Seite:Die Gartenlaube (1859) 744.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Das niemals zahlte?“

„Dasselbe! Mit Noth und Mühe glaubte ich endlich zu dem Meinigen gekommen zu sein –“

„Indem Sie Edelsteine, Gold und Silber an Zahlungsstatt annahmen.“

„Alles, was werthvoll und verwerthbar war, gütigster Herr Oheim. Ich hatte natürlich Verluste dabei, nicht eigentlich, was den Werth der mir gelieferten alten und schadhaften Kostbarkeiten betraf, sondern weil deren Verwerthung stets mit Schwierigkeiten verbunden war. Der Eine wollte silberne Geräthe, wenn ich ihm nur goldene bieten konnte; der Andere mäkelte an den besten Steinen, ein Dritter zog deren Echtheit in Zweifel, ein Vierter endlich hatte gar Bedenken noch schlimmerer Art. Genug, ich war fest entschlossen, nach glücklich erfolgter Abwickelung mit dem mir unbequemen genuesischen Hause alle Verbindungen abzubrechen. Statt nun aber meinen Weisungen, die in diesem Falle doch als von mir ausgehende Befehle zu respectiren waren, pünktlich sich zu fügen, gewährt der eigensinnige Mensch dem Genuesen auf’s Neue einen bedeutenden Credit, eine Eigenmächtigkeit, die mich in empfindliche Verluste bringen kann.“

„Hat das Haus fallirt?“

„Das nicht, aber der Chef desselben ist heimlich entwichen, und nun bringe ich zu meinem größten Erstaunen in Erfahrung, daß überhaupt schon seit Jahren Unredlichkeiten mancherlei Art vorgekommen sind. Darüber erbittert, habe ich den Mann, der mir diese ärgerlichen Erfahrungen durch pünktlichen Gehorsam so leicht hätte ersparen können, abgelohnt und fortgeschickt.“

(Schluß folgt.)




In einem türkischen Laden.

Von Dr. K. Rbch.

Während meines Aufenthaltes in Smyrna besuchte ich natürlich oft die Bazars aller der verschiedenen Völker, die dort sich finden, um auf diese Weise durch unmittelbare Anschauung ihre Art und Sitte kennen zu lernen. Dabei ergeben sich wesentliche Unterschiede. Am besten ist der türkische Kaufmann. Er plaudert nicht, wie der Perser, er prahlt nicht, wie der Grieche, und spielt nicht den Nachlässigen oder Vornehmen, wie der Armenier. Er sitzt in olympischer Ruhe auf seiner Matte beim Schibuk und spielt keinerlei Rolle, thut sich keine Gewalt an, trägt keine Maske, sondern gibt sich unverhüllt, wie er ist. Er betrügt nicht und wird nicht verdrießlich, wenn der Käufer ihm stundenlang vergebliche Mühe macht und schließlich geht, ohne für einen Piaster zu kaufen.

Daher zog ich es vor, alle meine Einkäufe, so weit dies möglich war, bei den Türken zu machen. Es betraf meistens Gegenstände, die ich nur des Vergnügens halber mitnahm, um sie später als Erinnerungen an die Ferne aufzubewahren. So in Smyrna unter Anderem einen Teppich, wie man sie eben dort in Anatoli verfertigt, und jetzt in Europa, z. B. in Schmiedeberg in Schlesien nachmacht. Zu dem Ende erkundigte ich mich bei meinem Freunde, einem Kaufmann, nach einem Laden, wo ich solche Teppiche finden würde, und zwar echte kleinasiatische, nicht etwa englische oder deutsche Nachahmungen. Denn auch diese gibt es dort in Fülle, weil sie billiger sind, als die an Ort und Stelle verfertigten. Jene, die eingeführten, werden natürlich mit der Maschine gemacht, diese aber, die einheimischen, völlig aus freier Hand. Mein Freund wies mich an einen Türken und dieser gab mir einen jungen Mann aus seinem Geschäft mit, einen Griechen, der sowohl türkisch als italienisch sprach und der also meinen Dolmetscher abgeben sollte, indem ich mich der letztern Sprache bediente.

Wir durchwandelten nur einige von den unzähligen kleinen engen Kreuz- und Quergäßchen und standen bald unweit der großen Moschee vor einem offenen Laden, wie sie im Orient gewöhnlich sind. Man tritt nämlich durch eine niedrige Pforte in eine nach vorn ganz offene, kleine cubische Halle, deren Boden etwa drei bis vier Fuß höher liegt, als die Straße, und welche während der Nacht durch große Läden von oben und unten geschlossen wird. Die obere Hälfte wird, in ihren Angeln sich bewegend, durch Eisenstäbe auf der Seite in die Höhe gestützt und bildet so ein schützendes Vordach gegen Regen und Sonne; die untere fällt in ihren Angeln als Bedeckung der Hausmauer vertical hinab. An den Wänden der kleinen Hallen entlang liegen in allerlei offenen Fächern die Waaren; der Mittelraum ist leer. Hier liegt eine große Matte aus Dattelpalmblättern, und auf derselben sitzt, wenn nicht Käufer kommen, von Morgens bis Abends der Kaufherr und raucht seinen Schibuk (lange Pfeife) oder seine Argille (Wasserpfeife) und trinkt zeitweilig vielleicht zehn oder zwölf Mal des Tages seinen Kaffee. So fand ich auch meinen Türken. Er war ein alter Mann von etwa siebzig bis fünfundsiebzig Jahren mit langem silberweißen Barte und etwas blassem, sehr schönen Antlitz. Ein tiefer Ernst und eine sanfte Ruhe lag über die Züge ausgebreitet. Unter der hohen und breiten Stirn leuchteten ein Paar große hellgraue Augen mit durchdringender Schärfe hervor, und die lange sanft gebogene Nase sprang kühn zwischen ihnen mit scharfen, Rücken heraus und hinab auf die weichen Wellen der Lippen, die von dem glänzenden Silberbarte umschattet wurden. Ein hellrother Kaftan verhüllte ihn. In Mekka war er nie gewesen, denn er trug keinen grünen Turban, sondern einen weißen von untadeliger Reinheit. Das Unterkleid war von buntem Stoff aus gelber und blauer Seide, die Beinkleider von hellblauer Baumwolle, die Socken aus gelbem Leder. Er saß und rauchte seine Pfeife, und als wir vor den Laden traten, und mein Begleiter frug, ob er schöne Teppiche vorräthig habe, sagte er: „Ja wohl! Tretet nur herein!“ Er verbeugte sich sitzend und deutete mir mit der Hand einladend auf einen kleinen Stuhl mit Strohsitz, das einzige derartige Geräth, das der Raum zeigte. Ich ließ mich dann nieder, und mein Gefährte setzte sich halb, und halb lehnte er sich auf den erhöhten Boden des Ladens. Dieser ist nämlich nur eine Reihe von Bretern, welche auf untergestellten Böcken ruhen, indessen der eigentliche Fußboden aus festgestampftem Lehm besteht, wie der offne Streif desselben von der Thür geradeaus bis zur Hinterwand genugsam zeigt. Man steht also da auf der lieben ursprünglichen Erde, und nur selten ist sie mit Fliesen bedeckt.

Der Türke saß oben auf seiner Matte, ich unten auf dem Stuhl, und kaum war ich seiner Einladung gefolgt, als er auch schon die Pfeife aus dem Munde nahm und mir darbot. Das ist die erste Höflichkeit, welche der gute Ton gegen einen geehrten Gast vorschreibt. Ich nahm sie an, und er rief seinen Knaben. Ein kleiner Negerbube von etwa zwölf Jahren erschien, und ich konnte genug Türkisch, um die beiden Worte zu verstehen: Pfeife und Kaffee.

Das schien mir ein weitläufiger Handel zu werden, und ich dachte unwillkürlich an Europa und dann gar an Amerika, wie weit wohl dort die Leute kommen möchten, wenn sie jeden Käufer erst zum Sitzen nöthigen und mit Pfeife und Kaffee tractiren wollten, „Time is money,“ sagen die Amerikaner und zahlen lieber 45 Dollars auf einem Missisippi-Dampfer, der in vier Tagen von New-Orleans nach Louisville fährt, als 25 auf einem, der fünf Tage gebraucht. Denn die 20 Dollars lassen sich vielleicht zwei Mal in dem gewonnenen Tage verdienen.

Nach einiger Zeit bot ich dem Türken die Pfeife wieder zurück und wiederholte meine Frage nach den Teppichen. Er bat mich, den Schibuk zu behalten, sein Knabe werde gleich mehrere bringen, und wegen der Teppiche könne ich sorglos sein, die seien vorhanden. Indessen kam der Bursche zurück und überreichte seinem Herrn zwei andere Pfeifen, die dieser nun aus dem im Gürtel befindlichen Tabaksbeutel füllte, indessen der Knabe ging, Feuer zu holen. Der Herr hatte ihm zu dem Ende die einen Fuß lange Feuerzange oder Pincette mit goldenem Griff gereicht, die in eben solcher Scheide mit schöner erhabener Arbeit im Gürtel steckte. Diese Feuerzange, mehr oder weniger prächtig gearbeitet, ist neben Tabaks- und Geldbeutel das dritte Hauptstück im Gürtel des anständigen Türken und fehlt nie.

Die Pfeifen waren fertig gestopft; der Knabe mit glühender Kohle in der Zange stand vor dem erhöhten Boden und hielt das

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_744.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)