zu leicht für 450 Piaster!“

Der Alte belächelte diesen Vorgang, sah mich mit seinen hellen, scharfen Augen an und sagte: „Meint mein Freund das auch? Sagst Du auch, er sei zu leicht?“

Er hatte also wohl gemerkt, daß der Grieche das nur für sich und aus sich heraus gethan hatte. Nun wartete er ruhig, aber sehr aufmerksam auf meine Antwort, welche natürlich verneinend ausfiel.

„Das wußte ich, daß Du meine Waare nicht verachten würdest, denn sonst würdest Du sie doch nicht kaufen. Ich weiß, Du kommst zu mir, wenn Du wieder irgend etwas von Sachen dieser Art bedarfst.“

Ich glaube, wenn ich vorhin Ja gesagt hätte, er hätte den Teppich behalten, und wenn ich auch 500 Piaster gezahlt hätte, denn sein Ehrgefühl schien größer zu sein, als der Drang nach Erwerb. Und was seine Prophezeiung anlang, so ging sie wirklich in Erfüllung. Denn als ich einige Tage hernach eines Morgens nach Sardes reiten wollte, und schon nach einigen Stunden umkehren mußte, weil das Gepäck auf den Pferden zu schlecht befestigt war, um in Trab und Galopp fest zu halten, so ging ich zu meinem alten Freunde und holte mir dort ein Paar Reisetaschen, wie sie im Orient hinter und unter dem Sattel quer über den Rücken des Pferdes gelegt werden und alles Nöthige fassen. Wie freundlich empfing er mich mit den Worten: „Sagt’ ich Dir nicht, Du würdest wiederkommen? Ich wußte, daß Du mit Deinem alten Freunde Selim zufrieden sein würdest; ich wußte es.“ Und dann dauerte unser Handel um die Taschen auch wieder eine gute Zeit, wenn gleich nicht so lange, als der um den Teppich, da wir uns nun schon kannten. Auch noch jetzt denke ich wirklich mit Freuden an den ehrlichen Alten zurück und noch immer höre ich seinen treuherzigen Ton: „Ich weiß, Du wirst zufrieden sein.“ Er hob, nachdem der Grieche den Teppich hingeworfen hatte, denselben in die Höhe, legte ihn auf seine Kniee und frug: „Nun sage mir, ist er nicht 480 Piaster Werth?“

„Ganz gewiß, aber ich gebe Dir nur 450 dafür.“

„Geben Sie ihm das Geld,“ flüsterte mein Gefährte.

Rasch legte ich dem Alten 41/2 Napoleonsd’or und 1 Medjidie (türkischen Thaler zu 22 Piaster) in die Hand und er zählte sie neben einander auf seine ausgestreckte Linke, strich sie zusammen, zählte sie abermals auf, sah sie lange an, dann mich, strich sie zusammen und faßte sie zwischen Daumen und Zeigefinger der Rechten, zeigte sie mir, schüttelte leise das schöne Haupt und sagte dann: „Es ist sehr wenig!“ Dann legte er mit der Linken den Teppich vor mich hin und sagte: „Wohl, nimm ihn!“ zog dann seine Börse aus dem Gürtel, that das Geld hinein, und gab mir die überschüssigen 4 Piaster pünktlich zurück, die ich dann gleich seinem Knaben einhändigte, der bereits die Last auf den Kopf genommen hatte, um sie mir in’s Haus nachzutragen. Sein Herr sah das und dankte mir mit freundlicher Miene: „Du bist mein Freund, und ich freue mich Deiner! Bleibe noch, wenn Du kannst!“

Ich entschuldigte mich mit einem Besuch, den ich zu machen hatte, und ging. Der Alte stand auf, reichte mir die Hand und nahm vor der Thür nochmals zärtlichen Abschied. Dann sah ich, wie er sich in das Hintergemach begab, wahrscheinlich um dort wieder Alles in Ordnung zu bringen.

Nach meiner Rückkehr aus Magnesia kam ich nur noch einmal an seinem Laden vorbei und grüßte ihn. Er war erfreut, wie ein Kind, als er mich gesund aus dem Innern des Landes zurück sah. Ich hatte ihm noch einen längeren Besuch zugedacht, kam aber leider nicht dazu. Aber noch jetzt sehe ich ihn im Geiste vor mir, mit seinem Silberbarte und den schönen klaren Augen, und höre noch deutlich sein zuversichtliches: „Du wirst zufrieden sein.“ Und das bin ich denn auch wirklich.




In der ersten Stunde des neunzehnten Jahrhunderts.

Von Ludwig Storch.
(Schluß.)

Auf diese von Adam gesprochenen Worte sagte Anders: „Die deutsche Philosophie ist nicht hinter der deutschen Poesie zurückgeblieben.“

„Auch Fichte hat vor wenigen Monaten ein neues Werk in die Welt geschickt, „Bestimmung des Menschen“ betitelt, in welchem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_747.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)