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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 49. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Der verwandelte Schmuck.

Novelle von Ernst Willkomm.
(Fortsetzung.)


„Ich habe eine Bitte an Sie, lieber Herr Simonides,“ redete der Graf den Juwelier an. „Sie müssen mir einen Gefallen thun.“

„Wenn es in meiner Macht steht, Herr Graf, werde ich es mir zur Ehre anrechnen, Ihnen dienen zu können.“

„Ich bin durch Zufall in den Besitz einiger Edelsteine gekommen, die ich gern je eher je lieber veräußern möchte,“ fuhr Aurelio von Weckhausen fort. „Ich wüßte sie auf keine Weise zu benutzen, und sie unbenutzt als völlig todtes Capital liegen zu lassen, ist unzweckmäßig. Sollten Sie jedoch nicht geneigt sein, einen eigentlichen Kauf mit mir abzuschließen, so würde ich mich eben so gerne zu einem Tausche bereit finden lassen.“

„Was sind es für Steine, Herr Graf?“ fragte Simonides.

„Sie haben darüber ein richtigeres Urtheil als ich,“ erwiderte Aurelio. „Ich trage sie bei mir, es hat sie noch Niemand gesehen, und nur weil ich zu Ihnen unbedingtes Vertrauen habe, lege ich Ihnen dieselben vor.“

„Es fängt bereits an zu dunkeln,“ entgegnete der Juwelier, „die Dämmerung ist der Betrachtung, besonders der richtigen Abschätzung von Juwelen nicht günstig. Warten wir noch kurze Zeit, bis Heller Lampenschein eine genauere Prüfung Ihrer Steine erlaubt. – Sie waren längere Zeit verreist, Herr Graf?“

„Länger, als ich beabsichtigte. Ein Unfall, der mir in den Apenninen zustieß und mir, hätte das Glück mich nicht in seltener Weise begünstigt, das Leben kosten konnte, hielt mich zurück. Ich habe einen steifen Finger zum Andenken an dies Evenement behalten, was meine Handschrift seitdem bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet.“

Simonides wollte nicht unbescheiden sein, weshalb er sich nicht weiter nach den näheren Umständen dieses Unfalles erkundigte. Er ließ Licht bringen, zog die Rouleaux nieder, stellte zwei sehr hell brennende Lampen mitten auf einen mit grünem Tuch überbreiteten Tisch und verriegelte, um nicht zufällig durch den raschen Eintritt eines Dritten gestört zu werden, die Thür.

„Jetzt sind wir allein, Herr Graf,“ sprach er, zum Tische zurückkehrend, „wenn Sie mir also Ihre Kleinodien vorlegen wollen, bin ich bereit, mein Urtheil über dieselben abzugeben und mein Angebot zu machen.“

Während Simonides diese Worte an Aurelio von Weckhausen richtete, bemerkte er, daß dessen Mittelfinger an der rechten Hand eine breite, noch jetzt fast blutroth schimmernde Wunde trug. Nach dem so eben Vernommenen nahm er an, der Graf möge sich bei dem erwähnten Unfälle diese Wunde zugezogen haben.

Aurelio folgte der Aufforderung des Juweliers. Er zog eine seidene Börse hervor, durch deren Maschen der Glanz verschiedener geschliffener Edelsteine blitzte. Einzeln legte er diese auf den grünen Ueberzug des Tisches.

Simonides nahm jeden Stein einzeln in die Hand, betrachtete ihn mit großer Genauigkeit von allen Seiten und ließ ihn durch mehrfache Wendungen im Lichte spielen. Gewisse Kennzeichen sagten dem erfahrenen Manne, daß sämmtliche Steine schon einmal gefaßt gewesen seien.

„Es sind seltene Kleinodien, nicht wahr?“ sprach, die Prüfung des Juweliers mit Aufmerksamkeit verfolgend, der Graf. „Man hat nicht häufig Gelegenheit, solche werthvolle Exemplare durch Tausch einzuhandeln.“

„Die Steine sind allerdings werthvoll,“ versetzte Simonides, seine Prüfung noch einmal wiederholend, „dennoch dürfte das, was ich Ihnen dafür bieten könnte, Ihren Wünschen kaum entsprechen.“

„Jedenfalls zahlen Sie doch den vollen Preis des Werthes?“

„Das eben ist es, was einem Abschlüsse des von Ihnen gewünschten Geschäftes entgegensteht,“ erwiderte der Juwelier. „Diese Steine waren alle schon einmal gefaßt, und – ein auffallender Umstand – die Hand, welche die Fassung entfernte, muß ungeschickt gewesen sein, denn sie hat beim Ausbrechen jeden einzelnen Stein verletzt.“

„Nicht möglich!“ rief der Graf, den ihm zunächst liegenden Sapphir ergreifend und ebenfalls mit prüfender Aufmerksamkeit betrachtend. „Ich vermag nirgends einen Fehler zu entdecken,“ fuhr er nach einer Weile fort, während der Juwelier bald diesen, bald jenen Stein gegen das Licht hielt, um dessen Farbenspiel und Feuer zu erproben.

„Sehr möglich, Herr Graf,“ antwortete Simonides, „nichts desto weniger muß ich meinen Ausspruch aufrecht erhalten. Man hat sich zu sehr beeilt, als man die alte Fassung entfernte. Derjenige, der sich damit beschäftigte, war unruhig oder mißtrauisch. Er wollte nicht gestört, nicht überrascht werden, und dadurch hat er sich selbst den größten Schaden zugefügt. Bezahlten Sie einen hohen Preis für diese Steine, Herr Graf?“

Aurelio von Weckhausen wollte offenbar das Angebot des Juweliers erfahren, ehe er diesem die Summe nannte, für welche die Edelsteine sein Eigenthum geworden waren.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_709.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2023)